Sebastian Kurz: Guaidó "legitimer Übergangspräsident" Venezuelas

Österreich erkennt Guaidó als Interimspräsidenten Venezuelas an. Auch Großbritannien und Spanien schließen sich an.

von Venezuela - Sebastian Kurz: Guaidó "legitimer Übergangspräsident" Venezuelas © Bild: PIERRE-PHILIPPE MARCOU / AFP

Die Bundesregierung erkennt Juan Guaido als Interimspräsidenten Venezuelas an. "Das #Maduro Regime hat sich bis jetzt geweigert, freien und fairen Präsidentschaftswahlen zuzustimmen", twitterte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Montag. "Daher betrachten wir von nun an Präsident @jguaido als legitimen Übergangspräsidenten in Einklang mit der venezolanischen Verfassung."

Guaidó habe "unsere volle Unterstützung bei seinen Bemühungen zur Wiederherstellung der Demokratie in #Venezuela, das schon viel zu lange unter sozialistischer Misswirtschaft und einem fehlenden Rechtsstaat leidet", sicherte Kurz zu. Der oppositionelle Parlamentspräsident hatte sich vor fast zwei Wochen selbst zum Staatsoberhaupt ernannt und damit den amtierenden Präsidenten Nicolás Maduro herausgefordert.

Maduro hat nun ein Ultimatum von acht EU-Mitgliedsländern verstreichen lassen, die ihn aufgefordert hatten, bis zum Wochenende eine faire und freie Neuwahl des Präsidenten anzusetzen, ansonsten würden die EU-Staaten seinen Gegenspieler Guaidó als Interimspräsidenten anerkennen. Österreich, Spanien und London haben diese Maßnahme nun umgesetzt. Auch Detuschland und Frankreich erkennen Guaidó als "amtierenden Präsidenten" an.

Guaidó bedankt sich bei Österreich für Anerkennung

Venezuelas selbsternannter Interimspräsident Juan Guaidó hat sich bei der Bundesregierung für die Unterstützung im Machtkampf mit Staatschef Nicolás Maduro bedankt. "Wir danken der Regierung Österreichs für die Anerkennung der Legitimität der Bemühungen, die wir gemeinsam mit der gesamten Bevölkerung Venezuelas unternehmen, um unsere Freiheiten und Rechte zu erlangen", twitterte er am Montag.

Mit ähnlichen Worten begrüßte er die Anerkennung seitens Deutschlands, Polens, Tschechiens, Litauens, Lettlands und anderer Staaten, die sich am Montag für ihn ausgesprochen hatten. Maduro hatte ein Ultimatum mehrerer EU-Staaten verstreichen lassen und bis zum Wochenende keine Neuwahlen ausgerufen, woraufhin mehrere EU-Staaten, allen voran Spanien, Großbritannien, Österreich und Frankreich, Guaidó anerkannten.

»Wir hoffen, dass dieser Prozess sich möglichst kurz und natürlich friedlich gestaltet«

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den venezolanischen Parlamentspräsidenten Juan Guaidó einen Tag nach Ablauf einer Frist zur Ausrufung freier Wahlen in dem Land als legitimen Interimspräsidenten anerkannt. Dies erklärte Merkel am Montag nach einem Gespräch mit dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe in Tokio.

"Bis gestern ist keine Wahl für eine Präsidentschaft ausgerufen worden. Deshalb ist jetzt Guaidó die Person, mit der wir darüber reden und von der wir erwarten, dass sie einen Wahlprozess möglichst schnell initiiert", sagte die Kanzlerin. Und für diese Aufgabe sei Guaidó "der legitime Interimspräsident aus deutscher Sicht und aus Sicht vieler europäischer Partner", sagte Merkel. Sie ergänzte: "Wir hoffen, dass dieser Prozess sich möglichst kurz und natürlich friedlich gestaltet."

