Viennale: Der bessere Woody Allen
und wenig Publikum für Wichtiges

"Golden Exits" und "Cry Baby, Cry": Zwei bisherige Höhepunkte

Die Viennale ist in vollem Gange, das erste Festivalwochenende schon wieder passé. Einige Highlights damit ebenso, wie etwa der Eröffnungsfilm „Lucky“, Barbara Alberts Kammerspiel „Licht“ oder auch „Helle Nächte“ mit einem preisgekrönten Georg Friedrich. Doch auch zwei kleinere, dafür nicht außer Acht zu lassende Filme begeisterten bereits das Viennale-Publikum: Das an Woody Allen erinnernde „Golden Exits“ sowie die wichtige wie vielgelobte Doku „Cry Baby, Cry“ von Antonin Svoboda.

von Viennale 2017 © Bild: © Viennale

Schon mehrfach war der US-amerikanische Filmemacher Alex Ross Perry zu Gast bei der Viennale. Und so stellte er auch dieses Jahr seinen jüngsten Film „Golden Exits“ persönlich im ausverkauften Wiener Gartenbaukino vor. Bereits vor Filmbeginn sorgte Perry mit einer kurzen Ansprache beinahe für Tränen im Publikum, als er – selbst emotional überaus ergriffen – von der traurigen Abwesenheit des verstorbenen Viennale-Direktors Hans Hurchs sprach, der hier sehr fehle.

Alex Ross Perry
© Alexander TUMA Alex Ross Perry: Erst traurig, dann unterhaltsam

Sein Film, „Golden Exits“, munterte das Publikum dann aber wieder auf. Im New York der goldenen Frühlingsfarben spielt die Geschichte rund um die junge, hübsche Praktikantin aus Australien, Naomi (sehr überzeugend gespielt von Emily Browning) ab, die nicht nur ihrem Arbeitgeber Nick (Beastie Boys-Mitglied Adam Horowitz) aus dem Konzept bringt. Geschickt verwebt Perry eine Dreiecksbeziehung zwischen Naomi, Nick und dem jungen Plattenlabel-Besitzer Buddy (Jason Schwartzman), die eigentlich gar keine ist, bzw. auch nie wird. Denn zwischen Naomi und den Männern passiert nichts und dieses Nichts fliegt auch nie auf – und dennoch stellt diese junge Schönheit alles auf den Kopf, ohne dass dies je ausgesprochen würde. Genau das ist auch das Schöne an dem Film, dass die Vorhersehbarkeit der Geschichte eben nicht eintritt. Das trennt auch die Geschichte von Perry von einer aus der Feder Woody Allens, an den der Film sonst doch sehr erinnert – und macht sie interessanter, ja auch besser.

„Golden Exits“ zeigt einen Tanz um die eigenen Befindlichkeiten, dem man trotz Perrys Fokus auf Nebensächlichkeiten wahnsinnig gerne zuschaut. Und das nicht zuletzt aufgrund der fabelhaften Besetzung (neben billiant stocksteif-agierenden Horowitz, der verträumt-hipster-artigen Browning und dem süß-jugendhaften Schwarzman sind auch Chloë Sevigny und Marie-Louise Parker mit dabei). Am 28. Oktober gibt es um 13:00 im Gartenbaukino noch einmal die Chance, "Golden Exits" zu sehen.

Nicht immer nur Babyglück

Viel Applaus von den wenigen Zuschauen, die sich am verregneten Montag um halb 2 Uhr nachmittags in der Urania einfanden, erntete Antonin Svobodas Dokumentation „Cry Baby, Cry“. Über die Zuschauerarmut zeigte sich der anwesenden Regisseur wenig erstaunt, denn „die, die es betrifft, haben keine Zeit, die die Schwanger sind, hoffen, dass es sie nie betreffen wird und die, die es überstanden haben, wollen nichts mehr davon hören. Wer soll also ins Kino kommen?“, fragte der Filmemacher wohl nur teils scherzhaft gemeint. Und damit hat er bestimmt nicht unrecht, denn „Cry Baby, Cry“ zeigt drei Familien mit neugeborenen Babys bei der Therapie. Ihre Probleme sind unterschiedlich, Levi hat keinen Schlaf-Wach-Rhythmus, Konrad ist ein „Schreibaby“ und Lotta tendiert zur Selbstverletzung und ist ständig in Unruhe.

Viennale 2017
© © Viennale Klein-Konrad bringt Klaus' und Imkes Lebens durcheinander

Drei Jahre lang hat Svoboda die Familien bei ihrer Therapie mit dem deutschen Körperpsychotherapeuten Thomas Harms begleitet und liefert nach 86 Minuten überraschende wie überaus interessante Erkenntnisse. Im Endeffekt geht es nämlich viel weniger darum, die Probleme dieser „Problemkinder“ zu lösen, als vielmehr das Miteinander in den Familien zu betrachten, die Ursachen herauszufinden und die - zumeist - äußerst traumatischen Geburtsvorgänge erst einmal aufzuarbeiten. Nicht selten stellt sich im Verlauf dieser Therapie die Frage, wer in diesen Geflechten eigentlich das hilfesuchende Baby ist und nicht selten sind es alle Betroffenen. Dennoch ist dieses Thema so komplex, dass es weder Regeln noch die einzig richtige Lösung geben kann und trotzdem ist es immer ein guter Anfang, den Kindern, selbst wenn diese noch Babys sind, einfach den Raum und die Zeit zu geben, sich mitzuteilen. Es ist dabei erstaunlich, was sogar Babys, passt man erst einmal ganz genau auf, alles zu vermitteln in der Lage sind.

Viennale 2017
© © Viennale/Alexi Pelekanos Regisseur Antonin Svoboda begleitete drei Jahre lang Jungfamilien bei der Therapie

Nebenbei wird auch noch die Frage nach Mutter- bzw. Vaterschaft in der heutigen Welt gestellt, ein schwierig zu findende Rolle für viele junge Eltern, die in diese gesamte Komplexität auch hineinspielt. Dennoch wird dies nur als Metaebene eingefügt – und quasi als Denkanstoß mitgegeben.

Film als kleine Therapie

„Cry Baby, Cry“ erhielt vom Publikum (das hauptsächlich aus Eltern sowie auch anwesenden Therapeuten bestand) zurecht viel Lob und Danksagungen. Svoboda hat, wenn er nach dem dreijährigen Mammutprojekt auch vom Thema auch etwas übersättigt wirkte, einen wichtigen Film zu einem wichtigen Thema geschaffen, der selbst vielleicht schon als kleine Therapie wirken kann. Nämlich wenn es darum geht, jungen Eltern zu zeigen: Ihr seid nicht alleine mit Problemen wie diesen. Und: Nein, es musst nicht alles rosig und glücklich sein, nur weil man gerade ein Baby bekommen hat. Denn das ist es, was Jungeltern das in der Regel von ihrer Umwelt suggeriert wird. Alles andere ist nach wie vor oft ein Tabu.
"Cry Baby, Cry" soll im Frühjahr 2018 in die Kinos kommen.