Córdobaba!

Er war einer der Helden von Córdoba. Doch der alte Glanz bröckelt, und die Welt des modernen Fußballs ist gnadenlos unsentimental: Seit vier Jahren ist Walter Schachner nun ohne Job. Jetzt tritt er mit sechzig Jahren bei "Dancing Stars" an, um sich noch einmal als Fußballtrainer in Erinnerung zu rufen

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Sport - Córdobaba! © Bild: News/ Sebastian Reich

Die guten, alten Zeiten, wo sind sie hin? Und wann genau haben sie aufgehört, gut zu sein? Eigentlich sollte dieser Walter Schachner rundum glücklich sein: Eine imposante Karriere als Stürmer hat er hinter sich, als einer der ersten Österreicher kickte er über Jahre hinweg erfolgreich in der italienischen Serie A. Danach etablierte er sich auch als Trainer, errang Cupsiege und Meistertitel.

Seine beiden Kinder, zwei Burschen, sind längst erwachsen und machen Karriere bei der Polizei. Seine Ehe mit Conny hält harmonisch seit 35 Jahren. Geld hätte er genug verdient, um sorgenfrei die Pension genießen zu können. Einen gemütlichen Familienbungalow im obersteirischen Trofaiach nennt er sein Eigen und auch einen Zweitwohnsitz an der oberen Adria. Zudem ist er mit seinen 60 Jahren, abgesehen von ein paar kleinen Wehwechen, noch immer fit genug, um fast täglich seine 40 Kilometer auf dem Fahrrad runterzuspulen. Ja, und nun wird er auch noch "Dancing Star": Der ORF hat ihn für die am 31. März startende Neuauflage seiner Tanzshow nominiert. "Fußballlegende", schrieb man auf der Kandidatenliste ehrfurchtsvoll unter seinen Namen.

© ORF/Roman Zach-Kiesling Walter Schachner mit seiner Tanzlehrerin Lenka Pohoralek

Eigentlich sollte dieser Walter Schachner also rundum glücklich sein. Doch irgendwas stimmt da nicht. Seit über einer Woche steht er wieder im Training, probt mit seiner Tanzlehrerin, Lenka Pohoralek, für die bevorstehenden Auftritte im Ballroom am Küniglberg. Aber im Grunde genommen ist das alles nur eine gut dotierte Ablenkung. Und die letzte Möglichkeit, sich im schnelllebigen Fußballgeschäft doch noch einmal in Erinnerung zu rufen. Hey, seht her, es gibt mich noch! Hey, ich will endlich wieder auf dem Platz stehen, habe nichts verlernt! Man kennt diese stummen Hilfeschreie von deutschen Altstars wie Icke Häßler, seit Jahren ohne echten Job, der sich bereitwillig im "Dschungelcamp" zur Schau stellte. Oder von Mario Basler, ebenfalls chronisch vereinslos, der kettenrauchend in den Container von "Promi Big Brother“ einzog.

Im Video: Erstes Beschnuppern der Dancing Stars

© Video: APA

Bescheidenste Verhältnisse

Doch im Gegensatz zu ihnen ist Schachner keiner von denen, die bereits während ihrer aktiven Karriere als schwierig und exaltiert galten. Keiner von denen, die alt sind und plötzlich das Geld brauchen. "Ich habe nie vergessen, was ich dem Fußball zu verdanken habe", sagt der ehemalige Betriebsschlosser der Voest Donawitz. Sein Vater war pensionierter Eisenbahner, und er, Walter, war der Nachzügler, der die abgewetzten Pullover und Hosen seiner älteren Halbgeschwister auftrug. Im Rahmen einer mildtätigen Aktion seiner Heimatgemeinde St. Michael wurde er sogar als bedürftiges Kind eingekleidet. "Ich weiß, wo ich herkomme - aber ich weiß auch, was ich immer noch kann", sagt er.

Und dennoch, seit gut vier Jahren, als er seinen letzten Trainerjob beim LASK quittierte, ruft ihn aus der Branche kaum noch wer an. Kein Klubpräsident, kein Agent, kein Sportdirektor, nicht einmal bummelwitzige Journalisten, die nach Trainerrauswürfen die Nachfolgediskussion mit dem Namen Schachner anfachen wollen. "Ich verstehe das nicht", sagt Walter Schachner. "Ich verstehe es ganz einfach nicht."