Guaidó ruft Europa zu Geschlossenheit auf


Venezuelas selbst ernannter Staatschef Juan Guaidó hat Europa zu Geschlossenheit aufgerufen. Gegenüber der italienischen Tageszeitung "Corriere della Sera" (Montagsausgabe) schloss der Parlamentspräsident aus, dass im Dialog mit dem amtierenden Präsidenten Nicolás Maduro eine Lösung für die Krise erzielt werden könne.

Wenn die europäischen Regierungen dazu beitragen wollten, die Gewalt, Kriminalität, Repression und Verletzung der Menschenrechte in dem südamerikanischen Land zu stoppen, "müssen sie sich en bloc bewegen, damit die Kräfte, die Maduro noch unterstützen, das ganze Gewicht des diplomatischen und politischen Drucks aus Europa spüren", sagte Guaidó.

Guaidó: „Hoffe, dass Europa schlagkräftiger wird“

Juan Guaidó hat in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "profil" verstärkte Unterstützung durch die EU gefordert. "Ich hoffe mit jedem Tag mehr darauf, dass Europa schlagkräftiger wird", so der 35-Jährige in der Online-Ausgabe am Montag. Der ehemalige UNO-Berichterstatter Jean Ziegler sieht Guaidos Aufstieg hingegen kritisch.

"Es ist haargenau die gleiche Strategie wie 1973 gegen das demokratische Chile: Die USA wollen mit einem mörderischen Wirtschaftskrieg die Regierung stürzen, um in Venezuela ans Erdöl zu gelangen", sagte er im Interview mit der Schweizer Tageszeitung "Blick" vergangenen Donnerstag. Der amtierende Präsident Nicolás Maduro sei 2018 in fairen und von der UNO überwachten Wahlen zum Präsidenten gewählt worden, gegen ihn laufe im Westen eine "unglaubliche Diffamierungskampagne".

»Venezuela blutet aus«

Guaido hält hingegen seine Anerkennung als Interimspräsident durch die EU-Mitgliedstaaten für "gerecht" und ein Signal an jene Venezolaner, "die durchhalten, obwohl der Kampf sehr brutal war". Bisher sei es schwierig gewesen, Europa auf die Krise Venezuelas aufmerksam zu machen, sagte er dem "profil" gegenüber. "Venezuela blutet aus, weil die Menschen wegen Mangel an Essen und Medizin scharenweise das Land verlassen", so Guaidó.

Der Politiker der sozialdemokratischen Mitte-Partei Voluntad Popular (VP, zu Deutsch: Volkswille) sprach sich für schärfere EU-Sanktionen gegen die Regierung Maduro aus. "Es gibt Zweifel in Europa, ob die Sanktionen effektiv waren oder nicht. Ich denke, der jetzige Prozess zeigt, dass sie sehr nützlich waren", erklärte er.

Ziegler, Soziologe und Ex-Mitglied des Genfer Nationalrates, führt hingegen die Massenflucht aus Venezuela auf die internationalen Sanktionen gegen das Land zurück, wegen derer es an Nahrung und Medikamenten fehle. Diesen hätten sich die EU und die Schweiz angeschlossen, weil sie "Lakaien der USA" seien. Zu den UNO-Berichten über Folter, Vergewaltigungen und Mord an Oppositionellen sagte er, dass Polizeiwillkür vorkomme und "in jedem Fall vorbehaltlos zu verurteilen sei". Maduro würde bestimmt keine Folter legitimieren, so sein Einschätzung. Unter ihm und seinem Vorgänger Hugo Chávez habe eine soziale Revolution stattgefunden, erklärte der ehemalige UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung. "Der Anteil der permanent Unterernährten von früher 28 Prozent konnte komplett eliminiert werden."

