Handkes „Selbstbezichtigung“ als atemberaubender Monolog

Sichrovsky über Reinspergers Meisterleistung am Außenschauplatz des Volkstheaters

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Selbstbezichtigung © Bild: Ulrike Rindermann / Volkstheater

Handke war 23 Jahre alt, als er das Gegenstück zur berühmteren „Publikumsbeschimpfung“ schrieb: Das Publikum ist nicht Angeklagter, sondern ein Gerichtshof, vor dem das Ich monologisierend, in endloser Kette, seine schuldhafte Entwicklung einbekennt. Aus dem Anpassungsverweigerer wird ein Angepasster, Höhepunkt des dichten, atemlos-virtuosen Textes ist das Geständnis, die Sprache in Floskeln und abgenutzten Attributen geschändet zu haben.

Selbstbezichtigung
© Ulrike Rindermann / Volkstheater

Parizeks Fassung unterhebt das strenge, abstrakte Geschehen mit autobiografischen Details seiner Darstellerin. Das ist prinzipiell obwaltende Dramaturgenunsitte und banalisiert Handkes Text. In diesem Fall aber ist damit die grandiose Leistung Stefanie Reinspergers nicht zu teuer erkauft. Unter der Anleitung eines Regisseurs, der seine Lust und sein Gelingen an emphatischer psychologischer Personenführung mehrfach bewiesen hat, erbringt sie eine Meisterleistung, wie man sie auf Wiener Bühnen zuletzt selten gesehen hat. Wie einst Peter Zadeks Schauspieler scheut sie dabei kein Risiko, beherrscht die Mittel aber in einem Ausmaß, das Misslingen ausschließt.

Reinsperger und Parizek sind, ebenso wie der Puppenvirtuose Nikolaus Habjan, vom vielfach reicheren Burgtheater zum armen Nachbarn gewechselt. Es scheint, dass man vom Volkstheater noch einiges erwarten kann.

Selbstbezichtigung
© Ulrike Rindermann / Volkstheater

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