Das Wunder von Kärnten

Ein Blick hinter die Kulissen beim Sensationsaufsteiger aus dem Lavanttal

von
WAC/St. Andrä - Das Wunder von Kärnten

Der Schmäh rennt nur, wenn auch die Spieler rennen. Wenn nicht, wird Trainer Nenad Bjelica so richtig ungemütlich. „Fußball ist in erster Linie harte Arbeit“, sagt der 41-jährige Kroate. „Alles andere ist Blenderei und Blabla.“

Der Letzte, der Bjelicas Konsequenz zu spüren bekam, war der deutsche Legionar Markus Kreuz. Ohne den Verein ins Vertrauen zu ziehen, hatte der alternde Star seine Hochzeit auf einen Matchtag gelegt. Und das noch dazu im Meisterschaftsfinish. Rote Karte, Dienstfreistellung, stiller Rausschmiss.

Für jede menschliche Schwäche haben sie beim Wolfsberger AC / St. Andrä, kurz WAC, Verständnis. Nur nicht für den Verrat an der Familie. Und Familie, das ist auf dem fruchtbaren Talboden zwischen Sau- und Koralpe neben der Gattin eben auch der Verein.

„Wenn wir in der nächsten Saison um den Klassenerhalt in der Bundesliga kämpfen, ist der unbedingte Zusammenhalt zwischen Spielern, Trainerteam und Funktionären wohl unser größter Trumpf gegenüber den Großklubs“, so Bjelica.

Mit einem ungefährdeten 3:1-Auswärtssieg gegen die arrivierte Vienna fixierten die Lavanttaler am vergangenen Wochenende bereits eine Runde vor Saisonschluss den Aufstieg in die Bundesliga. Zum ersten Mal. Und das, obwohl der 81-jährige Traditionsverein vor sieben Jahren nur noch in der fünften Spielklasse herumgurkte – und daher finanziell unmittelbar vor dem letzten Schlusspfiff stand.

Wolfsberg, ein rustikales Sommermärchen? Ein weiterer Schritt Richtung Dorf-Liga, nörgeln jene, welche die schleichende Provinzialisierung für das Grundübel des Austro-Kicks halten. Die darüber lamentieren, dass nur noch vier von neun Hauptstädten Erstligavereine stellen. Und richtig, die Lavanttal-Arena, in der die Wolfsberger ihre Heimspiele austragen, fasst gerade einmal 4.100 Besucher; und unmittelbar hinter der Stehplatzrampe kauen Milchkühe friedlich das saftige Almgras wieder.

Genesung vom Größenwahn
Doch urbane Polemik würde im Fall WAC entschieden zu kurz greifen. Der Aufstieg der Kärntner ist auch ein weiterer Genesungsschritt, weg von jener Großmannssucht, unter der Österreichs Fußball in den letzten Dekaden litt. Bescheidene 2,8 Millionen beträgt das Vereinsbudget in der zu Ende gehenden Meisterschaft. Zum Vergleich: Selbst Bundesliga-Kellerkind Kapfenberg kalkulierte mit vergleichsweise astronomischen vier Millionen.

Doch da ein Gutteil der Aufwendungen aus der Privatschatulle von Vereinspräsident Dietmar Riegler stammt, sind die Wolfsberger völlig schuldenfrei – ein Fundament, auf dem der Haushaltsplan für die erste Bundesligasaison nun getrost auf 4,4 Millionen aufgestockt werden kann. „Und zwar ohne jedes Risiko“, betont Riegler.

Dunkelblaues Sakko, krawattenbefreiter Hemdkragen, handgefertigte braune Schuhe, Gesichtszüge und Haircut, die entfernt an den jungen Andreas Ogris erinnern: Obwohl der 46-jährige Vereinsboss aus Termingründen mitunter im Privatjet zu den Spielen einfliegt, ist er alles andere als ein geltungsgeiler Karawanken-Kartnig. Im Gegenteil, wenn er vom „Herzblut“ und vom „Idealismus“ spricht, die er in den Verein seiner Jugend steckt, so ist ihm das lokalpatriotische Pathos fast schon ein wenig unangenehm.

Früher, noch lange bevor er mit Biomasse-Kraftwerken Millionen machte, kickte er selbst für St. Andrä, ehe er den Verein vor sieben Jahren als Mäzen und Präsident mit dem benachbarten WAC fusionierte. St. Andrä hatte damals immerhin die Lizenz für die dritte Liga, der WAC trotz sportlicher und finanzieller Talfahrt zumindest noch den Nachhall klingender Namen: In den Achtzigerjahren hatte man es zum letzten Mal rauf in die zweite Liga geschafft, später mit Hannes Reinmayr und Tomislav Kocijan sogar zwei ergraute Helden aus der goldenen Sturm-Ära runter ins Lavanttal gelotst.

Darauf, so Rieglers damaliges Kalkül, ließe sich langfristig schon etwas aufbauen. Selbst in Kärnten. „Unser Aufstieg ist Balsam auf all die alten Wunden“, sagt Riegler heute.

