Trump muss sich Amtsenthebungsverfahren stellen

Weißes Haus wütet: "Verfassungswidrige Farce" - Plus: So geht es jetzt weiter

Als erst dritter Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten muss sich Donald Trump einem Amtsenthebungsverfahren im US-Senat stellen. Das US-Repräsentantenhaus stimmte am Mittwochabend (Ortszeit) für die offizielle Eröffnung eines solchen Impeachment-Verfahrens.

von USA - Trump muss sich Amtsenthebungsverfahren stellen © Bild: imago images/UPI Photo

Mit der Mehrheit der Demokraten votierte die Kammer in zwei Abstimmungen dafür, dass sich Trump sowohl wegen Machtmissbrauchs als auch wegen Behinderung der Kongress-Ermittlungen im Senat verantworten muss.

230 zu 197 Stimmen

Nach rund zehnstündiger Debatte stimmte die von den Demokraten dominierte Kongresskammer mit 230 zu 197 Stimmen für den Vorwurf des Amtsmissbrauchs. Eine Mehrheit von 229 zu 198 Stimmen gab es für die Anschuldigung der Behinderung des Kongresses bei der Untersuchung der Ukraine-Affäre. Während die Demokraten mehrheitlich für die Anklageerhebung stimmten, votierten Trumps Republikaner geschlossen dagegen.

Weißes Haus: "Verfassungwidrige Farce"

Das Weiße Haus verurteilte die Eröffnung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Trump scharf und bezeichnete sie als "verfassungswidrige Farce". Die Abstimmung im Repräsentantenhaus sei der "Höhepunkt einer der beschämendsten Episoden in der Geschichte unserer Nation", teilte Trumps Sprecherin Stephanie Grisham am Mittwochabend (Ortszeit) in Washington mit.

Die Anklagepunkte gegen Trump seien völlig illegitim und entbehrten jeder Grundlage. In dem gesamten "betrügerischen" Verfahren seien dem Präsidenten grundlegende Rechte verwehrt worden.

Präsident vorbereitet

Trump sei sich sicher, dass es im Senat dagegen einen fairen Prozess geben werde, in dem er vollständig entlastet werde. Der Präsident sei für die nächsten Schritte vorbereitet und werde sich weiter unermüdlich um die Belange des Landes kümmern.

Trump: "Radikale Linke von Neid, Hass und Wut zerfressen"

Trump selbst warf bei einer Wahlkampfveranstaltung den oppositionellen Demokraten vor, seinen Wahlsieg von 2016 "annullieren" zu wollen. Die "radikale Linke" im Kongress sei von "Neid, Hass und Wut" auf ihn zerfressen, sagte der Präsident am Mittwochabend (Ortszeit) bei einem Wahlkampfauftritt in Battle Creek im US-Staat Michigan. "Diese Leute sind verrückt."

Historisches Votum

Dem historischen Votum war eine mehr als elfstündige Sitzung vorausgegangen, in der sich demokratische und republikanische Abgeordnete einen heftigen Schlagabtausch lieferten. Die Demokraten begründeten die Eröffnung des Verfahrens gegen Trump mit der Pflicht, die Verfassung zu schützen. Trump sei eine Gefahr für die Demokratie, die nächste Wahl und die nationale Sicherheit des Landes. Die Republikaner dagegen warfen den Demokraten vor, sie handelten allein aus parteipolitischem Kalkül und seien seit Beginn der Präsidentschaft Trumps besessen davon gewesen, ein Impeachment-Verfahren gegen ihn anzustrengen.

Trump kommentiert auf Twitter

Trump meldete sich während der Debatte auch auf Twitter zu Wort und warf den Demokraten vor, sie verbreiteten "grausame Lügen". Zuvor hatte er seiner Wut über das Prozedere bereits in einem langen Brief an die demokratische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, freien Lauf gelassen.

Die Beschuldigungen

Die Demokraten beschuldigen Trump, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu Ermittlungen gegen seinen politischen Rivalen, den demokratischen Ex-Vizepräsidenten Joe Biden, gedrängt zu haben, um die US-Präsidentschaftswahl 2020 zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Sie sehen es als erwiesen an, dass Trump von der Ankündigung solcher Ermittlungen ein Treffen mit Selenskyj im Weißen Haus und die Freigabe von Militärhilfe für die Ukraine abhängig gemacht habe. Das werten sie als Amtsmissbrauch. Sie werfen ihm außerdem vor, die Ermittlungen des Repräsentantenhauses zu der Ukraine-Affäre behindert zu haben.

