ÖVP: Identitären-Verbot als Koalitionsbedingung

Klubchef Wöginger nennt Kickl "Schutzpatron der Identitären" - Grüne öffnen sich für Türkis-Grün

Die ÖVP verstärkt nach dem Nein des geschäftsführenden FP-Klubobmanns Herbert Kickl zum Verbot der Identitären Bewegung ihre entsprechende Forderung. ÖVP-Klubchef August Wöginger erklärte am Sonntag, "dass das Verbot der Identitären in einer zukünftigen Regierung angegangen werden muss". Indes öffnen sich erste Grüne für eine mögliche Koalition mit der ÖVP unter Kurz nach der Nationalratswahl.

von
Wahlkampf - ÖVP: Identitären-Verbot als Koalitionsbedingung

Wöginger untermauerte in einem schriftlichen Statement gegenüber der APA damit die bereits von seinem ÖVP-Kollegen Gernot Blümel aufgestellte Forderung. Ein Verbot der vom Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusschutz (BVT) als rechtsextrem eingestuften Identitären "muss im nächsten Koalitionsvertrag stehen".

"Extremismus hat keinen Platz"

Das Nein Kickls kritisierte er scharf: Dass "ausgerechnet Herbert Kickl nun zum obersten Schutzpatron der Identitären" werde, sei "besonders pikant". "Wir sagen klipp und klar, Extremismus, sei es der politische Islam oder Organisationen wie die Identitären haben in Österreich keinen Platz. Wir wollen nicht, dass das Vereinsrecht für derartige gefährliche Ideologien und Strömungen missbraucht wird", so Wöginger.

Verfassungsschutzbericht "neu ordnen"

Darüber hinaus schlägt der VP-Klubchef vor, dass in Zukunft der Verfassungsschutzbericht "neu geordnet" wird und es wieder einen eigenen Extremismusbericht des BVT gibt. Als Grund nennt Wöginger, dass die Bedrohungen durch extremistische Strömungen - "sowohl durch politisch als auch durch religiös motivierten Extremismus" - ständig zunehmen würden. In dem neuen Extremismusbericht sollen die verschiedenen Gruppierungen und Organisationen im rechts- bzw. linksextremen und islamistischen Bereich "näher dargestellt und strukturiert analysiert werden, welches Bedrohungspotenzial von ihnen ausgeht".

Am Freitag hatte die ÖVP die Forderung nach einem Verbot des politischen Islam im Strafgesetzbuch aufgestellt und darüber hinaus gefordert, das Vereinsrecht so zu ändern, dass die Identitären aufgelöst werden können. Denn ein Verein kann derzeit nur aufgelöst werden, wenn er gegen Strafgesetze verstößt. Laut ÖVP-Wunsch sollen Behörden einen Verein auch auflösen können, wenn er genutzt wird, um extremistisches oder staatsfeindliches Gedankengut zu verbereiten.

Kickl-Absage: "Tiefer Eingriff in Rechtstaatlichkeit"

Ex-Innenminister Kickl hatte diesem Ansinnen postwendend eine Absage erteilt: "Das ist ein tiefer Eingriff in die Rechtsstaatlichkeit", es könne nicht angehen, einfach so "aus Jux und Tollerei" sowie aus wahltaktischen Motiven in die Vereinsfreiheit einzugreifen, sagte er am Freitag.

FPÖ kritisiert "Verbotsfantasien"

Die "Verbotsfantasien der ÖVP erinnern frappant an autoritäre Systeme", meinte außerdem FPÖ-Sicherheitssprecher Hans-Jörg Jenewein in einer Aussendung. Die "völlig ohne Not von der ÖVP aufgebrochene Debatte über ein mögliches Verbot der 'Identitären'" sage nämlich "in Wahrheit vielmehr über die ÖVP selbst aus", meinte der Nationalratsabgeordnete. "In entwickelten Demokratien entscheiden nämlich Rechtsinstanzen, wie etwa unabhängige Gerichte in Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden darüber, ob und wie ein Verein eventuell staatsgefährdend ist und ob ein Verbot aus rechtlichen Gründen angezeigt ist." Derartiges habe "weder aus einer Laune heraus zu geschehen, noch aus der Stimmungslage eines Wahlkampfes", so Jenewein.

Man müsse die Ideologie der Identitären nicht teilen, "man kann deren Vorstellungen auch ablehnen und sich im Zuge des Diskurses auch klar gegen diesen Verein stellen". Aber es mache doch einen "großen Unterschied, ob man eine politische Idee ablehnt oder ob man sofort nach einem Verbot schreit." Einzig in "autoritären Systemen oder in Diktaturen" würden Regierungen versuchen, "ihr nicht genehme Vereine, Oppositionelle etc. mittels Verbote aus der Öffentlichkeit zu verbannen". Die Debatte der ÖVP erinnere mittlerweile "frappant an diesen Geist und hat in einer pluralistischen Gesellschaft nichts verloren".

Hofer gegen "politische Willkür"

Auch der designierte FPÖ-Chef Norbert Hofer meldete sich zu Wort: "Die aktuelle Debatte um ein Verbot der Identitären ist ein Scheingefecht und lenkt von den wirklichen Problemen ab", meinte er in einer Aussendung, in der er sich gegen "politische Willkür" aussprach.

