Warum "Urban Exploration"
in Wien noch immer fasziniert

Urban Explorer suchen in ihrer Freizeit verlassene Orte auf, betreten verfallene Häuser und leerstehende Fabriken, begeben sich in U-Bahn-Tunnel und die Kanalisation und steigen auf Häuserdächer, Kräne oder Windräder – alles für den Nervenkitzel und das perfekte Foto. Was hinter dem Phänomen steckt.

von Geheimes Hobby - Warum "Urban Exploration"
in Wien noch immer fasziniert © Bild: istock

Dort hingehen, wo nicht jeder ist. Orte festhalten, die nicht jeder zu Gesicht bekommt. Einen Blick hinter die Kulissen werfen. Mit der Fotokamera dokumentieren, was vielleicht schon morgen nicht mehr existieren wird. Sich von der Masse abheben. Und natürlich Adrenalin. Das sind die Grundmotive von sogenannten „Urbexern“.

Wer gilt als Gründer von "Urban Exploration"?

„Die Stadt wird zu einem wunderbaren Spielplatz, und darin zu spielen erscheint wie ein amüsantes, herausforderndes Abenteuer", schrieb Jeff Chapman alias "Ninjalicious" in seinem Handbuch "Access All Areas – A User's Guide to the Art of Urban Exploration"*. Der 2005 verstorbene Kanadier und Gründer des Magazins "Infiltration" gilt als Pionier des Phänomens, das in Städten weltweit Verbreitung findet.

Woher kommt der Begriff „Urban Exploration“?

Im Internet wird der Begriff „Urban Exploration“ seit Mitte der 2000er Jahre verwendet. Streng genommen beschrieb er zunächst das Erkunden von Orten in der Stadt, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Schnell erweiterten die Urban Explorer ihre Ziele aber um die „Lost Places“, verlorene Orte außerhalb der Städte.

Was ist so spannend an dem Phänomen?

„Das Spannendste vor jedem Abenteuer ist, dass man nie weiß, was auf einen zu kommt und wie es endet“, sagt der Wiener der seit April 2017 in der Szene als „Paolo_leyk“ aktiv ist. Begonnen habe alles mit seiner Liebe zur Fotografie. „Anfangs machte ich nur von Baustellen aus Fotos, dann wurde es schon ein 50 Meter hoher Kran bis ich letzten Sommer die DC Towers und ein Windrad bestiegen habe“, berichtet der 28-Jährige.

»Wir fahren immer mit offenen Augen durch Wien«

Fast jedes Wochenende zieht es ihn ins Unbekannte. Unvorbereitet ist er aber nicht. Alleine und ohne Handschuhe wagt er sich nicht auf Entdeckungstour* in luftigen Höhen. Die Locations werden vorab recherchiert. „Wir fahren immer mit offenen Augen durch Wien, manchmal dauert es drei Monate bis man hineinkommt“, sagt Urbexer Paolo.

»Irgendwann merkst du, dass alles möglich ist«


Es mache Spaß, sich Strategien zu überlegen, befinden auch die 78er gegenüber der Zeitung „Standard“. "Irgendwann merkst du, dass alles möglich ist", und dann "juckt es in den Fingern". Sie seien gar nicht mehr fähig, sich durch die Stadt zu bewegen, ohne sie unwillkürlich "zu scannen": Von verschlossenen Türen, schief hängenden Fensterjalousien und neuen Baustellenkränen fühlen sie sich angezogen wie Motten vom Licht.

Die „78er – Institut für Stadterkundung“, wie sie die Truppe nennt, lässt die Öffentlichkeit schon seit 2012 an ihren Touren teilhaben. Ihre Bilder wurden schon in Ausstellung gezeigt – inzwischen ist es ruhiger um sie geworden. Generell seien vor einem Jahr noch mehr Abenteuerlustige unterwegs gewesen.

Die Grenzen der waghalsigen Entdecker

„Viele hören mit Urban Exploration auf, wenn es nicht mehr zu ihrem Privatleben passt“, erklärt Paolo, der Hauptberuflich als Disponent bei einer Baufirma tätig ist. Denn: So richtig legal ist das Freizeitvergnügen in luftigen höhen und dunklen Tunneln nämlich nicht.

Rechtlicher Graubereich

Rechtlich fällt Urban Exploration in einen Graubereich. „ Ich bin bewusst, dass solche Aktionen nicht ganz so legal sind, weiß aber trotzdem wo Schluss ist“, sagt Paolo. Nie würde er Schloss aufbrechen oder etwas beschädigen, um sich zutritt zu verschaffen. Das macht Sinn, denn wird beim Betreten eines Geländes eine Tür oder ein Zaun beschädigt, fällt das nur dann unter Sachbeschädigung. Andernfalls ist das Betreten "strafrechtlich nicht verfolgbar“.

»Ich wurde schon drei Mal erwischt«

Geschädigte können allerdings mit einer Besitzstörungsklage vorgehen. Generell herrsche eine gewisse Gelassenheit in Wien. In den vergangen zwei Jahren sei Paolo bereits drei Mal auf normalen Dächern erwischt worden. Die Polizei zeigte sich milde – 40 € musste er für die „Ordnungswidrigkeit“ berappen.

Roofing? Nein, danke.

Sein gefährliches Hobby hat er dennoch nicht aufgegeben. Prinzipien haben erfahrene Urbexer auch in punkto Sicherheit. Auf wirklich waghalsige Stunts wie sie beim Roofing, einem verwandten Phänomen, bei dem es ausschließlich darum geht, Höhen zu erklimmen, verzichtet er: "Wenn wirklich was passiert, dann bin ich tot, was bringt das Foto dann? Das wäre es mir nie wert.“

Die wichtigsten Regeln für Urbexer

Bei den meisten Explorern haben sich deshalb Regeln eingebürgert, die auch dem eigenen Schutz dienen. Die wichtigsten sind:

  • Niemals alleine auf Erkundungstour gehen
  • Sagt jemandem Bescheid, wo ihr hingeht und wann
  • Immer die Erlaubnis des Inhabers einholen
  • Festes Schuhwerk und zweckmäßige Kleidung tragen
  • Die Orte, an die es geht, sind alt und verlassen: Beim Betreten äußerste Vorsicht walten lassen
  • Die Grundregel der Urban Explorer heißt: Hinterlasse nichts außer deine Fußspuren. Das heißt, nichts mitnehmen, nichts verändern und nichts kaputt machen
  • Vandalismus und Graffiti sind tabu!

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