Vom Handelsriesen zum Reise-Giganten: KarstadtQuelle nun Tourismus-Spezialist

Nach Cook-Übernahme jetzt Fusion mit MyTravel Konzernchef Middelhoff überlegt neuen Firmennamen

KarstadtQuelle schmiedet unmittelbar nach der vollständigen Übernahme des Reisekonzerns Thomas Cook einen neuen deutsch-britischen Touristikriesen. Die Reisetochter des Essener Handelskonzerns fusioniert überraschend mit dem britischen Pauschalanbieter MyTravel, wie KarstadtQuelle mitteilte. Erst vor wenigen Wochen hatte der Essener Konzern den 50-Prozent-Anteil von Lufthansa an Cook für 800 Mio. Euro hinzugekauft.

Aus dem traditionsreichen Handelskonzern KarstadtQuelle wird mit der Fusion binnen weniger Monate ein vorrangig auf die Touristik konzentriertes Unternehmen. Von 21 Mrd. Euro Jahresumsatz stammen künftig fast 60 Prozent aus dem Reisegeschäft. "Das sind dramatische Verschiebungen, die aber in ihrer Konsequenz positiv sind", sagte Konzernchef Thomas Middelhoff.

Der Versandhandel, mit gut 40 Prozent Anteil noch wichtigster Geschäftszweig, werde mit dem geplanten Börsengang der Handelsmarke Neckermann künftig unter 20 Prozent fallen. Middelhof will den Konzern umbenennen. Im Gespräch sei ein völlig neuer Kunstname, verlautete in Essen.

Bei der Fusion mit MyTravel zur neuen Thomas Cook plc fließt kein Geld. KarstadtQuelle erhält die Mehrheit von 52 Prozent über einen Aktientausch. Der fusionierte Reisekonzern mit einem Umsatz von rund zwölf Mrd. Euro rückt als Nummer zwei der Branche nun deutlicher näher an Marktführer TUI heran. Dieser machte zuletzt gut 14 Mrd. Euro Reiseumsatz. Experten rechnen auf Grund der künftigen Dominanz beider Konzerne mit weiteren Zusammenschlüsse in der Touristikbranche in Europa.

Die im Nebenwerte-Index MDax notierten Aktien von KarstadtQuelle legten rund vier Prozent auf mehr als 27 Euro zu. Die Titel von MyTravel schnellten in London gut 30 Prozent in die Höhe. Dagegen verloren TUI-Papiere knapp ein Prozent. Händler sehen den Konzern nun unter stärkerem Konkurrenzdruck.

Middelhoff sagte, der Konzern habe keinen zusätzlichen Finanzbedarf, da die Fusion über einen Aktientausch abgewickelt werde. Das Unternehmen könne zudem einen steuerlichen Verlustvortrag von 1,2 Mrd. Euro bei MyTravel nutzen. Der Vorstand rechnet mit Ergebnisverbesserungen von gut 110 Mio. Euro im Jahr (75 Mio. Pfund) nach der Verschmelzung. Arbeitsplätze seien bei Thomas Cook von der Fusion nicht bedroht, betonte Middelhoff. Allerdings rechnen Analysten in Großbritannien mit einem Arbeitsplatzabbau.

Die Thomas Cook plc soll - wie bisher MyTravel - an der Londoner Börse notiert werden. Alle Schlüsselpositionen werden mit Managern von KarstadtQuelle besetzt. Nach einer Übergangszeit von maximal 18 Monaten soll Cook-Chef Manny Fontenla-Novoa das Unternehmen allein führen. Bis dahin fungiert MyTravel-Chef Peter McHugh als Co-Vorsitzender.

Schon im Juni soll der Zusammenschluss mit MyTravel vollzogen sein. Allerdings muss die Transaktion noch von Kartellbehörden und den Aktionären von MyTravel genehmigt werden. Dazu zählen nach Angaben der Briten große Investmentbanken wie Goldman Sachs, JP Morgan, Morgan Stanley und auch die Deutsche Bank .

Cook und MyTravel waren zuletzt auch als Bieter für das Pauschalreisegeschäft des britischen Konkurrenten First Choice im Gespräch. Hierfür interessiert sich jetzt noch die britische Fluggesellschaft Virgin Atlantic.

Middelhoff kündigte weitere Expansionen mit der neuen Cook-Gruppe an, unter anderem im Nahen und Mittleren Osten und in Asien. In Großbritannien ist das Unternehmen nun Marktführer vor TUI, in Deutschland weiterhin Nummer zwei.

MyTravel wurde Anfang der 70er Jahre als "Airtours" gegründet und expandierte vorübergehend zum führenden europäischen Reiseanbieter. Zuletzt geriet das Unternehmen jedoch in die roten Zahlen und machte erst 2005/2006 bei 4,2 Mrd. Euro Umsatz erstmals seit fünf Jahren wieder Gewinn.

(apa/red)