"Schneller und direkter
wäre gescheiter gewesen"

Die Grünen schließen sich den Rücktrittsaufforderungen an Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) wegen der zögerlichen Aktenlieferung an den U-Ausschuss nicht an. "Schneller und direkter wäre gescheiter gewesen", tadelte aber Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) in der "Krone" den Koalitionspartner.

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Die Vorwürfe reichten nicht für einen Rücktritt, befand auch die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer im Ö1-"Mittagsjournal". Die Vorgangsweise der Aktenlieferung sei aber "mehr als unglücklich".

Blümel hatte die Aufforderung des Verfassungsgerichtshofs, dem Ibiza-U-Ausschuss E-Mails zu liefern, zwei Monate lang ignoriert. Erst eine von den Höchstrichtern beim Bundespräsidenten beantragte Exekution des Urteils führte am Donnerstag zur Übermittlung der Unterlagen. Die Opposition fordert Blümels Rücktritt.

"Zögerlich" im Rahmen der Verfassung

Die Frage, ob Blümel für die Grünen noch tragbar sei, bejahte Maurer am Freitag. Man sei in einer gemeinsamen Regierung und die Vorwürfe reichten aus ihrer Sicht nicht aus. Das Finanzministerium habe mittlerweile aber wohl selbst erkannt, dass es "klüger" gewesen wäre, gleich zu liefern. Entscheidend ist für Maurer allerdings, dass die Akten nun im Parlament sind. Gegen scharfe Kritik von Verfassungsrechtler Heinz Mayer verteidigte Maurer die ÖVP: Der türkise Regierungspartner agiere im Rahmen der Verfassung - "wenn auch sehr zögerlich".

Vizekanzler und Grünen-Chef Kogler meinte zwar, es sei "gut, dass der Verfassungsgerichtshof das jetzt geklärt hat", wie er zur "Kronen Zeitung" sagte. "Einsehen muss man das aber nicht, dass das so lange gedauert hat und bis zum Äußersten gegangen ist", kritisierte er Blümels Vorgangsweise.

Ordner übergeben

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat am Donnerstag mit einem Exekutionsantrag an den Bundespräsidenten Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) gezwungen, bisher nicht gelieferte Akten an den Ibiza-Untersuchungsausschuss zu übermitteln. Unmittelbar nach der Entscheidung des Höchstgerichts teilte das Finanzministerium mit, nun doch die Daten zu liefern. Am Nachmittag wurden 204 Ordner an die Parlamentsdirektion übergeben, gab das Finanzressort bekannt.

Die Oppositionsfraktionen SPÖ, FPÖ und NEOS hatten die Übermittlung der Daten beantragt. Der VfGH gab am 3. März ihrem Verlangen statt, dass Blümel die E-Mail-Postfächer der Leiterin des Beteiligungsmanagements im Finanzministerium sowie die Korrespondenzen von Ministeriumsmitarbeitern mit dem nunmehrigen ÖBAG-Chef Thomas Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium, und anderen Mitarbeitern des damaligen Finanzministers Hartwig Löger (ÖVP) dem Ausschuss zur Verfügung zu stellen hat. Da Blümel dies aber nicht erfüllte, beantragte die Opposition, die Exekution dieser Entscheidung durch den Bundespräsidenten zu erwirken. Auch dem gab der VfGH nun am Donnerstag statt.

Finanzministerium lenkt ein

Die Verfassungsrichter haben festgestellt, dass das Erkenntnis vom 3. März "eine Leistungspflicht enthält, die zwangsweise durchgesetzt werden kann". Gemäß Verfassung sei die Exekution "nach den Weisungen des Bundespräsidenten durch die nach seinem Ermessen beauftragten Organe des Bundes oder der Länder einschließlich des Bundesheeres durchzuführen".

Kurz nach dieser VfGH-Entscheidung teilte das Finanzministerium mit, nun doch die geforderten Daten zu übermitteln. "Die VfGH-Entscheidung ist zu akzeptieren und das Bundesministerium für Finanzen wird diesem selbstverständlich unverzüglich und vollumfänglich nachkommen", hieß in einer schriftlichen Stellungnahme. Das Finanzministerium "hat bereits bisher über 20.000 elektronische Dokumente geliefert und wird noch heute die restlichen Unterlagen an die Parlamentsdirektion übermitteln."

Einzigartiger Fall in der Zweiten Republik

Bundespräsident Alexander Van der Bellen sprach von einem bisher einzigartigen Fall. Blümel habe auch ihm persönlich versichert, die geforderten Unterlagen vorzulegen, betonte das Staatsoberhaupt. Wenn er vom Ausschuss die Information bekomme, dass diese vollständig geliefert worden seien, erübrige sich die Exekution. "Sollte das wider Erwarten nicht der Fall sein, werde ich meinen verfassungsmäßigen Pflichten entsprechen", kündigte das Staatsoberhaupt in einer Erklärung an. Die Verfassung schreibe die Gewaltenteilung fest und regle, wer im Staat wofür verantwortlich ist. "Sie regelt unser aller Zusammenleben. An diese Regeln haben wir alle uns zu halten."

Der Bundespräsident betonte, dass es sich hier um einen einzigartigen Fall handle: "Ich wende mich heute an Sie, weil etwas eingetreten ist, was es in dieser Form in unserem Land noch nicht gegeben hat." Diese Situation möge für viele überraschend kommen - "nicht aber für unsere Bundesverfassung". Diese gebe eine klare Handlungsanweisung vor.

Heftige Kritik an der ÖVP

Die Opposition nahm dies zum Anlass für heftiger Kritik an der ÖVP. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch und FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker forderten den Rücktritt Blümels. FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer kritisierte nicht nur die ÖVP, sondern auch den Bundespräsidenten. Er sprach von einem "Skandal erster Güte", dass Van der Bellen über Wochen zu der Causa geschwiegen habe und jetzt wohlwollend zur Kenntnis nehme, dass Blümel unter Androhung der Exekution die Akten liefere. SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer sprach von einer "wegweisenden Entscheidung" des VfGH und betonte, dass niemand über dem Gesetz und der Verfassung stehe. Seine NEOS-Kollegin Stephanie Krisper findet es "beschämend", dass so ein einzigartiges Vorgehen nötig ist.