Ein Drittel lässig

Freunde kann man sich aussuchen, Familie nicht. Eine intime Stippvisite, die keine Nerven kostet: Das ist ein musikalischer Abend mit der Familie Lässig. Gerald Votava und Manuel Rubey sind Teil der Coverband, die wieder live zu sehen ist

von Familientreffen - Ein Drittel lässig © Bild: News Michael Mazohl

Familienaufstellung bei der sechsköpfigen Formation Familie Lässig, die nun im zweiten Jahr ihrer "Wirklich"-Tour wieder auf Achse ist: Der Clan besteht aus Multiinstrumentalist Boris Fiala, dem großen Denker Gunkl, Singer-Songwriterin Clara Luzia, Cathi Priemer, die den Takt vorgibt, sowie den musizierenden Schauspielern Manuel Rubey und Gerald Votava. Das Familie-Lässig-Ensemble setzt bei seinen Konzerten auf Bewährtes von Georg Danzer, Wilfried oder Element of Crime. Dazwischen regiert der Wortwitz. Wie auch beim Gespräch mit den Kabarettisten Votava ("Narzissmus und Tiere") und Rubey ("Gott &Söhne","Triest") im Tanzcafé Jenseits, das sie diesmal unter verschärften Bedingungen frequentieren: um die Mittagszeit und nüchtern. Der Plattenspieler kredenzt Northern Soul, kurz darauf Hansi Lang. Auf dass das Interview eine gelenkige Wendung nehme. Aber zuvor zu Alltagsproblem Nummer 217.

Mir ist soeben das Passwort für mein Notebook entfallen. Da hätte ich die Interviewfragen notiert.
Rubey: Da gibt es einen guten Tipp! Man nimmt ein Fantasiewort, zum Beispiel etwas aus der Kindheit. Dann den ersten Buchstaben von dem Medium, auf dem man arbeitet. Und dann noch eine Jahreszahl.
Votava: Also quasi codiert.
Rubey: Jetzt ist die Frage, ob Leute nun mein Passwort knacken können. Aber nein! Können sie nicht! Alles Liebe an die News-Leserinnen und -Leser, ich hab für ihre Sicherheit gesorgt. Heutzutage muss man als Unterhaltungskünstler ganzheitlich denken.
Votava: Absolut!
Rubey: Ich hab das bei André Heller gelernt, der nach dem Konzert oder nach der Lesung jeden einzelnen Zuschauer und jede einzelne Zuschauerin noch umarmt.

Das kann nicht stimmen.
Rubey: Also alle, die wollen. Es wollen aber alle.
Votava: So Free-Hug-mäßig.
Rubey: In Baden hat André Heller einmal sein Buch vorgestellt. Die Lesung hat eine gute Stunde gedauert, und dann gab's drei Stunden lang Signierstunde mit Umarmung. Und dahin sollten wir auch denken. (Lacht.) Das ist Kundenbindung!

Das kann die Familie Lässig auch. Unvergessen ist Gerald Votavas Interpretation von Rocko Schamonis "Der Mond" mit einer Riesendiscokugel auf dem Kopf - auf Youtube festgehalten.
Votava: Die Familie Lässig ist so entstanden, dass diese Gruppe von Menschen, die Musik von Herzen liebt, gerne Lieder spielen möchte, die von Herzen kommen.
Rubey: Gunkl ist der Inhalt wichtig. Ich mache fast alles aus optischen Gründen, weil man so auf einer Bühne sehr viel kompensieren kann

... was man musikalisch nicht draufhat?
Votava: Der Manuel gibt wahnsinnig viel auf der Bühne aus dem Innersten, was das Tanzen betrifft.

Dazu kommen wir später. Die "Wirklich"-Tour Ihrer Coverband beschäftigt sich mit dem Thema Heimat. Wieso?
Rubey: Eine Form von Heimat ist ein Zusammenkommen mit Menschen, die man gerne mag.
Votava: Home is where the heart is.
Rubey: Das trifft auf uns zu. Wir kommen in dieser Konstellation sehr gerne zusammen und empfinden das dann als Heimat. Dieses Heimatgefühl teilen wir gerne mit den Menschen, die auch kommen. Inhaltlich ist es recht einfach: Wir googeln nicht, wir gunkeln. Das heißt, die Menschen können Sachen vorrufen oder Fragen aufschreiben, und Gunkl spricht dann frei darüber. Deswegen ist jeder Abend anders.

Das Publikum gestaltet mit?
Votava: Ich kann mich erinnern, als wir 2015 unterwegs waren und die Flüchtlingsströme so ein Riesenthema waren, kam diesbezüglich auch viel vom Publikum. In Braunau wurde das ganz anders verhandelt, weil die Menschen dort mehr betroffen waren als im Stadtsaal in Wien.