"Als Intellektueller stehe ich hinter der Regierung, weil sie demokratisch gewählt worden ist und weil die Bolivarische Revolution neun Millionen Menschen aus dem extremen Elend befreit hat", so der Soziologe. "Abgesehen davon ist mir ein Arbeiter und Gewerkschafter aus Venezuela viel sympathischer als ein Geldsack aus Zürich", räumte er ein.

Parlamentspräsident Guaidó hatte sich vor eineinhalb Wochen zum Übergangsstaatsoberhaupt erklärt, nachdem die von der Opposition dominierte und entmachtete venezolanische Nationalversammlung die Wiederwahl von Maduro zum Präsidenten für ungültig befunden hatte. Unter anderen erkannten die USA und das EU-Parlament Guaidó an, mehrere EU-Mitgliedstaaten stellten Maduro ein Ultimatum zur Ausrufung von Neuwahlen. Der amtierende Staatschef bezeichnete Guaidó als eine Marionette der USA und ließ die Frist am Wochenende verstreichen. Daraufhin erkannten mehrere EU-Staaten, darunter Österreich, Guaidó als Übergangspräsidenten an, der Neuwahlen in die Wege leiten solle.

Sollten diese stattfinden, würden sie unter "qualifizierter internationaler Beobachtung" abgehalten werden, versprach Guaido dem "profil" gegenüber. Er glaube, dass Europa dabei eine wichtige Rolle spielen werde.

Guaidó ruft Italien zu seiner Anerkennung auf

Während die österreichische Bundesregierung und mehrere andere EU-Staaten Juan Guaidó als Interimspräsidenten Venezuelas anerkannt haben, hat Italien diesen Schritt bisher nicht gesetzt. Im Interview mit der Mailänder Tageszeitung "Il Giornale" (Montagsausgabe) appellierte Guaidó an die Regierung in Rom, ihn sofort anzuerkennen, wie es bereits viele andere EU-Länder getan hätten.

"Bei uns gibt es viele Italo-Venezolaner mit italienischem Pass, oder die das Recht haben, diesen zu erhalten", erklärte Guaidó. Rom sollte dies berücksichtigen und sich ihnen gegenüber verantwortungsbewusst zeigen, forderte er. "Die Regierung sollte uns unterstützen, weil wir Freiheit und Demokratie verteidigen", so der oppositionelle Parlamentspräsident, der sich vor fast zwei Wochen selbst zum Staatsoberhaupt ernannt und damit den amtierenden Präsidenten Nicolás Maduro herausgefordert hatte.

Zuvor hatte EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani kritisiert, dass sich die EU-Mandatare der Fünf-Sterne-Bewegung, der Lega und viele aus den Reihen des PD bei der Abstimmung enthalten haben, bei der das EU-Parlament vergangene Woche mit großer Mehrheit Oppositionsführer Guaidó als rechtmäßigen Interimspräsidenten Venezuelas anerkannte. "Damit haben sie eine Gelegenheit verpasst, sich klar gegen die Diktatur von Nicolás Maduro auszusprechen", kritisierte Tajani.

In Sachen Venezuela ist es zwischen den Koalitionspartnern Lega und Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) zu Differenzen gekommen. Der M5S-Spitzenpolitiker Alessandro Di Battista sprach sich gegen eine Anerkennung von Guaidó aus und warnte davor, dass Venezuela zum "Libyen Südamerikas" werden könnte. Es gehe nicht darum, Maduro zu verteidigen, sondern eine weitere Eskalation der bereits Jahre andauernden Gewalt im Land zu vermeiden.

Di Battistas Worte lösten Ärger in der verbündeten Lega aus. Der rechtsgerichtete Vizepremier und Lega-Chef Matteo Salvini sagte, Maduro unterdrücke sein Volk durch Gewalt und Hunger. Zudem litten zahlreiche in Venezuela lebende Italiener unter dessen Regime. Oppositionskräfte forderten M5S-Vorsitzenden Luigi Di Maio auf, die Position seiner Bewegung bezüglich der Krise Venezuelas zu klären.

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