Van der Bellen und Kneissl besuchen die Ukraine

Unmittelbar vor viertem Jahrestag der Krim-Annexion durch Russland

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"Ich freue mich ganz besonders auch nach Lemberg zu reisen, das ein Symbol der engen Verbundenheit unserer beiden Länder ist", betonte Van der Bellen laut einer Aussendung der Präsidentschaftskanzlei. Die Visite in der früheren Hauptstadt Galiziens bildet am Donnerstag den Abschluss des dreitägigen Besuchs. Das politische Programm in Kiew absolvieren Van der Bellen und Kneissl am Mittwoch. Empfangen werden sie von Präsident Petro Poroschenko und Ministerpräsident Wolodymyr Grojsman. Die Präsidenten besuchen ein bilaterales Wirtschaftsforum, die Außenministerin unterzeichnet ein bilaterales Kultur- und Bildungsabkommen. Zum Auftakt der Reise sind am Dienstag Treffen mit Vertretern der Zivilgesellschaft, Studierenden, Wirtschaftsvertretern sowie bei internationalen Organisationen wie der OSZE tätigen Österreichern geplant.

Der Besuch findet kurz vor dem vierten Jahrestag der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland statt. Dieser Schritt wird von der Weltgemeinschaft immer noch nicht anerkannt, doch ist die Position der nunmehrigen österreichischen Regierungspartei FPÖ diesbezüglich nicht ganz eindeutig. Mehrere FPÖ-Politiker, darunter der nunmehrige Klubobmann Johann Gudenus, erhielten von der Ukraine Einreiseverbote, weil sie von Russland aus die Krim besucht hatten. Es ist zu erwarten, dass insbesondere Außenministerin Kneissl in Kiew zu dieser Frage Stellung wird nehmen müssen.

Militärisch heißer ist der Konflikt um die Ostukraine, wo es jederzeit zu einem Wiederaufflammen des Krieges zwischen Armee und pro-russischen Separatisten kommen könnte. Bei den Bemühungen für eine politische Lösung zeichnet sich keine Bewegung ab, Kiew und Moskau sehen bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen jeweils die Gegenseite am Zug. Auch die von der Ukraine vorgeschlagene UNO-Blauhelmmission dürfte kaum zustande kommen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat in der Vorwoche bei einem Besuch in Moskau bekräftigt, dass Österreich zu einer Beteiligung an der Mission bereit wäre. Die Blauhelme sollen insbesondere die Hunderten unbewaffneten Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) schützen, die sich nach Kräften bemühen, größere Kampfhandlungen an der "Kontaktlinie" zu verhindern.

Wie aus der Präsidentschaftskanzlei verlautete, wird es beim Besuch um die "vielfältigen bilateralen Beziehungen", die Beziehungen zur EU, die Lage in der Ostukraine und das Minsker Abkommen gehen. "Österreich und die Europäische Union wünschen sich eine politisch stabile und wirtschaftlich erfolgreiche Ukraine", betonte der Bundespräsident, der von einer größeren Wirtschafts- und Kulturdelegation begleitet wird.

Am Mittwoch wird Van der Bellen der zahlreichen Toten in der wechselvollen Geschichte der Ukraine gedenken. Am Denkmal des unbekannten Soldaten wird er einen Kranz niederlegen, am "Holodomor-Denkmal" in Erinnerung an die Hungerkrise 1932/33 Getreideähren und am Maidan ein Blumengesteck in Erinnerung an die Opfer der Proteste gegen den prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch des Jahres 2014.

Daraufhin wird Van der Bellen von Staatspräsident Poroschenko mit militärischen Ehren empfangen. Nach einem Gespräch der Präsidenten unterzeichnet Außenministerin Kneissl das Kultur- und Bildungsabkommen. Der österreichische Global-2000-Aktivist Christoph Otto bekommt anschließend einen ukrainischen Orden für sein Tschernobylkinder-Projekt verliehen. Danach ist ein gemeinsames Pressestatement der Präsidenten geplant, ehe sie am Nachmittag an dem Wirtschaftsforum teilnehmen. Zum Abschluss des offiziellen Besuchsteils trifft Van der Bellen auch noch Ministerpräsident Grojsman. In Lemberg wird das österreichische Präsidenten-Ehepaar am Donnerstag unter anderem die Österreich-Bibliothek besuchen. Außerdem steht ein Vortrag Van der Bellens an der Katholischen Universität Lemberg auf dem Programm.

Poroschenko war im Februar der Ehrengast des Bundespräsidenten beim Wiener Opernball. Der ukrainische Präsident hatte sich damals dankbar gezeigt, dass Österreich die EU-Sanktionen gegen Russland unterstütze. Unausgesprochen blieb dabei, dass die Strafmaßnahmen von der österreichischen Politik lagerübergreifend kritisch gesehen werden. Die neue schwarz-blaue Bundesregierung will sich für eine schrittweise Aufhebung stark machen, im Gegenzug für Fortschritte bei der Umsetzung des Minsker Abkommens.

Innenpolitisch gilt Poroschenko als angeschlagen. Die wirtschaftsliberale Reformpolitik, aber auch sein umstrittenes Vorgehen gegen politische Gegner haben sein Ansehen sinken lassen. Beobachter sehen seine Chancen auf eine Wiederwahl bei der Präsidentenwahl im kommenden Jahr intakt, da ihm keiner der möglichen Herausforderer bisher wirklich gefährlich werden konnte.

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