"Wir sind nicht nur schöne Bilderbücher"

Marcella Prior-Callwey, Verlagschefin des Münchner Traditionsverlags Callwey, über Luxus, den Wert von Zeit und ihren ganz persönlichen Führungsstil.

von Verlag - "Wir sind nicht nur schöne Bilderbücher" © Bild: Oliver Spies
Marcella Prior-Callwey hat mit Bruder Dominik Baur-Callwey 2009 die Geschäfte von den Eltern übernommen; sie übernahmen die Geschäftsleitung des 1884 gegründeten Callwey-Verlags. Es habe sich im Nachhinein "ganz natürlich angefühlt", sagt Prior-Callwey.

"Unser Kernprodukt ist das gedruckte Buch in einer hochwertigen Qualität", so Marcella Prior-Callwey. Die Verlagschefin des Münchner Traditionsverlags "Callwey" betont die Zeitlosigkeit ihrer Publikationen: Wir glauben, dass es gerade in einer immer digitaler werdenden Welt ganz wichtig ist, dass wir Dinge auch analog konsumieren, dass wir sie in die Hand nehmen können und sie in einer anderen Form, in einer anderen Geschwindigkeit genießen können. Bei unseren Büchern müssen wir uns auf 200 bis 300 Seiten beschränken - damit entsteht ein ganz anderer Rhythmus. Unsere Bücher haben ganz bewusst einen Anfang und ein Ende, sie haben eine Dramaturgie. Die will man durchblättern und wenn man sie am Schluss zuklappt, soll man im besten Falle das Gefühl haben, alles zu dem Thema zu kennen und gesehen zu haben."

Zu den Themen gehören Kunst, Interieur, Architektur, Design, Reisen, Kulinarik - die schönen Dinge des Lebens eben.

© Christiane Lutz Frau Dr. Marcella Prior-Callwey neben den Porträts des Gründers Georg D.W. Callwey (Mitte) und Karl Baur, Schwiegersohn und Nachfolger von Callwey und Verleger zweiter Generation

Dass man die Bücher gerne mit dem Begriff der "Coffeetable Lektüre" in Verbindung bringt, sieht Priror-Callwey zwiegespalten – "Coffeetable klingt ab und an ein wenig despektierlich", so die Verlagschefin. "Grundsätzlich freuen wir uns aber sehr, dass unsere Bücher schön genug sind, dass unsere Zielgruppe sie gerne auslegt." Sei es nun auf ihrem Wohnzimmertisch, dem Nachttisch oder dem Sideboard.

Das sei ein "großes Kompliment", sagt Prior-Callwey, will aber betont wissen: "Wir sind nicht nur schöne Bilderbücher. Selbstverständlich haben wir die fulminanten Bildwelten - wir haben aber auch immer Geschichten, die wir erzählen. Geschichten, die unter die Haut gehen und die wirklich berühren."

Bei ihr Zuhause lägen immer ganz viele Bücher - querbeet, aktuell von einer "großartigen Reisereihe aus dem Assouline-Verlag bis hin zur Biografie von Susan Sontag".

News: Frau Prior-Callwey, wer inspiriert Sie?
Prior-Callwey:
Menschen, die etwas geschafft haben, was man ihnen vielleicht nicht zugetraut hätte. Menschen, die out of the box gedacht haben. So zum Beispiel Iris Apfel. Sie hat die ganze Welt bereist und die Grenzen des Alters verschoben. Das finde ich großartig.

Was bedeutet Luxus für Sie?
Für uns bedeutet Luxus Zeit zu haben - für die Dinge, die einem wirklich Freude bereiten. Natürlich konkurrieren wir auch mit anderen Verlagen, aber die echte Konkurrenz ist eigentlich die Zeit unserer Zielgruppe.

Wie verstehen Sie den Purpose Ihres Verlags?
Wir glauben, dass es Informationen und Unterhaltung braucht, die nicht digital sind. Die man auf dem Sofa genießen kann, mit denen man abschalten kann, ohne dass in der Zeit WhatsApps und Emails hereinfliegen. Eine Zeit für mich, in der ich mich längere Zeit nur mit einem Thema beschäftigen kann. Ein Problem für unsere Gesellschaft, so glauben wir, ist die sogenannte Snippet-Kultur: Im Sekundentakt beschäftigen wir uns mit den verschiedensten Dingen. Für unseren Arbeitsspeicher ist das eine Katastrophe, neben der schieren Zahl an Informationen und Angeboten, hier fungieren wir mit unseren Büchern zusätzlich auch als Kuratoren.

»Das Entscheidende ist, dass man weiß, wo man hinwill«

Was heißt das?
Viele Informationen sind heutzutage immer und überall verfügbar, meistens auch kostenlos. Die große Schwierigkeit ist für mich herauszufiltern: Was sind denn eigentlich die wichtigen Informationen? Was brauche ich wirklich? Unsere Aufgabe ist es, diese Fragen zu beantworten.

Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Das kann man meistens ja nur aus einer Innensicht beantworten (lacht).
Ich würde sagen, dass es ein kommunikativer Stil ist. Mir ist es ganz wichtig, dass alle hinter den Entscheidungen stehen. Wir treffen auch fast alle Entscheidungen gemeinsam und binden von Anfang an die unterschiedlichen Abteilungen mit ein.

Welche Qualifikationen braucht es als Unternehmerin unbedingt?
Das Entscheidende ist, dass man weiß, wo man hinwill.
Es ist essenziell, eine Vision zu haben. Ein Ziel zu definieren, das auch klar kommuniziert wird. Zu schauen, dass alle mit an Bord sind und man nicht nur meint, dass es alle verstanden haben, sondern dass es tatsächlich so ist.
Man sollte es schaffen, dass alle Mitwirkenden Lust haben, gemeinsam die beste Leistung abzuliefern.

Wie hat sich der Verlag gewandelt, seit Sie die Führung übernommen haben?
Natürlich sind wir auch digitaler geworden. Wir haben Awards aufgebaut in den Bereichen Architektur, Design, Garten und Mode. Das ist ein Geschäftsbereich, der gewachsen ist und für den wir aktuell neue Plattformen bauen. Auch der Bereich des Corporate Publishing hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen.

Was war Ihr bisher größter Erfolg?
Dass wir nach wie vor noch unabhängig sind und es den Callwey Verlag als Traditionshaus immer noch gibt. Und dass wir nach wie vor unsere eigenen Entscheidungen treffen können - mit unserem Commitment zu Qualität. Das macht mich schon stolz.

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