"Alle wollen von
Orban lernen"

"Orban ist großer Meister und das Symbol der Rechtsaußen-Kräfte", sagt der Politologe Peter Kreko.

von Ungarn - "Alle wollen von
Orban lernen" © Bild: ATTILA KISBENEDEK / AFP

Ungarn ist nach Ansicht des Politologen Peter Kreko mittlerweile kein liberale Demokratie mehr, sondern ist zu einem "hybriden Regime" geworden. Das sagte der geschäftsführende Direktor des Budapester Instituts Political Capital im Gespräch mit der APA in Wien.

Kreko analysierte dabei die Unterschiede zwischen dem System in Ungarn von Regierungschef Viktor Orban und jenem in Polen von Jaroslaw Kaczynski, Chef der Regierungspartei PiS. "Beide stehen für einen nationalen Populismus, der auf die Frustration der Peripherie baut."

»Das Ziel des Orban-Regimes ist die Maximierung der nepotistischen Korruption«

Doch es gebe auch wichtige Unterschiede: "Das Ziel des Orban-Regimes ist die Maximierung der nepotistischen Korruption", sagte Kreko mit Verweis auf das mit staatlichen Aufträgen und EU-Geldern aufgebaute Klientensystem von Freunden und Verwandten des Premiers. Dagegen sei Kaczynski "ein 'true believer'", ein "Ideologe, in gewisser Hinsicht ein Fanatiker", dessen Ziel die Umwandlung seines Landes und auch Europas sei. Für den "pragmatischen Politiker" Orban sei die Ideologie hingegen nur Mittel zum Zweck zur Erhaltung der Macht.

Außerdem sei die ungarische Führung - im Gegensatz zu jener Polens - "geschickt in der Diplomatie", gerade gegenüber der Europäischen Union, und wisse auch, "wo sie sich zurückziehen müssen". Die Polen "schließen sich hingegen stur in ihr Beleidigtsein ein". Kreko erinnerte etwa an die Entscheidung der Orban-Regierung, für den von Kaczynski bekämpften polnischen Ex-Regierungschef Donald Tusk als EU-Ratspräsidenten zu stimmen. "Das haben die Polen als Verrat an der ungarisch-polnischen Freundschaft empfunden."

»Orban ist das Modell der Region«

Der Experte erinnerte zudem an die internationale Strahlkraft des ungarischen Ministerpräsidenten: "Orban ist das Modell der Region, er gilt als 'der' erfolgreichste Politiker. (...) Alle wollen von ihm lernen." In Westeuropa wiederum sei er "der große Meister und das Symbol der Rechtsaußen-Kräfte". Kreko sieht es durchaus als möglich an, dass der ungarische Premier versuchen wird, in Zukunft auch international eine größere Rolle zu spielen. So würden Orbans Facebook-Videos praktisch alle auf Englisch untertitelt, erinnerte der Politologe.

Orbans wichtigster Verbündeter in Österreich

Kreko verwies in diesem Zusammenhang auf die Verantwortung der Europäischen Volkspartei (EVP) und ihre Haltung zu Orbans Fidesz-Partei, die trotz mancher interner Kritik, etwa vom ÖVP-Europaparlamentarier Othmar Karas, bis heute Mitglied der Partei ist. "Die EVP sollte in ihrem eigenen Interesse darüber nachdenken, wie viel Nutzen ihr Orban bringt." Der ungarische Regierungschef sei immerhin "der Held der Rechtsaußen-Kräfte", und nicht etwa der in der Volkspartei vertretenen Parteien: "Man muss nur schauen, wer ihm (zum Wahlerfolg am 8. April) als erstes gratuliert hat: Marine Le Pen (Rechtspopulistin aus Frankreich, Anm.), Geert Wilders (Rechtspopulist aus den Niederlanden, Anm.), die Lega Nord (rechtspopulistische Partei in Italien, Anm.)." Orbans Politik "hilft nicht den europäischen Mitte-Rechts-Kräften, sie hilft den europäischen rechtsextremen Kräften".

Das sehe man auch an Österreich: "Auch hier ist Orbans größter Verbündeter nicht etwa (Bundeskanzler) Sebastian Kurz (von der ÖVP), sondern (Vizekanzler) Heinz-Christian Strache (von der FPÖ)." Orban hoffe, dass sich das gesamte politische Spektrum Richtung extremer Rechter verschiebe, meint der Experte.

Er verwies in diesem Zusammenhang auch auf den niederländischen Extremismusforscher Cas Mudde, der mittlerweile meine, dass die ungarische Regierungspartei Fidesz eine "rechtsextreme Partei" geworden sei.

In diesem Zusammenhang analysierte der Experte auch die Entwicklung der größten ungarischen Oppositionspartei Jobbik, die sich in den vergangenen Jahren von einer radikal rechten zu einer konservativen Mitte-Partei ("Volkspartei") wandeln wollte. Diese Entwicklung sei zum Teil auch "Zwang" gewesen, da Fidesz vor allem ab der Zeit der Flüchtlingskrise 2015 das rechtsextreme Spektrum übernommen hatte. Nach dem heurigen Wahlergebnis, in der Jobbik keinen derartigen Erfolg eingefahren hat wie erwartet, ist allerdings innerparteilich eine Diskussion um die künftige Linie losgebrochen. "Ich erwarte eine Rückkehr zu einer etwas radikaleren Linie, aber auf keinen Fall so wie um 2009", als die Partei offen romafeindlich und antisemitisch auftrat, sagte Kreko. "Immerhin hat die Mitte-Strategie insofern funktioniert, als Jobbik sich stabilisieren konnte."

Die Rolle der Opposition

Zum Scheitern der ungarischen Opposition bei der Wahl am 8. April - wo Fidesz erneut eine Zwei-Drittel-Mehrheit erlangte - gab der Politologe teils den Parteien selbst, teils dem von Fidesz auf ihre Bedürfnisse umgeschneiderten Wahlsystem die Schuld. "Wir haben Berechnungen angestellt, dass von den 133 Mandaten (von Fidesz) sieben Mandate auf das Wahlsystem zurückzuführen sind." Wäre nach dem alten System gewählt worden, wäre sich also zwar eine absolute Mehrheit für die Regierungspartei ausgegangen, nicht jedoch die Zwei-Drittel-Mehrheit. Weiters spielten auch die staatlichen Institutionen eine fragwürdige Rolle: Der Rechnungshof sei nur gegen Oppositionsparteien vorgegangen, die Oberstaatsanwaltschaft untersuche Skandale rund um regierungsnahe Personen gar nicht.

Trotzdem seien die Oppositionsparteien nicht von einer Mitschuld für den Misserfolg bei der Wahl freizusprechen, meint Kreko: Sie seien "extrem fragmentiert", hätten sich nicht ausreichend koordiniert, hätten sich nicht um ihre Wähler gekümmert, schon gar nicht auf dem Land: "Sie haben sich in ihr Budapester Ghetto eingesperrt." Die Opposition sei zu sehr mit internen Querelen und "kleinlichen Spielereien" beschäftigt gewesen: "Es hat sich offenbar ihr Überlebensdrang nicht eingeschaltet."

Der Politologe hielt am Donnerstagabend im Bruno-Kreisky-Forum in Wien einen Vortrag zur Lage der extremen Rechten in Ungarn nach den Wahlen. Am Freitagnachmittag findet in Budapest eine von Political Capital mitorganisierte Konferenz über Populismus in Ungarn und Polen statt.

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