Protest gegen Handke-Nobelpreis

Demonstranten vor schwedischer Botschaft im Kosovo - weitere Demonstrationen geplant

In der Hauptstadt des Kosovo, Prishtina, hat es am Montag Proteste gegen die Verleihung des Literaturnobelpreises an Peter Handke gegeben. Laut einem Bericht des schwedischen Kultursenders "Kulturnytt" forderten die Demonstranten vor dem Gebäude der Schwedischen Botschaft die Rücknahme der Entscheidung. Es seien weitere Demonstrationen in Prishtina geplant, hieß es in der Sendung am Montag.

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Umstrittene Auszeichnung - Protest gegen Handke-Nobelpreis

Die Akademie für Wissenschaft und Künste des Kosovo (ASHAK) habe in einem offenen Brief an die Schwedische Akademie ebenfalls verlangt, den Preis zurückzunehmen. Man sei über die Vergabe des Nobelpreises für Literatur 2019 an Handke "enttäuscht" und "zutiefst entrüstet", zitierte "Kulturnytt" aus dem Schreiben.

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Vorwurf der Verharmlosung der serbischen Kriegsverbrechen

Peter Handke ist bis heute wegen seiner politischen Ansichten zum Bürgerkrieg in Ex-Jugoslawien (1991-1999) umstritten. In Serbien wurde er deshalb mit Ehrungen überhäuft. Kritiker werfen ihm dagegen eine Verharmlosung der serbischen Kriegsverbrechen vor, was Handke unter Hinweis auf eine differenzierte literarische Darstellung zurückwies.

1996 kam es nach der Veröffentlichung von Handkes Reisebericht "Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien" zu heftigen Kontroversen. Wegen der Haltung des Vatikans im Kosovokrieg trat Handke 1999 aus der Römisch-katholischen Kirche aus und zur Serbisch-orthodoxen Kirche über.

Umstrittene Auftritte

Zu den umstrittensten Auftritten des Schriftstellers zählte 2006 seine demonstrative Teilnahme am Begräbnis des serbischen Ex-Präsidenten Slobodan Milosevic, dem vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal der Prozess gemacht worden war. In seiner Ansprache gedachte Handke aber keines Politikers, dafür aber zahlreicher serbischer Schriftsteller und Künstler.

2009 wurde Handke bei einem alljährlichen Dichtertreffen in der serbischen Enklave Gracanica im Kosovo mit dem "Goldenen Kreuz des Fürsten Lazar" ausgezeichnet. Das Dichtertreffen findet anlässlich des Jahrestages der Schlacht von Amselfeld (1389) am 28. Juni statt. Handke ist der erste ausländische Autor, dem diese Auszeichnung verliehen wurde, er war aber bei der feierlichen Zeremonie nicht persönlich anwesend.

»...dennoch war die Vergabe des Nobelpreises an ihn eine unangenehme Überraschung«

Weitere Kritiker

Auch die liberale slowakische Tageszeitung "Dennik N" kritisiert die Vergabe des Literatur-Nobelpreises an Peter Handke: "Peter Handke ist ein großer Schriftsteller (...), dennoch war die Vergabe des Nobelpreises an ihn eine unangenehme Überraschung", heißt es in dem Kommentar am Dienstag.

Sprache kann Anzweifeln von Kriegsverbrechen "nicht überdecken"

"Handke ist nämlich als Unterstützer und Verteidiger der Kriegsverbrecher Slobodan Milosevic und Radovan Karadzic bekannt (...). Sein sprachlicher Erfindungsgeist, die Perfektion seines Satzbaus und seine ausdrucksvollen Formulierungen können nicht das Verharmlosen und Anzweifeln eindeutig bewiesener Kriegsverbrechen überdecken. Literarische Qualitäten sind die eine Sache und gesellschaftspolitische Haltungen die andere.

»Der Nobelpreis berührt nicht nur Bücherexperten, sondern die ganze Gesellschaft.«

Wenn wir nur von Literaturwissenschaft sprechen, ist ein rein auf den Text bezogener Blick angebracht. Aber der Nobelpreis berührt nicht nur Bücherexperten, sondern die ganze Gesellschaft. (...) Handke hat nicht nur eine finanzielle Belohnung und Anerkennung für die Qualität seiner Prosa bekommen. Mit dem Nobelpreis hängen auch Dutzende Vorträge und Konferenzen auf der ganzen Welt zusammen, bei denen er seine Meinungen propagieren kann. (...)

Dass das Nobel-Komitee unter Hunderten Autoren, die sich den Preis verdient hätten, einen Menschen wählte, der historische Fakten verdreht und Verbrecher verteidigt, ist zumindest unehrenhaft gegenüber den unschuldigen Opfern und ihren Nachkommen in Bosnien, aber auch kurzsichtig und unverständlich angesichts der gegenwärtigen internationalen Lage."

Handke besucht Heimatort Griffen

Peter Handke selbst wird am morgigen Mittwoch in seinem Heimatort Griffen im Bezirk Völkermarkt erwartet. Der 76-Jährige hatte diesen Heimatbesuch schon seit längerer Zeit geplant, betonte Griffens Bürgermeister Josef Müller am Dienstag gegenüber der APA. Angesichts der Entwicklung werde es auch einen medienöffentlichen Termin geben.

Am Mittwoch um 17.30 Uhr wird Handke im Gemeindeamt von Griffen Medienvertreter empfangen, und zwar unter dem Motto "Kurze Begegnung mit Peter Handke". Dabei werde es auch die Möglichkeit geben, Handke Fragen zu stellen, sagte Müller. Wie lange der Schriftsteller in Griffen bleiben wird, wusste der Bürgermeister nicht zu sagen, zumal Handke seine Pläne oft spontan ändere. Er hat auch angekündigt, eine Vorstellung seines Stücks "Die Stunde da wir nichts voneinander wußten" am Stadttheater Klagenfurt besuchen zu wollen. Die nächste Vorstellung findet am Donnerstag statt, bis Dienstag zu Mittag war beim Theater noch nicht bekannt, ob er kommen will. Man würde sich aber über einen Besuch außerordentlich freuen, hieß es.