Vom Frenemy zur Verfreundung

Mit-und Gegenspieler des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Dreiecksbeziehung zur Medienpolitik sind die einstigen Verlegerverbände. Den deutschen lähmt interner Streit, der österreichische zeigt ruhige Kontinuität. Das ist eine Chance für die Branche.

von Vom Frenemy zur Verfreundung © Bild: Gleissfoto

Ein Vierteljahrhundert schon steht VÖZ für Verband Österreichischer Zeitungen. 1997 war das Internet noch ein Medienbaby. Sonst hätte der neue Name für die alte Abkürzung Digitales berücksichtigt. Zuvor stand das Z für "Zeitungsherausgeber und Zeitungsverleger". Der BDZV hingegen hat erst 2019 Wörter dahinter verändert. Statt ein "deutscher" ist das nun der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger. In dieser Branchenorganisation kracht es aktuell zwischen den beiden Mitgliedern mit dem stärksten Österreich-Bezug. Die Funke Mediengruppe hat ihren Austritt angekündigt - vor allem wegen BDZV-Präsident Mathias Döpfner, im Hauptberuf Chef des Axel-Springer-Verlags. Funke ist Hälfteeigentümer der "Krone" und hält fast 50 Prozent an "Kurier" und "profil". Springer war "Standard"- und "News"-Mitgründer sowie Mehrheitsgesellschafter der Moser Holding. Der Konzern hat sich aus Österreich zurückgezogen, pflegte aber beste Beziehungen zur Regierung Kurz. Seine Blätter hofierten den Ex-Kanzler, Döpfner war Festredner der Medienenquete von Gernot Blümel. Bei Funke wiederum ist der Tiroler René Benko an Bord. Seine Signa Holding hält 49 Prozent der Auslandstochter des Verlagsriesen.

Interne Probleme des BDZV dämpfen vor allem seine externe Schlagkraft. Der Zeitpunkt könnte kaum ungünstiger sein. Döpfner galt als wichtigster Zeitungslobbyist in Brüssel, wo die EU mit Digital Services Act und Digital Markets Act soeben auch ihre Medienverhältnisse der Zukunft auf neue Schienen bringt. Hierzulande hingegen wirkt ausgerechnet der VÖZ als Fels in der Brandung. Sein Präsident, der Styria-Chef Markus Mair, steht schon vor der zweiten Wiederwahl. Es gibt kein Indiz gegen eine dritte, statutarisch letzte Periode. Das ist angesichts der immer stärker auseinanderstrebenden Interessen dieses grundsätzlich heterogenen Verbands umso bemerkenswerter, als sich rundherum das Personalkarussell nahezu in Vollbesetzung dreht. Nach dem Tod von Ernst Swoboda wurde im Herbst 2021 Christian Stögmüller vom Life Radio Oberösterreich zum neuen Vorsitzenden des Verbands der Privatsender (VÖP). Das ORF-Direktorium unter General Roland Weißmann ist erst drei Monate im Amt, Medienministerin Susanne Raab noch fünf Tage weniger. Der ORF erhält zudem eine neue Aufsicht. Die Funktionsperioden seines Stiftungs-und Publikumsrats laufen aus. Unterdessen sind sowohl die Geschäftsführung des Fachbereichs "Medien" der Rundfunk und Telekom Regulierung (RTR) als auch die Direktion der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) ausgeschrieben.

Mehr Gesichtswechsel an entscheidenden Hebeln für die Branche sind kaum möglich. Vorerst aber bedeutet das vor allem ein Interregnum. Einerseits noch Einarbeitung und zum anderen ausständige Neubesetzungen sorgen für enorme Machtvakuen. Darin lägen große Möglichkeiten zur Neugestaltung. Medienpolitik ist zwar ein parteiliches Blockadethema der Sonderklasse, doch dieses "Hauptsache, gegeneinander" könnte letztlich bloß darin münden, dass alles gemeinsam den Bach runtergeht.

Während der BDZV in Deutschland durch unnötige Interna seine Handlungsfähigkeit lähmt, könnte der VÖZ zum ruhenden Pol einer zukunftsfähigen Definition von Kooperation trotz Konkurrenz werden. Beim ORF gingen die Signale selten so stark in Richtung einer solchen Verfreundung. Dieses Kunstwort klingt gemäßigter und taugt besser für ein partnerschaftliches Wettbewerbsverhältnis von öffentlich-rechtlichen und privaten Medien als der Ausdruck "Frenemy". Derart betitelte Freund-Feind-Konzepte sind für das Verhältnis zu den globalen digitalen Giganten notwendig. Das ist bedrückend genug.

Die Regierung unter Kanzler Karl Nehammer hat aktuell ein Zeitfenster, um vom umgarnten "Frenemy" zum respektablen politischen Partner der Medien zu werden. Dazu würden schon flotte Aktualisierung und Abarbeitung des ohnehin lediglich dreiseitigen Koalitionsprogramms für dieses Thema genügen.