Man habe in Österreich "das Verbotsgesetz, ein Vereinsrecht und die Menschenrechtskonvention als geltende Grundlagen", so der FPÖ-Chef. "Auf dieser Basis werden Verbote entschieden, wobei hier keinesfalls der Boden der Rechtsstaatlichkeit verlassen werden darf."

Gleichzeitig betonte Hofer seine (auch in der Vergangenheit von ihm immer wieder erklärte) Distanz zu der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Gruppierung: "Wer mich kennt, der weiß, dass ich seit Jahren in strikter Opposition zu dem Verein der Identitären stehe und ich nicht einmal ansatzweise Sympathien für diese Gruppe hege. Es darf aber auch keine politische Willkür geben, denn das ist genau das, was solche Gruppen wollen und womit man sie indirekt unterstützen würde. Ich appelliere daher, auch in der Phase des Wahlkampfes Ruhe und Besonnenheit zu bewahren", so Hofer.

Erste Grüne offen für Koalition mit ÖVP

Die Tiroler Landeshauptmannstellvertreterin und ehemalige Grünen-Bundessprecherin Ingrid Felipe hat sich indes als erste Grüne offen für eine mögliche Koalition mit der ÖVP gezeigt. Sollte das Wählervotum für die Grünen so stark ausfallen, dass man die Gelegenheit bekomme, ernsthafte Koalitionsgespräche zu führen, "dann wird man sie führen", sagte Felipe im APA-Sommerinterview.

Zuletzt hatte Felipe erklärt, dass eine Koalition der Grünen mit der bisher bekannten türkisen ÖVP nicht möglich sei und von einem "System Kurz" gesprochen, welches kein Partner sein könne. Damit habe sie aber nicht sagen wollen, dass eine Regierungszusammenarbeit der Öko-Partei unter einem Bundeskanzler und ÖVP-Parteiobmann Sebastian Kurz ausgeschlossen ist. "Ich mache eine Regierungsbeteiligung nicht von Personen abhängig, sondern von Inhalten. Die Grünen stehen jedenfalls nicht dafür bereit, den türkis-blauen Kurs fortzusetzen", betonte Felipe.

ÖVP wird "grüner"

Eine Regierung mit grüner Beteiligung brauche eine "klare ökosoziale und menschenrechtsbasierte Handschrift". "Es gibt Leute in der ÖVP, die dafür einstehen. Die sind dann aber eher schwarz als türkis", meinte die Landeshauptmannstellvertreterin, die einer schwarz-grünen Landesregierung angehört. Sie merke aber, dass es auch in der Bundes-ÖVP eine heftige Debatte gebe, wie man etwa mit dem Klimaschutz umgehe. Sie orte ein "grüner werden" der ÖVP.

Auch Dreierkoalition für Felipe möglich

Auch für eine mögliche Dreierkoalition aus ÖVP, NEOS und Grünen zeigte sich Felipe durchaus aufgeschlossen. Eine solche Konstellation wäre mit den "richtigen, kooperationsbereiten Protagonisten" schon machbar. Ihre Salzburger Kollegen, die sich in einer solchen Dreierkoalition befinden, würden ihr jedenfalls von einem "guten Arbeiten" berichten.

Keine Regierungsbeteiligung bei knappem Wiedereinzug

Nicht infrage komme für sie ein Eintritt in eine Regierung, sollte die Grünen nur knapp den Wiedereinzug in den Nationalrat schaffe, also beispielsweise bei einem Ergebnis um die fünf Prozent. Sie hoffe, dass ein zweistelliges Wahlergebnis "drin ist", sei aber jedenfalls zuversichtlich, dass das grüne Comeback im Hohen Haus gelingt, so Felipe, die als Bundessprecherin an vorderster Front am Rausflug aus dem Nationalrat im Jahr 2017 beteiligt war. "Es ist spürbar, dass die Grünen im Parlament fehlen. Als Stimme für Ökologie, Klimaschutz, Transparenz und Anti-Korruption", erklärte die 40-Jährige. Die Ausgangsposition sei jedenfalls sehr gut, und: "Der Zeitgeist hilft den Grünen".

Grundbedingungen für Koalition

Als inhaltliche Grundbedingungen für eine Koalition mit Grün nannte Felipe unter anderem die Umsetzung der Wegekostenrichtlinie 2 mit einem größeren Potenzial in der Bemautung von Schwerverkehr sowie einen "radikalen Ausbau des öffentlichen Verkehrs" inklusive der Realisierung des Österreich-Tickets. "Zudem müssen alle Grauslichkeiten und Widrigkeiten von Türkis-Blau im Fremden- und Aufenthaltsgesetz rückgängig gemacht werden", forderte sie eine Kehrtwende in der Asyl- und Migrationspolitik ein. Dass in Lehre befindliche Asylwerber mit negativem Bescheid abgeschoben werden, müsse sofort, noch unter der derzeitigen Übergangsregierung, "aufhören", verlangte Felipe.

Ihre eigene politische Zukunft werde sich in Tirol abspielen, schloss Felipe einen weiteren Ausflug nach Wien aus.

FPÖ: "Weg für Schwarz-Grün bereits geebnet"

Die FPÖ ortet in den Aussagen Felipes umgehend ein "Warnsignal" an die Wähler. Denn damit zeige sich, "dass der Weg für diese Koalitionsform bereits geebnet ist", meinte FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky am Sonntag in einer Aussendung.

Kommentare