Ballannahme, Haken, Schuss - und meistens Tor: 64 Mal lief der Steirer im österreichischen Nationalteam auf, 23 Tore erzielte er dabei, keine üble Quote. Früher war er selbst Stürmer, doch jetzt ist es der Wind der Veränderung, der ungerührt über ihn hinwegfegt. Junge Trainer mit pseudowissenschaftlichem Speak und omnipräsenten Laptops haben sich auf den Betreuerbänken breit gemacht, die Helden von gestern sind entweder hochbezahlte Experten wie Krankl und Prohaska - oder eben unbezahlte wie Schachner. Der Bauer-Michi, der Kühbauer-Didi, der Schöttel-Peter, alle seien sie arbeitslos, zählt Schachner auf. Dabei seien die sogar noch jünger als er. Der Pacult Peter, mit 57 immerhin in Schachners Alterskategorie, ist auch nicht viel besser dran: Er ist Übungsleiter im hintersten Winkel Slawoniens, wo er den abgeschlagenen Tabellenletzten, Cibalia Vinkovci, vor dem Abstieg aus der kroatischen Liga retten soll. "So was würde ich eher nicht machen", schränkt sich Schachner ein. Für sportliche Himmelfahrtskommandos wie dieses fühlt er sich dann doch eine Spur zu reif - und zu profiliert. "Das wären doch eigentlich die Jobs, bei denen sich die Jungen Erfahrung sammeln könnten."

© News/ Sebastian Reich Textile Erinnerung: Walter Schachner streift seinen verwaschenen Teamdress über

Von "proaktivem Fußball" schwafeln diese naseweisen Newcomer und fordern, dass "ambitioniert gegen den Ball gearbeitet werde" - während Schachner nach wie vor sagt, man "muss ganz einfach aggressiv in die Zweikämpfe gehen". Von "vertikalem Spiel" faseln sie, während der Trainer Schachner ganz einfach "schnell nach vorne spielen" ließ. "Ich bin halt nicht mehr jung, und deswegen wohl auch nicht mehr modern", sagt er. Selbstironisch soll es klingen, doch die Wehmut, die dahintersteckt, lässt sich nur notdürftig kaschieren.

Dabei würde auch Schachner das Neudeutsch des modernen Fußballs beherrschen - zumindest schriftlich. Auf seinem Schreibtisch liegt ein kleines Handout mit dem Titel "Spielphilosophie", das er selbst verfasste. "Durch geschicktes Stellungsspiel werden die Räume in Länge und Breite des Spielfelds verkürzt und verengt", steht da zu lesen. Und von einer "über das ganze Spielfeld ausgeweiteten Angriffsverteidigung" ist hier die Rede. Und als ob das alleine nicht schon erhaben genug für ein erneutes Jobangebot klingen würde, betreibt Walter Schachner auch noch konsequent Erinnerungskultur in eigener Sache: "Ich bin fast bei jedem Länderspiel dabei, auch bei Sturm Graz sitze ich immer wieder auf der Tribüne." Die Scouts von "Dancing Stars" wurden auf ihn aufmerksam, doch die Fußballmanager ließen ihn im passiven Abseits schmoren.

Verblassendes Gold

Vor eineinhalb Jahrzehnten, als er die Underdogs vom GAK auf dem letzten Tabellenplatz übernahm und in der darauffolgenden Saison zum Meistertitel führte, wurde ihm noch das Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark verliehen. Der ehemalige Sportlandesrat Hermann Schützenhöfer sprach von "einer Geschichte, wie sie Hollywood nicht besser hätte erfinden können". Vor zehn Jahren, als Schachner seinen Fünfziger feierte, schauten bei seiner Sause in der obersteirischen Provinz noch immer spendable Fußballmäzene wie Frank Stronach oder Jörg Haider vorbei. Heuer, als er sechzig wurde, zog er sich mit seiner Familie wohlweislich auf die Malediven zurück. Früher galt Schachner als Winner, heute hat er das Image, zu teuer zu sein. "Das ist der Grund, weshalb sich keiner meldet", glaubt seine Frau Conny. Natürlich verlange er für seine Arbeit Geld, doch so viel, wie immer wieder kolportiert werde, sei es nun auch wieder nicht.

Begleitet man Walter Schachner über die geschwungene Treppe hinunter in seinen verfliesten Keller, so bekommt das Wort Abstiegskampf einen Beigeschmack von Wahrheit. All die Memorabilien, die er in seiner 37-jährigen Tätigkeit als Spieler und Trainer angesammelt hat, sind hier gehortet: Trikots, die sich gewaschen, gebügelt und zusammengelegt hinter Glasvitrinen stapeln; vergilbte Mannschaftsfotos, von denen der Stürmer, damals noch angetan mit Schnauzbart und stromlinienförmiger Föhnwelle, siegessicher herunterlacht; Bilder von ausgelassenen Meisterfeiern, auf denen der spätere Trainer von seinen Spielern auf Schultern getragen und mit Sekt geduscht wird; auch einige grobkörnig vergrößerte Spielszenen aus dem legendären Match gegen die Deutschen bei der Weltmeisterschaft 1978 finden sich hier: Die Österreicher gewannen mit drei zu zwei, Schachner zwang den deutschen Verteidiger Berti Vogts zu einem Eigentor, der Mythos Córdoba war geboren - und Walter Schachner einer seiner Geburtshelfer.

Nun wirft er sich in den glitzernden Tanzoverall und schwitzt für sein Comeback. Grelle Spotlights statt Stadionflutlicht. Natürlich, sagt er, wolle er gute Figur machen und nach Möglichkeit auch gewinnen. Was er nicht sagt: Ein echter Ball wäre ihm viel, viel lieber als der Ballroom.

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