Trotzdem keine Amtsenthebung in Sicht

Trotz des Votums im Repräsentantenhaus droht Trump nach jetzigem Stand kein baldiger Auszug aus dem Weißen Haus: Das eigentliche Impeachment-Verfahren wird - wohl im Jänner - im Senat stattfinden, der dann die Rolle eines Gerichts einnimmt. Und dort haben Trumps Republikaner die Mehrheit. Mindestens 20 von ihnen müssten sich auf die Seite der Demokraten schlagen, um die für eine Amtsenthebung nötige Zweidrittelmehrheit zu erreichen. Das ist nicht in Sicht.

Aber großer Makel

Dennoch ist schon die Eröffnung des Verfahrens ein großer Makel für Trump. Vor ihm mussten das nur zwei andere Präsidenten über sich ergehen lassen: Bill Clinton Ende der 1990er-Jahre und Andrew Johnson im 19. Jahrhundert. Gegen einen weiteren Präsidenten, Richard Nixon, waren wegen des Watergate-Skandals zwar ebenfalls Impeachment-Ermittlungen geführt worden - Nixon trat aber zurück, bevor das Repräsentantenhaus über die Anklagepunkte abstimmen konnte. Bisher wurde kein Präsident in der Geschichte der USA durch ein Impeachment des Amtes enthoben.

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Muss Trump um sein Amt bangen?

Eine Amtsenthebung gilt als so gut wie ausgeschlossen. Der Prozess wird im Senat geführt, und dort haben Trumps Republikaner eine Mehrheit von 53 der 100 Sitze. Für eine Amtsenthebung wäre eine Zweidrittelmehrheit in der Kammer notwendig. Es müssten also mindestens 20 Republikaner für eine Amtsenthebung Trumps stimmen, zusammen mit allen demokratischen Senatoren.

Wie läuft das Verfahren im Senat ab?

Der genaue Ablauf des Prozesses steht noch nicht fest. Grundsätzlich gilt: Der Oberste US-Richter John Roberts hat den Vorsitz, die Senatoren sind die Jury, Vertreter des Repräsentantenhauses die Ankläger. Anwälte des Präsidenten übernehmen Trumps Verteidigung. Eine der zentralen Fragen wird sein, ob Zeugen vorgeladen werden - und wenn ja, welche.

Was schwebt den Republikanern vor?

Der eigentliche Herr des Verfahrens ist der republikanische Senats-Mehrheitsführer Mitch McConnell, der den Ablauf des Prozesses kontrolliert. Der gewiefte Taktiker hat bereits eine "vollständige Koordination" mit dem Weißen Haus angekündigt und damit wütende Reaktionen der Demokraten provoziert.

Trump hat in der Vergangenheit gefordert, im Senat unter anderem den früheren Vizepräsidenten Joe Biden, dessen Sohn Hunter, den anonymen Informanten in der Ukraine-Affäre sowie demokratische Spitzenpolitiker als Zeugen vorzuladen. Führende republikanische Senatoren halten das für zu riskant.

Einige streben einen kurzen Prozess ganz ohne Zeugen an, der nur zwei Wochen dauern könnte. Zum Vergleich: Der Impeachment-Prozess 1999 gegen den damaligen Präsidenten Bill Clinton dauerte knapp sechs Wochen.

Was verlangen die Demokraten im Senat?

Der demokratische Minderheitsführer Chuck Schumer fordert, dass im Senat vier Schlüsselzeugen befragt werden, unter ihnen Trumps amtierender Stabschef Mick Mulvaney und der frühere nationale Sicherheitsberater John Bolton. Sie hatten die Aussage während der Impeachment-Untersuchung im Repräsentantenhaus verweigert. Schumer verlangt auch die Herausgabe von bisher zurückgehaltenen Dokumenten zur Ukraine-Affäre.

McConnell hat den Forderungen der Demokraten bereits eine Absage erteilt. Die Oppositionspartei hofft aber, für solche Verfahrensabstimmungen einige Republikaner auf ihre Seite ziehen zu können. Eine einfache Mehrheit wäre ausreichend.

Welche historische Dimension hat das Impeachment?

Trump ist der erst dritte Präsident der US-Geschichte nach Andrew Johnson 1868 und Bill Clinton 1998, gegen den ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet wurde. Richard Nixon war 1974 durch seinen Rücktritt einem Impeachment wegen des Watergate-Abhörskandals entgangen.

Was sind die politischen Folgen für Trump?

Impeachment hin oder her: Die meisten Republikaner und auch Trumps Kernwähler halten fest zum Präsidenten. Trumps Zustimmungswerte haben sich im Zuge der Ukraine-Affäre nicht nennenswert verändert. Und zuletzt waren wieder mehr Wähler gegen ein Impeachment als dafür.

Trump hat immer wieder erklärt, das Vorgehen der Demokraten werde ihm für die Wahl 2020 sogar nutzen, weil er so seine Partei und seine Anhänger besser mobilisieren könne. Das hatten auch führende Demokraten befürchtet und deswegen lange vor einem Impeachment zurückgeschreckt.