US-Ärzte behandeln Patienten per Internet:
Audio-Datei mit Husten als E-Mail-Anhang

Via "virtuellen Sprechstunden" Rezepte verschreiben Zahl der US-Hausärzte mit Online-Beratung gestiegen

Wenn Dr. Michelle Eads Hausbesuche macht, muss sie sich dafür nicht - wie das früher oft der Fall war - erst stundenlang ins Auto setzen. Die Ärztin aus Woodland Park im US-Bundesstaat Colorado wählt sich lediglich ins Internet ein und beantwortet die Anfragen ihrer Patienten online. "Wir suchen eigentlich immer nach neuen Wegen, bessere Resultate für unsere Patienten zu erzielen und eine zufriedene und kapitalstarke Praxis zu schaffen", zeigt sich Eads von der Idee überzeugt.

US-Ärzte behandeln Patienten per Internet:
Audio-Datei mit Husten als E-Mail-Anhang

Nach einer Studie der New Yorker Marktforschungsfirma "Manhattan Research" ist die Zahl der US-Hausärzte mit Online-Beratung seit 2003 von 19 auf 31 Prozent gestiegen. Ein Viertel der Mediziner, die den Service bisher nicht anbieten, wollen das innerhalb dieses Jahres den Angaben zufolge nachholen.

Flexible Zeiteinteilung
"Virtuelle Arztbesuche erfüllen das Bedürfnis vieler Patienten, dann behandelt zu werden, wann es ihnen passt - vom Büro aus oder von zu Hause. Sie müssen nicht stundenlang im Wartezimmer sitzen oder sich extra für den Arztbesuch freinehmen", berichtet Michelle Eads. Allerdings setzt sie die Beratung übers Internet nur bei Allerweltsleiden ein. "Meine Patienten kontaktieren mich beispielsweise wegen einer Harnwegentzündung, Halsschmerzen oder für Folgebehandlungen bei chronischen Krankheiten", sagt sie. Auch verschreibt sie Medikamente online, allerdings nur wenn sie den Kranken kennt und es um ein Folgerezept geht.

Leiden zum Anklicken
Für Patienten ist der Vorgang denkbar einfach: Auf Dr. Eads' Homepage finden sie einen Link, der auf die "Virtual Office Visits" (Virtuelle Sprechstunden) hinweist. Auf einer geschützten Seite soll der allgemeine Gesundheitszustand beschrieben werden. Aus einer Liste mit den häufigsten Beschwerden von Akne und Asthma über Depressionen, Grippe bis zu Schlafstörungen und Schwindelgefühlen kann der Patient dann sein Leiden anklicken. Wer will, kann etwa Bilder, Blutdruckprotokolle oder sogar eine Audiodatei mit dem eigenen Husten als E-Mail-Anhang mitschicken.

Spart Zeit und Geld
"Alle Beteiligten profitieren von Web-Visiten", erklärt Joe Mondy, Sprecher des US-Versicherers Cigna. "Patienten sparen Zeit und Geld, Unternehmen haben weniger Fehlstunden durch ihre Mitarbeiter und Ärzte haben eine höhere Produktivität im Praxisalltag." Und die Kosten sind deutlich geringer: Eine Internet-Sprechstunde kostet laut Mondy etwa 25 Dollar (16 Euro), wogegen ein traditioneller Praxisbesuch mit 65 bis 85 Dollar (41 bis 54 Euro) zu Buche schlägt.

Warnung vor übertriebener Hoffnung
Fundierten medizinischen Rat gibt es beispielsweise auch auf der Website des Medizinischen Zentrums der Universität von Maryland. Patienten können hier per E-Mail Fragen an mehr als 60 Experten stellen. Bis zu 10.000 Anfragen gehen jährlich ein, die der entsprechende Arzt dann möglichst innerhalb von 24 Stunden beantwortet, berichtet der Leiter für Web-Strategie am Medizinischen Zentrum, Edward Bennett. "Im Gegensatz zu virtuellen Hausarztbesuchen stellen wir aber lediglich Informationen zur Verfügung und behandeln die Patienten nicht über das Internet." Doch warnt er vor übertriebenen Hoffnungen. "Man kann über das Web keine Diagnosen erstellen. Dafür muss man den Patienten persönlich untersuchen."

Ergänzung zum normalen Arztbesuch
Doch haben virtuelle Sprechstunden auch nach Bennetts Meinung durchaus einen Platz in der Behandlungs-Landschaft. "Wenn ein Patient schon lange zum selben Arzt geht, dieser seine Krankengeschichte kennt und eine Beziehung zwischen beiden besteht, dann ist das eine sehr gute Ergänzung zur herkömmlichen Methode." Michelle Eads bestätigt: "Ich biete den Service nur meinen langjährigen Patienten an. Ich kenne ihre Umstände und kann deshalb entsprechend reagieren." Und wenn ihr eine Situation nicht geheuer erscheint, bitte sie den Kranken - wie früher - persönlich in ihre Praxis. (apa/red)