Tolle Nora im Dramaturgenchaos

Heinz Sichrovsky über das Projekt „Nora hoch 3“ nach Ibsen und Jelinek

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Leben - Tolle Nora im Dramaturgenchaos

Angekündigt ist ein dramaturgisches Konstrukt aus Ibsens Emanzipationsdrama „Nora“, Elfriede Jelineks satirischer Fortsetzung „Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte“ aus dem Jahr 1979 und einem Text zum Zynismus der kapitalistischen Arbeitswelt, den die Nobelpreisträgerin für das Projekt schrieb. Das Resultat stellt sich als wesentlich einfacher dar: Der Abend besteht zum größten Teil aus einer konservativen, großartig gearbeiteten und ebenso besetzten Ibsen-Aufführung. Stefanie Reinsperger triumphiert dabei gegen und über ihren Typ: Sie ist kein Püppchen, das vom sie verzärtelnden Ehemann in Unmündigkeit gehalten wird und erst durch sein Versagen im Augenblick der Krise den emanzipatorischen Impuls erhält. Hier kämpft eine starke Frau von voluminöser Präsenz den Kampf gegen einen ehelichen Gewalttäter (Rainer Galke). Auch Sarah Hostättler, Jan Thümer und Michael Abendroth erbringen begeisternde schauspielerische Leistungen, diese „Nora“ zählt zum Intensivsten, was man seit langem auf Wiener Bühnen gesehen hat. Nun wäre vordringlich anzustreben, dass die Mitwirkenden, die fest engagierte Stefanie Reinsperger ausgenommen, nach Erledigung ihrer Verpflichtungen nicht wieder nach Düsseldorf entweichen.

Weniger Aufmerksamkeit für Jelinek

Elfriede Jelineks spannendem, konventionell gebautem Jugenddrama hingegen wird nicht annähernd soviel Aufmerksamkeit geschenkt. Es schildert Noras Scheitern nach dem aussichtslosen Versuch, ihre Familie zu verlassen und sich in der Männerwelt eine Existenz aufzubauen. In Parizeks Fassung wird es zur Rahmenhandlung in der Gestalt eines trotteligen Sketches niedergefahren: Die Fabrik, in der Nora Aufnahme gefunden hat, ist in Abwicklung. Die mitwirkenden Schauspieler balzen, schwer erklärbarerweise im jeweiligen Heimatdialekt, mit, um und gegen einander. Jelineks bedeutender Prosatext zur Arbeitswelt im 21. Jahrhundert wird am Ende hastig aufgepappt. Nur als Stefanie Reinsperger am Schluss das Getöse mit einer Handbewegung bannt und einige von Jelineks Sätzen im Zuschauerraum vorträgt, gewinnt das Unternehmen Sinn.

Besser, man hätte Ibsen oder Jelinek gespielt.

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