"Für die SPÖ geht es bergauf.
Und für die ÖVP bergab"

Wo die SPÖ die ÖVP überholt hat und warum noch "alles möglich" ist, erklärt SPÖ-Wahlkampfleiter Christian Deutsch

Christian Deutsch managt den Nationalrats-Wahlkampf für die SPÖ, er wurde von Pamela Rendi-Wagner ins Boot geholt, als dieses nach dem Misstrauensvotum und der EU-Wahl schon stark in Seenot geraten war. Im Interview mit News.at spricht er über gute Wahlkämpfe, inszenierte Bilder ohne etwas dahinter und warum er denkt, dass für die Sozialdemokraten noch alles möglich ist.

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Interview - "Für die SPÖ geht es bergauf.
Und für die ÖVP bergab"

News.at: Was zeichnet einen guten Wahlkampf aus?
Christian Deutsch: Einen guten Wahlkampf zeichnet aus, dass es ein inhaltlich starker Wahlkampf ist, dass konkret Themen angesprochen werden, dass öffentlich gesagt wird, wofür man steht und was man vor hat, im Parlament umzusetzen. Und gleichzeitig, dass es möglichst viele direkte Gespräche mit der Bevölkerung gibt. Das setzen wir mit unserer Tour durch Österreich um.

Wie viele Leute arbeiten in Ihrem Team?
Der engste Kreis des Teams sind rund zehn Personen.

»Für die SPÖ geht es bergauf. Und für die ÖVP bergab. «

Was wird die größte Herausforderung, gerade an diesem Wahlkampf, sein?
Die größte Herausforderung ist, dass wir von der Ausgangslage, von der wir gestartet sind, deutlich zulegen können. Es ist uns in den letzten Wochen gelungen, hier eine Trendumkehr zu erreichen. Umfragen sind wie immer Momentaufnahmen. Die wesentliche Frage ist nur: Geht es rauf oder geht es runter und was wir in den letzten Umfragen feststellen konnten, ist, dass es für die SPÖ bergauf geht. Und für die ÖVP bergab.

Was ist das erklärte Ziel am 29. September?
Das Ziel für eine große, staatstragende Partei wie die SPÖ muss der erste Platz sein, das ist gar keine Frage.

Auch wenn die Umfragen einen Trend nach oben zeigen, liegt die ÖVP dennoch mehr als 10 Prozentpunkte vor der SPÖ. Kann sich das noch ausgehen?
Meiner Meinung nach ja. Die Chancen sind intakt. Auch deshalb, weil die Wählerschaft so mobil ist wie noch nie. Rund 50 Prozent sagen, sie können sich dieses Mal vorstellen, eine andere Partei zu wählen. Ein Viertel der Wähler entscheidet sich erst in den letzten 14 Tagen, manche sogar erst am Wahltag. Gleichzeitig werden die traditionellen Stammwähler immer wenige. Das alles zeigt, dass hier noch alles möglich ist.

»Es gibt immer Dinge, die man noch besser machen kann.«

Was wurde bei den Wahlkämpfen der SPÖ in der Vergangenheit falsch gemacht?
Ich möchte gar nicht zurückblicken, sondern nach vorne schauen. Es geht nicht um die Bewertung der Vergangenheit, es gibt immer Dinge, die man noch besser machen kann. Daran arbeiten wir. Wir wollen in diesem Wahlkampf einen inhaltlich starken Wahlkampf führen, wo wir konkrete Themen ansprechen wie etwa leistbares Wohnen, die Sicherung des öffentlichen Gesundheitswesens, die Organisation der Pflege, die Chancengleichheit in der Bildung bis zur Klimakrise. Aber für uns steht die Themen immer in Verbindung mit der sozialen Frage. Und: Wir führen einen sauberen Wahlkampf und das in jeder Beziehung.

Was sind die Dinge, die man „noch besser machen kann“?
Jeder Wahlkampf steht für sich selbst und es sind jeweils andere Herausforderungen. Was uns in der Kürze der Zeit wichtig ist, ist dass es möglichst viele persönliche Gespräche nicht nur mit unserer Spitzenkandidatin Pamela Rendi-Wagner sondern mit allen KandidatInnen der Regionalwahlkreise gibt.

In Punkto soziale Medien hat die SPÖ auch einiges aufzuholen. Wie lautet da Ihre die Strategie, wie will man diese Versäumnisse aufholen?
Wir konzentrieren uns nicht auf die Anzahl der Freunde, sondern wir konzentrieren uns auf die Interaktionen und hier haben wir in den letzten vier Wochen bereits den politischen Mitbewerber überholt. Das ist eine Statistik, die von einem unabhängigen Institut festgestellt wurde und auch wöchentlich künftig publiziert werden soll.