© Rideo/Julia Reitz Familie Lässig: Cathi Priemer, Manuel Rubey, Gerald Votava, Clara Luzia, daneben am Boden Hündin Lotti. Dahinter Boris Fiala und Gunkl

Hatten Sie Begegnungen mit der Menschenrechtsaktivistin Ute Bock, die kürzlich verstorben ist?
Rubey: Ja. Sie hat diese Stadt besser gemacht. So pathetisch möchte ich das sagen. Ich glaube, Ute Bock hat mehr verändert als die letzten sieben Bundesregierungen. In der Früh las sie offensichtlich immer "Österreich" und die "Krone". Ihr Mitarbeiter fragte dann: "Warum lesen S'denn das, Frau Bock?" Sie darauf: "I mecht wissen, warum die Leit so deppat san." Ich hatte das große Vergnügen, ein paarmal mit ihr direkt zu tun zu haben. Sie war einfach ein sehr humorvoller, gerader, direkter Mensch.
Votava: Mich hat sie wahnsinnig beeindruckt. Auch weil sie so einen erdigen Zugang gehabt hat, kriegstraumatisierten Menschen zurück in ein menschliches Leben zu helfen. Ein Platz zum Schlafen, Ernährung und Körperpflege, im Bestfall Arbeit und sinnvolle Tagesgestaltung. Wenn sich wer deppat aufg'führt hat, war sie kompromisslos, geradlinig und omamäßig streng.

Kennen Sie im kleinen Ausmaß das Gefühl von Verlust der Zugehörigkeit?
Rubey: Als sich meine Eltern getrennt haben, habe ich sicher auch eine Art von Heimatverlust empfunden. Das trifft aber natürlich nicht ansatzweise die Idee, was Menschen verlieren, wenn sie ihr Land fluchtartig verlassen müssen. Das wäre extrem vermessen, da einen Vergleich herzustellen. Was mein Leben in Wien und im Waldviertel betrifft: Ich bin sehr gerne da, wo ich bin, weil ich da die Dinge so hab, wie ich sie gern hab.
Votava: Ich bin mit zehn Jahren für acht Jahre ins Internat gekommen. Ich bin's von klein auf gewöhnt gewesen, mich dort, wo ich grad bin, einzurichten.

Wie geht es Ihnen auf Reisen?
Rubey: Ich bin sehr unflexibel tief in mir drinnen und auf Reisen so sehr mit den Äußerlichkeiten beschäftigt, sprich, wo findet man warmes Wasser oder eine gute Zeitung, dass ich zu der Schönheit des Ortes meistens recht wenig sagen kann. Deshalb bin ich eigentlich gern daheim.

Auch spannend.
Rubey: Backpacking und so hat mich, schon als alle auf Interrail waren, nicht interessiert. Aber wir haben ja einen Beruf, wo man viel unterwegs ist, und dafür reise ich auch gern.

Imaginieren Sie eine systemische Familienaufstellung: Wer hat welche Funktion in der Familie Lässig?
Rubey: Bei uns in der Familie herrscht auf jeden Fall Matriarchat. Die Chefin ist die Cathi. Uneingeschränkt.
Votava: Das passt auch musikalisch schön, weil sie als Schlagzeugerin auch der Herzschlag ist.
Rubey: Darüber hinaus wird's aber ein bissl verfahren.
Votava: Es gibt die Alten in der Band - Gunkl und ich sind ein paar Hundert Jahre alt, es können aber auch ein paar Tausend sein. Dann gibt es den jungen Flügel in der Band, die Clara, die mit der Chefin liiert ist, aber das nie ausspielt. Der Boris ist der, der sich musikalisch immer auskennt, während sich andere in der Band manchmal dem Fluss hingeben.
Rubey: Ich bin der Harmoniesüchtige, obwohl ich sehr gerne streite. Es kann sich ruhig auch mal ein bissl reiben.
Votava: Aus Reibung entsteht ja Wärme. Das darf man nicht vergessen.

Also streiten und umarmen? Dann wären wir wieder bei André Heller.
Rubey: So ist es. Gerald ist unser It-Girl und Partyviech. (Lacht.) Ich kann mir so etwas ja kräftemäßig gar nicht mehr leisten. Dann gibt es noch einen Bandhund von Cathi und Clara, die Lotti. Die ist schon sehr alt, aber immer dabei. Ich überleg mir, ob wir das Rauchen in der Garderobe nicht wieder einführen sollen, weil ich weiß nicht, was schlechter riecht. (Lacht.) Sonst ist sie eine vornehme alte Dame.

Es setzt ein Gitarrensolo ein. Darauf zappeln die Herren auf die Tanzfläche. Das Interview wird beim gepflegten Ausdruckstanz fortgesetzt.

© News Michael Mazohl

Wer war für Sie früher die personifizierte Lässigkeit?
Rubey: In meiner Jugend waren für mich viele Leute lässig. Da gab's einen mit langen Haaren, der bei uns Babysitter war. Axi hat der geheißen. Er war Kiffer, nicht der Schnellste und hat irrsinnig viele Instrumente gespielt.

Der hat auf Sie aufgepasst?
Rubey: Ja, meine Eltern waren da sehr offen. Ich hab damals zum ersten Mal eine Vorahnung bekommen, dass man im Hier und Jetzt ganz gut existieren kann. Der hat mit uns getrommelt und uns vorgelesen.

