Der Mann hinter
den "Vorstadtweibern"

Autor Uli Brée über seinen Erfolg, die Frauen und den Partner fürs Leben

Die zweite Staffel der "Vorstadtweiber" ist abgedreht. Doch Uli Brée, der Autor der Erfolgsserie, geht auf Konfrontation mit dem ORF -und der eigenen Vergangenheit.

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Uli Brée © Bild: News/Ian Ehm

Durch den Erfolg der "Vorstadtweiber" - hat sich da Ihr Leben verändert, Herr Brée?
Was bin ich jetzt? Weltberühmt in Österreich? Das ist doch alles relativ. Gut, jetzt existiere ich in der öffentlichen Wahrnehmung, das war vorher nicht so. Als Autor wirst du sonst selten wahrgenommen, stehst oft im Vor- oder Abspann gar nicht mehr dabei. Und auf die Pressefotos wirst du zwar freundlicherweise mit raufgenommen, aber in der Zeitung siehst du dann doch nur die Schauspieler. Und in den Artikeln ist es dann nur der Regisseur, der sich "intensiv mit dem Stoff auseinandergesetzt" hat.

»Sie dürfen nicht glauben, dass man mir nach den "Vorstadtweibern" einen roten Teppich ausgelegt hat«

Aber zumindest im ORF wird man wohl wissen, was man an Ihnen hat?
Sie dürfen nicht glauben, dass man mir nach den "Vorstadtweibern" einen roten Teppich ausgelegt hat, weil ich die erfolgreichste Serie der letzten 20 Jahre geschrieben und so das Fundament für diesen Erfolg geliefert habe - das ist nicht der Fall. Man hat eher daran gezweifelt, ob ich das jetzt bei der zweiten Staffel noch einmal zusammenbringe und ob ich überhaupt einen geraden Satz schreiben kann. Also Vertrauen sieht anders aus. Ich bin ein kreativer Mensch in einem kommerziellen Business, und als Kreativer hast du eine dünne Haut. Ich bin sehr empfindlich, wenn man mit mir nicht respektvoll umgeht. Die zweite Staffel zu schreiben, das war schon eine Challenge.

Weil der Druck größer war?
Den Druck, den andere verantwortliche Menschen durch den Erfolg der ersten Staffel hatten, haben sie bei mir abgestellt. Wenn ich schreibe, mache ich normalerweise die Tür hinter mir zu, und den Druck lasse ich draußen, egal, wann ich abliefern muss. Und wenn ich zwei Stunden brauche, nur um den Namen für eine Figur zu finden, dann nehme ich mir die. Diesmal habe ich diesen Druck, diese Panik - uuuuh, hoffentlich schaffen wir jetzt wieder so einen Erfolg! - zu Beginn fälschlicherweise in mein Schreibzimmer reingelassen. Das war die Hölle, bis ich nach einer gewissen Zeit die Tür endgültig zugemacht und gesagt habe: Entweder es läuft so, wie ich es mag, oder gar nicht. Das hat dann funktioniert. Ich kann nicht erklären, wie man Erfolg hat, sondern nur wie man ihn garantiert nicht hat. Nämlich wenn man es allen recht machen will.

Uli Brée
© News/Ian Ehm

Und was macht den Erfolg der "Vorstadtweiber" aus?
Ich glaube, dass sie bisher deswegen funktionierten, weil ich mir nix g'schissen habe. Was mir an den "Vorstadtweibern" taugt: Es gibt weder Opfer noch Täter, die Figuren sind immer emotional nachvollziehbar, aber nicht logisch. Denn logische Nachvollziehbarkeit langweilt mich. Wenn ich emotional nachvollziehbar bin, mache ich Dinge, die eigentlich dumm oder ungeschickt sind und die ich bei klarem Verstand nicht tun sollte. In der einen Szene werde ich zum Opfer, in der anderen zum Arschloch.

»In jeder Figur steckt etwas von mir drinnen«

Sie sagen automatisch "ich", während Sie eigentlich von Ihren Figuren sprechen. Gibt es denn da so starke Überschneidungen?
In jeder Figur steckt etwas von mir drinnen, ganz besonders finde ich mich in der Waltraud wieder und in deren abgeklärtem Zynismus.

