"Klein Zaches" als Märchenshow

Victor Bodo arbeitet sich im Volkstheater an E. T. A. Hoffmann ab

E. T. A. Hoffmanns Geschichte vom missgestalteten Knaben, Klein Zaches, der zum Rachewerkzeug einer Fee wird, Menschen und einen Staat an den Abgrund des Verderbens treibt und erst in letzter Sekunde beseitigt werden kann, auf der Bühne zu zeigen, grenzt an das sprichwörtliche Himmelfahrtskommando. Der ungarische Dramatiker Péter Kárpáti und Victor Bodo haben es versucht. Mehr als eine Rückschau auf das 20. Jahrhundert wurde nicht geboten.

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Volkstheater - "Klein Zaches" als Märchenshow

Péter Kárpáti wandelt in „Operation Zinnober“ E. T. A. Hoffmanns Märchen „Klein Zaches“ in eine nostalgisch-historische Polit-Satire um, zeigt Flüchtlinge – in diesem Fall vertriebene Feen und Zauberwesen – an einem Maschendrahtzaun, die Einführung der Aufklärung ist bei ihm nichts anderes als die Kulturrevolution, klassische Musik und Gedichte sind verboten. Die Vernunft soll herrschen, Kultur ist abgeschafft. Was bleibt, ist eine grobe Mischung aus Hoffmann, Orwell, Huxley und Bildern, die täglich in den Nachrichten zu sehen sind.

Victor Bodo arbeitet mit einst bewährten, aber längst verschlissenen Mitten des Theaters der letzten Jahre. Nach dem Muster von Frank Castorf lässt Bodo sein Personal auf, hinter und unter der Bühne agieren. Das Geschehen wird via Live-Kamera auf eine Großleinwand übertragen. Man fährt Auto, spielt, minutenlange Soli auf einer E-Gitarre und tanzt in einer Zelle. Wozu das alles dient, erklärt die Aufführung nicht.

Gábor Biedermann (Klein Zaches) und Jan Thümer (Fürst) machen das Beste aus ihren Figuren, die jedoch zwischen dem Geturne, Gehopse und sinnfreier Rockmusik untergehen. Mehr Raum zum Spielen hätte auch Anja Herden (Rosebelverde) und Günter Franzmeier, die nicht unwesentliche Figuren wie Fee und Zauberer darstellen, gut getan. Thomas Frank, Claudia Sabitzer, Stefan Suske, Christoph Rothenbucher, Luka Vlatkovic formieren den Rest des Ensembles.

Was bleibt, ist eine nett, harmlose, ganz gefällige Märchenshow, die etwas wehmütig an100 Jahre Oktoberrevolution mahnen mag. E. T. A. Hoffmanns scharfe Kritik, das Visionäre seines Textes, das Figuren wie Trump und Orban fast zweihundert Jahre zuvor gezeigt hat, fehlt.

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