Wie definieren Sie heute lässig?
Votava: Das sind Menschen, die geschmeidig ihren eigenen Weg gehen und lieber entspannt und fokussiert bleiben, wenn sich die meisten schon anscheißen.
Rubey: Dazu würd ich gerne Friedrich Nietzsche zitieren. Der sagte: "Alle guten Dinge haben etwas Lässiges und liegen wie Kühe auf der Wiese." Gar kein schlechter Ansatz.

Halten Ihre Kinder (Votavas Sohn Wenzel ist 15, Rubeys Töchter sind elf und sieben, Anm.) Sie noch für lässig?
Rubey: Ich glaub, sie finden uns okay. Damit ist eh schon viel erreicht.

Rubey lässt seinen Blick durch das Tanzlokal schweifen. Hier müsse man sich nichts schönsaufen, weil das Lokal schon so einen Charme besitzt.

Rubey: Wie das ist, wenn man nüchtern in eine ang'soffene Runde stößt, davon kann Gerald ein Lied singen. Er trinkt seit drei Jahren nichts.
Votava: Es ist nicht immer mühsam. Manchmal kann's auch leiwand sein. Ich bin da nicht komplett dagegen.

Manuel, Sie kommen auch mit Menschen, die sich auf einer anderen Ebene befinden, zurecht? Nachdem Sie seinerzeit einen bekifften Babysitter hatten ...
Rubey: Ich glaube, der hat früh einen Grundstein gelegt. Ich habe Verständnis für Leute, die eine andere Welle surfen, weil man sich halt manchmal wegblasen möchte oder flüchten. Aber das heißt noch nicht, dass ich's gut ertrage.
Votava: Das kann man ja auf verschiedenste Weise machen. Manche machen's mit Sport. Das wirkt ja auch in irgendeiner Form.

Sind Sie mit dieser Meinung manchmal alleine?
Votava: Der Manuel sagt ab und zu Lone Wolf zu mir.
Rubey: Die alten Männer in unserer Band kommen aus einer Zeit, in der das öffentliche Verkehrsnetz noch nicht sehr verbreitet war, und haben deshalb eine starke Bindung zum eigenen Fortbewegungsmittel. Deswegen fährt der junge Teil der Band im Bus und die beiden Ahnherren oft mit dem Auto. Gerald steht sehr früh auf, geht trainieren und ist dann schon weg, wenn wir frühstücken.

Apropos gesund leben. Wie überlebt man denn eigentlich den Februar, wenn man ihn als Fastenmonat ernst nimmt?
Votava: Das weiß ich nicht, weil ich das noch nie gemacht habe. Aber ich achte darauf, was ich esse.
Rubey: Ich versuche, ein Monat im Jahr alkohol- und zuckerfrei zu leben. Das gelingt mir nur bedingt.

Gerald Votava wurde am 8. Juli 1970 in Wien als Sohn des bekannten Moderators Kurt Votava geboren. Er wuchs bei seiner Mutter auf und lernte seinen Vater erst mit 18 Jahren kennen. Votava studierte Jus und Psychologie. Seit 1994 ist er als Radiomoderator, Kabarettist, Autor, Schauspieler und Musiker tätig. In der Familie Lässig ist er für Gitarre, Gesang und den Jux zuständig. Was er aktuell anders machen möchte? "Beim Aufstehen nur zwei Kaffee trinken statt drei."

Manuel Rubey wurde am 26. März 1979 in Wien geboren. Dem Kinopublikum ist er 2008 in der Titelrolle von "Falco - Verdammt, wir leben noch!" bekannt geworden. Neben diversen Kinofilmen ("Gruber geht","Was hat uns bloß so ruiniert") war der zweifache Vater in den TV-Serien "Altes Geld" und "Im Knast" zu sehen. Bei der Familie Lässig sind Gesang und Gitarre sein Metier. Im Tanzcafé Jenseits kam ihm die Erkenntnis: "Man muss sich wieder trauen, mehr Luftgitarre zu spielen!"

"Wirklich"-Tour mit Heimatgefühl
Das erste Familie-Lässig-Konzert des Jahres ist stets ein Benefizkonzert, das einem Hilfsprojekt zugute kommt. Im fünften Jahr ihres Bestehens dreht sich das Abendprogramm um Zugehörigkeit. "Den Heimatbegriff verstehe ich auch musikalisch. Heimat ist nicht nur eine Verortung eines Landes, wo es politische und geografische Grenzen gibt, sondern auch etwas Familiäres. Wir gehen gerne miteinander durchs Leben, musizieren und tauschen uns aus", so Votava. Die Familie Lässig spielt heuer wieder sechsköpfig, um Clara Luzia bereichert, auf. So wird eine Auswahl von lieb gewordenen Stücken als unterhaltsame Heimatpflege dem geschätzten Publikum präsentiert.

Die nächsten Familientreffen:
23. und 24.2. Wien
1.3. St. Pölten
2.3. Salzburg

Dieser Artikel ist im News Nr. 4/2018 erschienen.