Das ist jene Figur, die sich aus der emotionalen Kälte ihrer Ehe in die Arme ihres 16-jährigen Nachhilfeschülers flüchtet.
Sie wird von ihrem Mann auf das Heftigste gedemütigt. Nachdem sie im Bad miteinander geschnackselt haben, kommt sie ins Schlafzimmer und entdeckt ihre Kleider und ihre Kreditkarte zerschnitten auf dem Bett. Plötzlich erscheint der vorausgegangene Sex als reine Machtdemonstration. Und dann klettert diese erwachsene, reife, selbstbewusste Frau über den Balkon, weil sie ein bisserl Nähe und Geborgenheit bei einem Teenager sucht. Mir taugt ihr Schmäh, ihre Unmittelbarkeit, ihre Direktheit. Andererseits ist sie eine ganz verletzliche Person.

Sind Sie denn auch verletzlich?
Wenn ich nicht verletzlich wäre, könnte ich nicht solche Sachen schreiben.

Und die Hinwendung zu einem wesentlich jüngeren Partner ...
Ich habe eine junge Freundin gehabt, und ich kann Ihnen eines sagen: Dieses Klischee vom Sich-jünger-Fühlen durch eine junge Freundin ist völliger Schwachsinn. Ich habe mich noch nie im Leben so alt gefühlt.

»Nie fühlte ich mich so alt wie mit meiner jungen Freundin. Plötzlich fielen mir alle meine Gebrechen auf«

Wieso das denn?
Weil mir plötzlich all meine eigenen Gebrechen viel mehr aufgefallen sind, als ein junger Mensch an meiner Seite war. Alter, erfolgreicher Typ schmückt sich mit junger Freundin - wie das ernsthaft funktionieren soll, ist mir völlig schleierhaft. Und genau das, nur in umgekehrten Geschlechterrollen, macht die Waltraud zur tragischen Figur.

Wir halten fest: Junge Partner führen einem die eigene Hinfälligkeit vor Augen, die Alternative ist ...
... eine lässige Frau, egal wie alt sie ist.

Uli Brée
© News/Ian Ehm

Was ist lässig?
Wenn sie einen Lebensschatz mit sich bringt, wenn sie bereit ist, jeden Tag das Leben neu zu erfinden.

Sie und die junge Frau: War das denn ein bewusster Versuch von Ihnen, eine Art Experiment?
Aber nein, das entstand aus einer gewissen Unzufriedenheit im Leben, da kam dann genau dieser Mensch daher, und es hat im Moment gepasst. Ich hatte ja bereits zwei Kinder aus einer Ehe. Und mit der Jüngeren, mit der ich nicht mehr zusammen bin, habe ich auch ein Kind. Ich habe zu den beiden Frauen ein Superverhältnis, aber es hat halt nicht funktioniert.

Worin bestand die Unzufriedenheit am Familienleben?
Ich habe durchaus Familie gelebt, und es hat gestimmt. Aber du veränderst dich, das Leben verändert sich, ich habe das Gefühl, dass ich jetzt erst bei einer Lebensform angelangt bin, die für mich stimmt.

»Du musst dich entscheiden, ob dein Leben ein Sofa ist oder eine Expedition«

Worin besteht die?
Ich glaube, du musst dich entscheiden, ob dein Leben ein Sofa ist oder eine Expedition. Ich habe mich für die Expedition entschieden.

Ist das denn nicht auch ein Klischee?
Das ist mir wurscht.

Worin besteht die Expedition?
Unter anderem bestand sie auch darin, die zweite Staffel der "Vorstadtweiber" zu schreiben. Meine Expedition bedeutet nicht, unbekannte Kontinente zu erforschen, sondern sich den alltäglichen Dingen zu stellen. Ich habe in den letzten drei Jahren viel Scheiße gebaut, auch in meiner Ehe, auch mit meiner Freundin. Die Frage ist jetzt nur: Schaue ich auf die Fehler, die ich gemacht habe, genau hin und lerne ich aus den Dummheiten, die ich gemacht habe? Oder schaue ich nicht hin und lebe einfach weiter? Hinzuschauen, sich dem Leben stellen, das ist die Expedition.

Sie haben also bewusst den Entschluss gefasst, Ihr Leben zu verändern?
Es blieb mir emotional nichts anderes übrig. Ich hatte das Gefühl, ich werde domestiziert. Weil ich selber aufgezeigt und gebeten habe, domestiziert zu werden. Dann bin ich draufgekommen, dass das bei mir nicht geht. Ich war auf der Suche nach Harmonie und Familie, die ich selbst in der Form nie hatte. Aber im Grunde ist das gar nicht die richtige Lebensform für mich. Erst seit einem Jahr habe ich das Gefühl, dass ich ein richtiger Mann bin, ich lebe jetzt strukturierten Rock 'n'Roll.

