Vom Todesurteil zur sozialen Katastrophe: Aids eine der schlimmsten Krankheiten

Betroffene leben oft in bedrückenden Umständen

Aids. Was auch für die Betroffenen in den westlichen Industriestaaten am Beginn ein sprichwörtliches Todesurteil war - die Immunschwäche an sich -, ist zu einer behandelbaren Erkrankung geworden. Doch eine soziale Katastrophe sind Aids und HIV geblieben.

"Unsere Klientinnen und Klienten haben ein Durchschnittseinkommen von nur 572,50 Euro. Mehr als 90 Prozent von ihnen leben unter der Armutsgrenze", erklärte die Geschäftsführerin der Aids-Hilfe Wien, Mag. Claudia Kuderna, bei einer Pressekonferenz aus Anlass des Welt-Aids-Tages in Wien. Dringend notwendig wären betreute Wohnmöglichkeiten und legale Zuverdienstmöglichkeiten.

Aids verbreitete Angst und Schrecken
Dr. Judith Hutterer, jene Dermatologin, die zu Beginn der achtziger Jahre an der damaligen 1. Universitäts-Hautklinik am Wiener AKH die ersten Patienten betreute: "Es war eine neue Krankheit. In Österreich gab es nur ganz vereinzelt Fälle. Die Krankheit hat Angst und Schrecken verbreitet. Daraus folgten in einer Art Panikreaktion Angst und Ausgrenzung. Es kam aber auch zu einer ungewohnt engen Zusammenarbeit zwischen Medizin und Politik."

Die Folge war, dass Österreich die Problematik relativ gut bewältigte. 1981 waren die ersten Aids-Patienten aufgetaucht. Hutterer: "Man hat geglaubt, Frauen könnten die Krankheit nicht bekommen. Da hat man gesagt, 'Hutterer' Du kümmerst Dich um diese Patienten (männlichen, Anm.)." Bereits 1983 wurde in Österreich die europaweit erste Informationsbroschüre in Sachen Immunschwächekrankheit erstellt. Dann kam es zu einer Pionieraktion von Politik, Ärzten und Betroffenen. "1985 wurde die österreichische Aids-Hilfe gegründet. Bereits 1986 gab es in allen Bundesländern Zweigstellen."

Weiterhin Herausforderung
Doch Aids ist weiterhin eine Herausforderung. Die Expertin, die mit dem damaligen Hosi-Vorsitzenden Dr. Reinhard Brandstätter und Dr. Helga Halbich-Zankl die Österreichische Aids-Hilfe gründete: "Die Menschen sterben nicht mehr an Aids. Wir haben aber in Zukunft mit hunderten Patienten zu rechnen, die teilweise jahrzehntelang behandelt werden müssen. Das ist eine gesundheitspolitische Herausforderung. Wir haben auch immer ältere Aids-Patienten, die zusätzlich auch noch an allen Krankheiten älterer Menschen leiden."

Durch das österreichische Gesundheitswesen ist eine medizinische Versorgung der Aids-Patienten auf höchstem Niveau garantiert. Doch das ist nur ein Teil des Problem. Dennis Beck, fast seit Beginn bei der Aids-Hilfe engagiert und jetzt Geschäftsführer des Fonds Gesundes Österreich: "Binnen weniger Jahre starben 50 Freunde von mir. Es hat großteils junge Menschen betroffen. Adis hat sich gewandelt. Doch die Reaktion der Umgebung hat sich nicht so verändert wie die medizinische Situation."

Betroffene weiterhin diskriminiert
Damit sind die Aids-Hilfen in Österreich tagtäglich konfrontiert. Mag. Claudia Kuderna, die Geschäftsführerin der Wiener Aids-Hilfe, die seit 1997 ein eigenes Betreuungszentrum hat: "Für viele Betroffene ist es weiterhin unmöglich, sich zu outen. Viele haben auch Angst, auf das Virus reduziert zu werden. Da kann man vom Kollegen zum 'HIV-Positiven der Firma' werden."

Soziale Situation dramatisch
Erschreckend ist weiterhin die soziale Situation vieler HIV-Infizierter bzw. Aids-Kranker. Sie verlieren ihre Arbeit, ihre Wohnung und verarmen. Oft sind aber auch sonst bereits sozial Benachteiligte betroffen. Dadurch wird ihre Situation noch schlimmer. Die Aids-Hilfe-Geschäftsführerin: "Das durchschnittliche Einkommen unserer Klientinnen und Klienten beträgt im Jahr 2005 572,50 Euro. Mehr als 90 Prozent von ihnen sind damit weit unter der Armutsgrenze von 785 Euro im Monat."

Was dringend notwendig wäre:
* Einrichtungen für ein betreutes Wohnen für einen Teil der Aids-Patienten

* Pensionisten- und Pflegeheime müssen sich darauf vorbereiten, mit Immunschwäche-Kranken konfrontiert zu sein

* Die Betroffenen sollten nicht mehr nur von Pensionen bzw. Nothilfen abhängen. Mag. Claudia Kuderna: "Es gibt nur eine zu geringe legale Zuverdienstmöglichkeit. Es geht hier um die Zuverdienstgrenzen."

Da die meisten Kranken relativ jung sind, bekommen sie nur geringste Pensionen, sind auf die Not- und Sozialhilfe angewiesen. Daneben dürfen sie zumeist nichts hinzu verdienen. Diese Problematik könnte nur die Sozialpolitik lindern helfen. Sie betrifft nicht nur Aids-Kranke, sondern auch viele andere chronisch Kranke, die nur teilweise arbeiten könnten.

(apa/red)