Brexit - "Harte Arbeit fängt jetzt an"

EU macht Druck auf Briten

In Sachen Brexit wächst der Druck auf Großbritannien. Die Themen Bürgerrechte, Finanzverpflichtungen und Nordirland haben Priorität.

von Verhandlungen - Brexit - "Harte Arbeit fängt jetzt an" © Bild: EMMANUEL DUNAND / AFP

Die EU-27 machen deutlich Druck auf Großbritannien für die kommende zweite Runde der Brexit-Verhandlungen. EU-Chefverhandler Michel Barnier hat London am Mittwoch sogar indirekt mit einem Abbruch der Gespräche gedroht, sollte Großbritannien seine gegenüber der EU bisher gemachten finanziellen Verpflichtungen nicht begleichen.

Generell gehe es in erster Linie um die drei Hauptpunkte Bürgerrechte, Finanzverpflichtungen und die Nordirland-Frage. "Die kann man nicht voneinander getrennt behandeln." Er erwarte von Großbritannien dazu auch eine "Klarstellung in den nächsten Tagen" zu diesen prioritären Bereichen. Klar ist die Haltung der EU über die Rechte von europäischen Bürgern in Großbritannien und umgekehrt von britischen Bürgern in der Union. Dafür sei der Europäische Gerichtshof (EuGH) zuständig, unterstrich Barnier die Position der EU.

Der derzeitige britische Vorschlag "erlaubt betroffenen Personen nicht, ihr Leben einfach so weiterzuleben wie bisher". EU-Bürger würden britischem Recht in Großbritannien unterworfen, das bestimmte Restriktionen beispielsweise bei der Familienzusammenführung vorsehe. "Wir wollen, dass das Recht der EU-Bürger in Großbritannien direkt geltend gemacht werden kann", auf Grundlage des Austrittsabkommens.

Die Briten dagegen könnten "keine dauerhafte Garantie" mit dem jetzigen Vorschlag liefern. Wenn die Rechte von EU-Bürgern in britischem Recht verankert werden, könne dieses Recht ja weiter entwickelt werden. "Wir wollen dass letztlich der EuGH dafür zuständig ist, diese Recht einklagbar zu machen." Wenn Großbritannien dagegen sein sollte, "schafft das Unsicherheit. Wir wollen, dass EU-Bürger in Großbritannien einfache und klare Verwaltungsverfahren erhalten. Die Bedingungen müssen ausdrücklich festgehalten werden".

Zu den Finanzfragen äußerte sich Barnier deutlich. Auf die Frage, ob die Grundlage von weiteren Verhandlungen mit den Briten nicht gegeben sei, solange London nicht seine Finanzverpflichtungen anerkannt habe, sagte Barnier: "Ja." Notwendig sei Vertrauen seitens Londons. "Wie bauen Sie denn eine Beziehung auf, mit Handel, Verteidigung, Universitäten und allen möglichen Themen, mit einem Land, in das sie kein Vertrauen haben? Wie soll das gehen? Ja, es muss eine Finanzabwicklung geben", sagte Barnier, ohne allerdings eine konkrete Zahl zu nennen. "Ich weiß, das ist alles schwierig für die Briten, aber auch für die 27 EU-Staaten. Wir haben uns zusammen als 28 verpflichtet, über einen mehrjährigen Finanzrahmen bestimmte Zahlungen zu leisten. Tausende Programme sind betroffen, die von den 27 und Großbritannien eingegangen wurden, wenn der Teil, auf den sich die Briten festgelegt haben, nicht mehr da ist. Das ist eine Frage des Vertrauens."

"Es geht einfach nur darum, die Kosten der Trennung" abzuwickeln

Es handle sich dabei auch "nicht um Erpressungsgeld oder Lösegeld oder Bestrafung. Das ist auch keine exit-bill, keine Rache", betonte Barnier. "Es geht einfach nur darum, die Kosten der Trennung" abzuwickeln. "Mehr oder weniger wollen wir nicht. Wir verlangen nicht einen einzigen Euro oder ein Pfund mehr als das, worauf sich Großbritannien legal festgelegt hat." Die "Briten müssen anerkennen, dass sie uns gegenüber Verpflichtungen eingegangen sind". Diese müssten "erst geregelt werden, bevor wir über die Zukunft sprechen können". Diese Bedingung für ein Vertrauen "brauchen wir, um die nächste Stufe zu erreichen".

Zum dritten prioritären Punkt - die Nordirland-Irland-Grenzfrage - sagte Barnier, "wir möchten gerne schnelle Verhandlungen über die Beibehaltung des einheitlichen Reisegebietes zwischen Irland und Großbritannien einleiten". Es gehe auch um den Schutz des Karfreitagsabkommens, mit dem 1998 der blutige Nordirlandkonflikt beendet wurde. "Bei so wichtigen Themen müssen wir dafür sorgen, mit unseren Partnern wirklich auf derselben politischen Linie zu sein, bevor wir dann nach technischen Lösungen suchen können."

Barnier unterstrich auch, dass es nicht reiche, nur in einem oder zwei der drei Hauptpunkte Fortschritte zu erzielen. "Das würde nicht ausreichen, um schon in eine Diskussion über künftige Beziehungen mit Großbritannien einzusteigen." Deshalb "erwarten wir in den nächsten Tagen eine Klarstellung der britischen Seite" zu diesen Positionen.

»Die echte harte Arbeit fängt jetzt erst an«

Neben den drei Punkten gebe es andere Themen wie Euratom oder laufende Justizverfahren zum Zeitpunkt des Austritts. Er werde diese Woche noch mit Mitgliedern des House of Lords zusammentreffen, um Fragen zu erörtern und am morgigen Donnerstag auch mit dem Vorsitzenden der oppositionellen britischen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, reden. Treffen seien auch mit den Regierungschefs von Schottland und Wales, Nicola Sturgeon und Carwyn Jones, vorgesehen.

Auf Vorhaben der Briten angesprochen, als Reaktion auf den Brexit anderen Ländern den Zugang zu ihren Küstengebieten im Fischereibereich zu verweigern, sagte Barnier, die Rechtswirkung des Rückzugs Londons aus dem internationalen Abkommen ändere nichts. Großbritannien müsse auf alle Fälle seine internationalen Verpflichtungen einhalten. Es gebe die gemeinsame Verantwortung, die gemeinsamen Bestände zu bewirtschaften. Dies sollte bei der Nutzung von Hoheitsgewässern und Fragen des Marktzugangs auf "intelligente Weise" geschehen.

Jedenfalls dränge die Zeit. "Wir müssen richtig loslegen. Die echte harte Arbeit fängt jetzt erst an." Aber "ich will niemand dazu treiben, den Verhandlungstisch zu verlassen". Doch sei zu bedenken, dass "am 30. März 2019 um Mitternacht Großbritannien ein Drittland ist".