Uli Brée
© News/Ian Ehm

Wie meinen Sie das?
Nicht nur Entscheidungen treffen oder Ideen haben, sondern sie dann auch konsequent zu verfolgen. Ein Beispiel: Eigentlich wollte ich mit meinen Kumpels in Nepal einen Motorrad-Musicclip drehen, dann kam das Erdbeben, jetzt haben wir daraus eine Benefizgeschichte gemacht. Einen Biker-Support für Nepal, wir haben mehr als 40.000 Euro gesammelt, die wir gezielt in ein Dorf brachten, wo einer meiner Freunde lebt, um dort eine Schule aufzubauen. Das ist für mich strukturierter Rock 'n' Roll. Nicht Blabla, nicht reden, sondern machen.

»Beim Motorradfahren geht es um eine gewisse Leichtigkeit. Du spürst dich, du spürst deine Eier«

Und in Ihrer Freizeit geben Sie den einsamen Cowboy, der auf seiner Triumph dem Sonnenuntergang entgegenreitet?
Beim Motorradfahren geht es um eine gewisse Leichtigkeit, einen Schwebezustand. Wenn du wie ich schon lange fährst, verselbstständigen sich die Abläufe, und dein Hirn wird frei für Gedanken. Du spürst dich, du spürst deine Eier. In diesem Moment bist du ein Individuum, du bist reduziert auf dich selber. Ein Motorrad muss unpraktisch sein, sonst kannst du gleich Auto fahren. Ich liebe puristische, reduzierte Motorräder, und wenn es regnet, spüre ich halt den Regen. Motorradfahren ist wie ein gutes Leben: intensiv, unbequem und gefährlich.

Kompensieren Sie damit irgendetwas?
Warum? Warum sollte ich da was kompensieren? Das ist meine Art, das Leben zu spüren, ein anderer nimmt Drogen oder geht wandern.

Klingt für den profanen Autofahrer ein wenig nach ...
... Midlife-Crisis? Nein, die habe ich nicht, ich muss auch nichts nachholen, denn ich habe immer intensiv gelebt. Ich bin auch alles andere als einsam - aber gerne auch einmal alleine. Ich habe ein ganz, ganz enges Verhältnis zu meinen Kindern. Meine Exfrau und ich brauchen keine Regeln, wir leben ganz nah beieinander, und die Kinder können immer dort sein, wo sie wollen, die können sich zwischen den beiden Häusern frei bewegen.

Sehnen Sie sich denn nicht nach einem Partner, mit dem sie gemeinsam alt werden können?
Den suche ich nicht. Ich habe Partner fürs Leben, und das sind meine Kinder. Und den Rest erzwinge ich nicht. Ich mache mir da keinen Druck mehr. Ich finde, Lebensplanung ist ein totaler Schwachsinn. Ich will eigentlich nur ein kraftvolles Leben haben und die Hürden nehmen, wenn sie da sind.

»Ich habe Partner fürs Leben, und das sind meine Kinder«

Und wer ist die Kraftquelle?
Die bin ich selber.

Uli Brée
© News/Ian Ehm

Klingt abgeklärt.
Dann ist es eben abgeklärt. Ich schreibe zum Beispiel auch nur das, was ich schreiben möchte, grundsätzlich. Und bevor ich mich verleugne, gehe ich halt kellnern.

Jemand, der wie Sie einen Quotenhit nach dem anderen schreibt, muss sich doch um seine Existenz keine Sorgen mehr machen, oder?
Das mag kokett klingen, aber das Geschäft läuft anders. Jemandem die Rute ins Fenster stellen, das kann ich nicht. Wenn ich jetzt sagen würde, ich schreibe die "Vorstadtweiber" nicht mehr weiter, weil die Arbeitsbedingungen für mich nicht stimmen, dann wüssten viele Leute an den maßgeblichen Stellen nicht, dass es gar keinen anderen gibt, der ihnen das jetzt schreiben kann. Loyalität und Respekt sind in dieser Branche sehr relativ, das sehe ich realistisch. Ich bin zwar die nächsten zwei Jahre ausgebucht, aber trotzdem ist das Ganze keine g'mahte Wiesen. Ob du jetzt 2.000 Euro verdienst oder 20.000, den Unterschied machen nur die Nullen bei den Einnahmen und die Nullen bei den Ausgaben. Du verdienst mehr, gibst aber auch mehr aus.

