"Völker-Wallfahrt": Mariazell ist auch ein Gnadenort der ungarischen Kirche

650 Jahre gemeinsame Geschichte Ungarischer Klerus pilgerte regelmäßig zur Basilika

Von den insgesamt acht Teilnehmerländern des Mitteleuropäischen Katholikentags hat - neben Österreich - Ungarn die intensivsten Beziehungen zu Mariazell. Der steirische Wallfahrtsort gilt auch als ungarischer Gnadenort, zu dem sich Jahr für Jahr tausende ungarische Pilger auf den Weg machen. Dies geht laut Kathpress aus einer neuen Dokumentation des steirischen Landesarchivs hervor. Das Mariazeller Gnadenbild, die "Magna Mater Austriae", eine spätromanische Statue der Gottesmutter, die das Kind auf dem rechten Arm trägt, hat auch den Namen "Magna Domina Hungarorum".

Die intensiven Beziehungen Ungarns mit Mariazell reichen bis ins 14. Jahrhundert zurück. Der ungarische König Ludwig der Große profilierte sich damals als Bauherr und Gönner der gotischen Kirche. Ludwig stiftete u.a. das "zweite Gnadenbild" Mariazells, ein wertvolles Madonnenbild, das noch heute am Altar der Schatzkammer vor allem von ungarischen Gläubigen verehrt wird. Ludwigs Frömmigkeit hatte Vorbildwirkung und schon bald wurde das steirische Heiligtum zu einem beliebten Wallfahrtsort für den ungarischen Hochadel, dem sich bald auch das einfache Volk anschloss. Erst mit der Reformation und der Türkenherrschaft über Teile Ungarns ließ der Wallfahrerstrom deutlich nach. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts kam es aber wieder zu einem Aufblühen der ungarischen Wallfahrt nach Mariazell.

Der ungarische Klerus pilgerte regelmäßig nach Mariazell
Der neue Wallfahrtsboom stand auch in einem direkten Zusammenhang mit dem barocken Neu- und Umbau der Mariazeller Basilika von 1644 bis 1704. Von den zwölf Seitenkapellen der Kirche wurden vier von ungarischen Adeligen errichtet, drei dienten der Verehrung ungarischer Heiliger. Nicht nur der Adel, sondern auch der ungarische Klerus, mit zahlreichen Bischöfen an der Spitze, pilgerte regelmäßig nach Mariazell, auch das Volk folgte diesem Beispiel. War der Einflussbereich des steirischen Wallfahrtsortes auf die westlichen Teile Ungarns besonders groß, gab es doch auch viele Wallfahrten aus der großen ungarischen Tiefebene und sogar aus Siebenbürgen.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde Mariazell schließlich auch ein beliebtes Ziel für den einsetzenden Pilgertourismus. Die Wallfahrer wurden von eigenen Tourismusbüros mit Sonderzügen nach Mariazell gebracht. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Grenzübertritt schwieriger, zur Beschleunigung stellten die ungarischen Behörden aber eigene Wallfahrerausweise aus. Trotzdem nahm die Anziehungskraft Mariazells in der Zwischenkriegszeit deutlich ab.

Nach der kommunistischen Machtergreifung von 1947 war Mariazell dann der einzige für Exil-Ungarn erreichbare "ungarische" Wallfahrtsort der Welt. Der nationale Charakter und der politische Akzent der Ungarn-Wallfahrten wurden immer deutlicher und der steirische Wallfahrtsort wurde zum Symbol des Widerstands gegen den Totalitarismus. Am deutlichsten kam dies wahrscheinlich dadurch zum Ausdruck, dass der von den Kommunisten verfolgte legendäre Kardinal Jozsef Mindszenty hier 1975 seine vorläufig letzte Ruhestätte fand.

Nach der politischen "Wende" trat die Position Mariazells als ungarisches "Nationalheiligtum" sehr rasch wieder in den Schatten, auch die sterbliche Hülle Mindszentys wurde 1991 nach Esztergom überführt. Trotzdem spielt der steirische Marienort für die ungarische Kirche nach wie vor eine große Rolle. Auf politischer Ebene wurde 2002 eine Städtepartnerschaft zwischen Mariazell und Esztergom ins Leben gerufen.

Noch im selben Jahr fand in Esztergom und Mariazell ein Symposion über die religiösen Gemeinsamkeiten der beiden Städte statt. Die Ergebnisse der hochkarätig besetzen Doppelveranstaltung wurden vom steiermärkischen Landesarchiv unter dem Titel "Mariazell und Ungarn: 650 Jahre religiöse Gemeinsamkeit" publiziert.

(apa/red)