Warum funktioniert es jetzt doch?
Weil wir insbesondere diese Interaktionen gefördert haben, weil auf Kommentare reagiert wurde, weil agiert wurde, weil viele Akzente auch proaktiv gesetzt wurden und dadurch der Dialog stark angestiegen ist. Und wir haben das Team insbesondere in diesem Bereich verstärkt.

Holt man sich hier auch Inputs von anderen Parteien, schaut man sich etwas ab?
Natürlich beobachtet man die Arbeit des politischen Mitbewerbers aber in diesem konkreten Fall gehen wir einen einzigartigen Weg.

Gibt es andere Parteien, die das richtig gut machen Ihrer Meinung nach?
Die Frage ist, worauf man den Schwerpunkt legt. Wir legen den Schwerpunkt auf die Interaktion und da sind wir die Nummer eins.

Die FPÖ hat mit „unzensuriert“ und Co. eigene Medien, Peter Pilz hat vor kurzem „Zackzack“ gestartet. Plant die SPÖ auch ein eigenes Medium? Ist so etwas vorstellbar?
Es gibt den „Kontrast“-Blog des SPÖ-Parlamentsklubs, der insbesondere auf der inhaltlichen Ebene kommuniziert und wo Themen sehr öffentlichkeitswirksam verständlich dargestellt werden.

Aber im Gemeindebau ist der Kontrast noch nicht angekommen…
Nein, aber das ist ein großer Unterschied zu anderen Parteien: Wir haben erfreulicherweise viele ehrenamtliche MitarbeiterInnen, die Hausbesuche durchführen und die direkt vor Ort auch die BewohnerInnen ansprechen.

Was kann Pamela Rendi-Wagner besser als Ihre KonkurrentInnen?
Sie hört zu und präsentiert Lösungen für Probleme, wie sie es auch schon als Ärztin gemacht hat. Aber nicht in einer inszenierten Form, sondern auf eine Art und Weise, wie etwa dieses Video aus dem Pflegewohnhaus zeigt. Dieses Bild bzw. diese Bilder sagen mehr als tausend Worte.

Dazu interessant: Die ganze Geschichte zum Vergleich Kurz vs. Rendi-Wagner im Altersheim

Es gab ja den Vorwurf, Pamela Rendi-Wagner wurde „zu Tode gecoacht“. Wie viel Freiraum wird ihr gelassen?
Woher dieser Vorwurf kommt, wird sich wahrscheinlich gar nicht mehr feststellen lassen. Sie ist die Spitzenkandidatin, sie trifft die Entscheidungen, was sie in dem Wahlkampf macht. Es gibt vom Team natürlich Vorschläge, aber letztendlich ist sie die Chefin.

Politikwissenschaftlerin Stainer-Hämmerle sagte vor kurzem in einem News.at-Interview, bei Rendi-Wagner stimme einfach das Timing nie: „Sie drängt sich oft vor in Situationen, wo man sich denkt: Warum jetzt? Und dann bei Dingen, wo man sie gerne sehen würde, schickt sie den Leichtfried. Sie macht die „Big Points“ nicht.“ Warum ist das oft so daneben gegangen in der Vergangenheit?
Sie ist eine Teamplayerin. Wir sind sehr gut vorbereitet und Pamela Rendi-Wagner wird noch viele "Big Points" präsentieren.

»Alles was wir tun ist echt und nicht inszeniert.«

Sebastian Kurz geht wandern, macht eine große Veranstaltung in Korneuburg bei der alle etwas Türkises mitbringen, es gibt Aktionen mit türkisen Selfies, etc. Hat die SPÖ Aktionen in diesem Stil auch geplant?
Nein, alles was wir tun ist echt und nicht inszeniert.

Kann man damit gewinnen?
Ich glaube ja. Weil es letztendlich bei der Frage der Entscheidung, wen man wählt, schon darum geht: Ist das eine Politik von der die Betroffenen profitieren oder sind das nur schöne, inszenierte Bilder, wo nichts dahinter ist.

SPÖ und Wahlkampf: Immer wieder fällt dabei der Name Tal Silberstein. Wie gehen Sie damit um – und wie schädlich ist das?
Interessant ist, dass diesen Zusammenhang immer wieder der politische Mitbewerber herstellt, der da offensichtlich ein Interesse hat, das in Erinnerung zu rufen. Wir beschäftigen uns mit dem politischen Mitbewerber möglichst wenig. Nur wenn es um politische Kritik geht aber auf diese Ebene, die hier immer wieder versucht wird anzusprechen, werden wir nicht hinuntersteigen.

Ist Tal Silberstein noch schädlich?
Das ist die Vergangenheit, das ist abgeschlossen.

Für die Menschen da draußen auch?
Ja, sicher.