Das nennt man gemeinhin ein gutes Leben.
Ich muss nicht so aufs Geld schauen, das stimmt schon. Aber ich habe ganz lange Zeit meines Lebens überhaupt keine Kohle gehabt. Dann hatte ich die Phase, wo ich auf einmal viel Geld verdiente, und war damit überfordert, weil ich dachte, jetzt gehört mir die Welt.

»Ich ernähre mich selber, seit ich 17 bin«

Und davor?
Ich habe gekellnert, ich habe Werbung gemacht, am Bau gearbeitet, im Stahlwerk, ich habe um 36 Schilling die Stunde in Wien Schnee geschaufelt. Ich ernähre mich selber, seit ich 17 bin. Bei McDonald's haben sie mich nicht genommen, weil sie gedacht haben, so einer wie ich gründet gleich eine Gewerkschaft.

Selbstversorger seit dem 17. Lebensjahr -wie war denn Ihre Kindheit?
Ich habe lange geglaubt, sie wäre lässig. Bis ich draufgekommen bin, dass ich eher vernachlässigt wurde.

Wohlstandsverwahrlost?
Da war kein Wohlstand, wir waren fünf Kinder, ich bin im Ruhrpott aufgewachsen. Mein Vater, ein gelernter Schauspieler, hat, um die Familie zu ernähren, als Chauffeur für einen Politiker gearbeitet. Ich bin an einem Sonntag aufgewacht und habe mir gedacht, wenn ich jetzt nicht gehe, gehe ich nie. Dann habe ich gewartet, bis meine Eltern in der Kirche waren, habe mich auf die Straße gestellt und bin losgetrampt. Ich habe ein Jahr in Amsterdam gelebt, ehe ich nach Wien kam und hängenblieb.

Behaupten die meisten Leute, sie hätten nur rein zufällig in die "Vorstadtweiber" reingezappt, oder gibt es eine hohe Bekennerquote?
Es sind sehr viele Männer gekommen, die immer denselben Satz gesagt haben: "Du, ich soll dir von meiner Frau ausrichten, wie toll die Serie ist." Sie geben dann schon zu, auch selber zu schauen. Aber "Hey, das ist super!" sagen die Männer nicht, eher die Frauen.

»Die Realitätsnähe ist nicht mein Anspruch, sondern vielschichtige Figuren mit ganz tragischen Momenten«

Was macht die Vorstadtweiber zur Frauenserie?
Nix, nur der Titel. Vom Feuilleton wird ja gerne kritisiert, dass die Frauen in Wirklichkeit gar nicht so sind. Das kann schon sein. Vielleicht ist es aber gerade deswegen so spannend, weil die Frauen in der Serie so sind, wie viele Frauen gerne wären. So direkt, so unmittelbar: Ich geh jetzt einfach zum Callboy. Ich kralle mir den 16-Jährigen, weil ich daheim einen Frust habe. Ich habe immer wieder gehört: So reden Frauen nicht. Das kann auch sein, aber vielleicht würden sie gerne so reden. Vielleicht hätten sie den Schmäh oder die Wuchtel gerne geliefert, nur dummerweise fällt sie ihnen erst zwei Stunden später ein. Die Realitätsnähe ist nicht mein Anspruch, sondern vielschichtige Figuren mit ganz tragischen Momenten. Wenn die Maria in ihrer Unbeholfenheit ihren Mann verführen will, und er sich dann irgendwie davonschleichen kann, wenn sie sich aus Frust was aus dem Kühlschrank holt und sieht, wie er sich lieber einen runterholt - das ist schmerzhaft und tragisch, aber nicht platt.

Ist Ihre Lust an den "Vorstadtweibern" eigentlich noch ungebrochen?
Derzeit ja, aber sobald ich das Gefühl habe, ich wiederhole mich, können sie mir die doppelte Gage zahlen, und ich werde nicht weitermachen. Sie haben mir gerade die dritte Staffel angeboten. Und mein Gefühl sagt mir, dass es danach aus sein sollte. Eine geht noch, aber totreiten will ich das Ding nicht. Denn es gibt ja für mich persönlich keinen Grund dafür. Ich erfinde nach den "Vorstadtweibern" einfach ein neues Universum mit neuen spannenden Abgründen.

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