Gewählter Viktator

Warum Orban vor seiner dritten Amtszeit in Folge mächtiger denn je ist

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Ungarn-Wahl - Gewählter Viktator

Kurz vor Mitternacht traf der Sieger ein. Am Budapester Donauufer spielten sie “Listen to your heart”, die Fans stimmten “Viktor! Viktor!”-Choräle an. Und der betrat die Bühne, blickte um sich und sagte nur: “Wir haben gewonnen. Ungarn hat gewonnen.” Es ist ein Sieg der Superlative, von einem Ausmaß, wie es selbst Orbáns Parteistrategen nicht erwartet hätten. In den TV-Studios färbte sich die Karte Ungarns in Orange, der Farbe seines Bürgerbundes (Fidesz). Die Orbán-Kandidaten hatten, bis auf Budapest, in fast allen Einzelwahlkreisen gewonnen. Auf der nationalen Liste holte der Fidesz die Hälfte aller Stimmen. Gemeinsam bringt das, auch dank eines Orbán-optimierten Wahlrechts, die Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament zurück, welche er 2015 verloren hatte. Viktor Orbán steht vor seiner dritten Amtszeit in Folge und ist dabei mächtiger denn je.

Dabei hatte die Opposition Morgenluft gewittert. Geglaubt, Korruptionsvorwürfe könnten Orbán vom Thron stoßen. Gehofft, dass die hohe Wahlbeteiligung und die Schlangen vor den Wahllokalen ein Zeichen seien, dass die Mehrheit der Ungarn den zunehmend autoritär agierenden Orbán satt haben. Mitnichten. Es standen eben nicht nur die Gegner in der Hauptstadt Schlange, sondern auch seine Fans im ganzen Rest des Landes. Einer bis zuletzt zersplittert gebliebenen Opposition war es nicht einmal im Ansatz gelungen, sich als Alternative zu positionieren. In taktischen Wahlbündnissen ihrer Kandidaten hätte die einzige Chance bestanden, seinen Sieg zu schmälern. Aber selbst das scheiterte am Hochmut und der Inkompetenz der Orbán-Gegner. Die ohnedies schon marginalisierten Sozialisten verloren noch einmal mehr als die Hälfte ihrer Wähler und erhielten gerade noch zehn Prozent der Stimmen. Auch die rechtsextreme Jobbik, welche taktisch in die Mitte gerückt war, kam mit ihrer Kursänderung nicht von der Stelle.

Seinen Sieg verdankt Viktor Orbán einem einzigen Thema: der Migration. Kein anderer europäischer Politiker inszenierte sich dermaßen als Retter in der Flüchtlingskrise wie er. Seine Wahlkampagne glich einem einzigen Kreuzzug gegen die Zuwanderung. Orbán gab dabei den Bewahrer des Abendlandes, der Grenzen sichert, Zäune baut und sich damit gegen Brüssel wie Berlin stellt. Es war ein Anti-Ausländerwahlkampf ohne faktischem Vorhandensein von Ausländern. Eine Kampagne voller Furcht und Verschwörung. Angesprochen wurde nicht der Intellekt, sondern die pure Angst. Der Erfolg wird rechte Politiker in ganz Europa inspirieren, ihre eigene Rhetorik weiter zu verschärfen. Das System Orbán wird so zur Blaupause. Gerade am Land und in kleineren Städten brachte die Angstkampagne die besten Ergebnisse. Bedanken darf sich Orbán dafür auch bei all jenen, die weiter auf verpflichtenden EU-Verteilquoten für Flüchtlinge beharren. Gelingt es europaweit nicht, die Furcht vor den Folgen der Migrationskrise einzudämmen und praktische Lösungen zu schaffen, werden andernorts andere Orbáns Erfolge feiern.

Wohin das führt, zeigt sich in dieser Budapester Nacht. Faktisch ist Ungarn nun ein Ein-Parteien-Staat. Der absolute Zugriff Orbáns auf alle Institutionen hat sich manifestiert. Die von ihm ausgerufene “illiberale Demokratie” hat ihren Herrscher bestätigt. Die Zwei-Drittel-Mehrheit erlaubt ihm erneut, die Verfassung weiter seinen Bedürfnissen anzupassen. Schon vor der Wahl hat Orbán angekündigt, im Falle eines Sieges auch mit seinen Gegnern abzurechnen – “politisch, moralisch und juristisch.” Für Nichtregierungsorganisationen ist das eine ebenso beklemmende Nachricht wie für oppositionelle Journalisten und die Zivilgesellschaft. Europa muss sich fragen, wie es fortan mit Orbán umgehen will. Denn dessen Sendungsbewusstsein reicht weit über die Grenzen Ungarns hinaus. Der Versuch, Orbán nur zu dämonisieren, hat ihn in Ungarn bloß gestärkt. Er ist heute ein demokratisch legitimierter Viktator ohne Alternativen.