Fußball, Freunde, Freunderln
Denn wer das Wunder von Wolfsberg in seiner vollen Dimension begreifen will, der muss hinabtauchen in eine Zeit, als der Kärntner Fußball noch Fixbestandteil von Haiders lückenlosem Feudalsystem war. Und spröde, unbiegsame Typen wie Riegler und Bjelica belächelte Outcasts.

Als alle öffentlichen Geldreserven (und mehr) in ein Stadion flossen, das wegen seines international bescheidenen Fassungsvermögens als „Klagenfurz“ in die Sportpresse einging. Und das nun mit seinen unfüllbaren 30.000 Plätzen als Mahnmal fragiler Selbstherrlichkeit vor sich hin bröckelt.

Als fast ausschließlich Familienmitglieder, Freunde und Freunderln als Funktionäre forciert wurden und Hypo-Millionen in einem Retortenklub namens Austria Kärnten versickerten, dessen Spiellizenz der Landesvater erst mühsam einem oberösterreichischen Geschäftsmann abkaufen musste.

Wer das Wunder von Wolfsberg in seiner vollen Dimension begreifen will, der muss wissen, dass es gerade in diesen turbulenten Tagen in aller Stille seinen Anfang nahm: Riegler bemerkte, dass er seine Geschäftsfreunde beim besten Willen nicht auf der acht Quadratmeter großen, behelfsmäßig aus Holzbrettern zusammengezimmerten Ehrentribüne von St. Andrä empfangen konnte. Erst erweiterte er seine rustikale VIP-Lounge auf 35 m2, dann auf 200. Und die orange-blaue Wörthersee-Society lachte. Schließlich übersiedelte er ins Wolfsberger Stadion und errichtete mit Millionenaufwand den elegantesten VIP-Club Österreichs.

Viel Glas, viel helles Holz, mehrere Etagen. Und die Wörthersee-Society staunte. Nunmehr ist der Stadionanbau, der sich in Rieglers Privatbesitz befindet, bei jedem Heimspiel mit 600 Adabeis aus ganz Kärnten bis auf den letzten Platz ausgebucht. Und der Wörthersee-Society das Lachen längst schon vergangen.

Österreichs größte VIP-Dichte
Auf 800 VIPs wird die Kapazität nun für die Bundesliga erweitert. „Sponsorenfreundliches Umfeld“ nennt man das im Fach-Speak, und auch die, die früher beim Landesfürsten buckelten, wollen Riegler plötzlich submissest die Hand schütteln. Und streuen Gerüchte, dass demnächst gar Milliardärs-Witwe Ingrid Flick beim Club einsteigen könnte.

„Wir haben das alles selbst umgesetzt, uns nie aufs Wohlwollen der Politik verlassen.“ – Nun ist es Riegler, der lacht. Zumal auch Bjelica, sein Trainer, zu jenen gehörte, die im Haider’schen Fußballbiotop plötzlich keinen Platz mehr fanden. Schoko Schachner, der Startrainer, war kurzerhand für Jörgls Retortenklub Austria Kärnten engagiert und Bjelica trotz achtbarer Arbeit geschasst worden. „Teil unseres Wolfsberger Erfolgsgeheimnisses ist, dass die Politik im Verein nie was zu sagen hatte“, sagt Bjelica heute.

Dass seine Akteure unten am Rasen eher biedere Arbeiter als gottbegnadete Artisten sind, das weiß er. Aber auch, dass der österreichische Fußball kein Schönheitswettbewerb ist. Einen Brecher, der in Optik und Stil an Marc Janko erinnert, haben er und sein Präsident deshalb geholt, dazu einen kleinen Iberer aus der dritten spanischen Liga, dann noch den obligaten Legionär aus dem ehemaligen Jugoslawien, der Rest sind fast ausnahmslos Talente aus der Region

Die Mutter des Vereins
Überregional ist in Wolfsberg neben der Spielklasse nur noch der Andrang im VIP-Klub. Matchtag, eine Stunde vor Anpfiff: Eine gut 50 Meter lange Schlange wartet geduldig vor dem warmen Buffet. Und Waltraud Riegler, die rührige Präsidentengattin, begrüßt fast jeden persönlich. Bussi hier, Bussi da, grazil bewegt sie sich in ihrer rosa Seidenbluse durchs Gedränge, ehe sie in die Katakomben abtaucht, um Gästetrainer und Schiri willkommen zu heißen. „Sie ist die Mutter des Vereins“, lobt Gatte Dietmar. Jene, die, wenn die Männer zum Auswärtsmatch reisen, sogar die Spielerfrauen zur Geburtsvorbereitung begleitet.

Weil die kleine Wolfsberger Fußballwelt eben eine große Familie ist. Nur wer am Matchtag heiratet, der fliegt.

Kommentare

Ich..... ..als in der Fremde lebender Wolfsberger drücke dene die Daumen,damt sie es den großkopferten mal zeigen ,dass es auch ohne den großmäuligen STARS geht,und oben bleiben

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