"Nicht so verstörend"

Österreich-Premiere für "Paradies: Liebe"- der Film startet Freitag in den Kinos

Es tummelte sich im Wiener Gartenbau Kino: Politiker, Promis und Vertreter der Filmszene kamen am Dienstagabend, um die Österreich-Premiere des Auftakts von Ulrich Seidls „Paradies“-Trilogie zu feiern. „Paradies: Liebe“ begleitet Frauen mittleren Alterns nach Kenia, wo sie als „Sugar Mamas“ junge Kenianer für Sex und Zuwendungen bezahlen. „Der Film ist ja bewusst so gemacht und beschäftigt sich mit einem Tabuthema. Das macht es interessant, deswegen kommt das Publikum und deswegen ist der Film erfolgreich“, erklärte der Regisseur im Gespräch mit der APA.

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Ulrich Seidl - "Nicht so verstörend"

Von möglichen Schockmomenten für das Publikum zeigte sich Seidl jedoch unbeeindruckt: „Ich fürchte mich vor gar nichts und schon gar nicht vor Publikumsreaktionen.“ Dafür sprach auch die bereits gelungene Premiere des Films in Cannes: „Es ist immer anders, wenn eine Filmpremiere vor heimischem Publikum stattfindet. Das ist aufregender und ich bin nervöser“, gab Seidl zu, der unlängst seinen 60. Geburtstag feierte. „Der 60er hat mich sehr bedroht, schon seit Längerem und ich bin froh, dass er vorbei ist.“

Margarethe Tiesel beim Europäischen Filmpreis

Hauptdarstellerin Margarethe Tiesel fürchtete weniger die Premiere – „Jetzt hab ich es schon gemacht. Jetzt kann ich nicht mehr zurück.“ - als ihren Auftritt am kommenden Wochenende beim Europäischen Filmpreis in Malta, wo sie als beste Hauptdarstellerin nominiert ist. Für den Fall der Fälle müsse sie sich jetzt, neben der dringend anstehenden Kleiderfrage, langsam ein paar Worte überlegen: „Das ist ein Unterschied: Improvisieren beim Seidl oder da oben stehen und etwas sagen – das ist ganz etwas Anderes. Und Kate Winslet neben mir.“

"Ich muss mich nicht verbiegen"

Die Arbeit mit dem Regisseur Seidl, der dafür bekannt ist, ohne vorgeschriebene Texte zu arbeiten, sondern nur grobe Handlungsanweisungen zu geben, beschrieb Tiesel als neue, aber gute Erfahrung. „Das gibt einem auch sehr viel Freiheit, ich muss mich da nicht verbiegen, sondern kann mich selbst und meine Persönlichkeit einsetzen. Das ist natürlich auch eine große Verantwortung.“ Und ja, auch die Frage, wie die Zusammenarbeit denn so gelaufen sei, beantworte sie gerne noch einmal: „Das wollen alle wissen. Ich sage immer: Es war wirklich die spannendste und aufregendste und härteste Arbeit meines Lebens. Da muss man schon über Grenzen gehen.“

Darstellerin Inge Maux

An diese Grenzen ist auch Inge Maux, ebenfalls eine der Darstellerinnen, immer wieder gestoßen. „Ich habe viel gelernt und es war einfach unglaublich, dass man so eine Chance und so eine Möglichkeit bekommt. Er war so ein strenger Meister. Aber man sieht, wohin es uns bringt.“Ein bisschen mulmig sei ihr angesichts der Premiere in Österreich schon zumute, die Familie habe sie auf jeden Fall zuhause gelassen: „Meiner Mutter hab ich gar nicht verraten, worum es da geht. Sie freut sich aber riesig und will sich den Film unbedingt ansehen. Und mein Mann, ich glaube, das gebe eine Scheidung. Der bleibt aus Selbstschutzgründen zuhause.“

Schmidinger liebt Seidl-Filme

Die anwesenden Gäste zeigten sich gespannt: „Ich mag seine Gnadenlosigkeit, ich liebe seine Filme“, erklärte Schauspielerin Dolores Schmidinger. „Man muss zwar dreimal durchatmen, aber dann ist es großartig.“

Einleitung von Stermann & Grissemann

Die Einleitung zum Film kam von dem Satiriker-Duo Dirk Stermann und Christoph Grissemann, das deshalb bereits vorab einen Blick auf den Film werfen durfte. „Großartig. Ich finde ihn aber nicht so verstörend wie die Seidls, die ich bis jetzt kenne. Vielleicht liegt das daran, dass der Himmel so blau ist. Ich finde ihn traurig und arg und irgendwie ungewöhnlich und natürlich total gut“, fasste Stermann seine Eindrücke im Gespräch mit der APA zusammen. Besonders beeindruckend sei die „unglaubliche Vielfalt an argen Bildern – das sind ja mehr Fotos, die sich bewegen – und dieses Staunen, was es so gibt und wie die Welt so sein kann.“

Auszeichnung bei der Biennale Venedig

Der zweite Teil der Trilogie „Paradies: Glaube“ hatte bereits bei der Biennale Venedig Premiere gefeiert, wo er den Spezialpreis der Jury erhielt, „Paradies: Liebe“ wurde zuerst beim Filmfestival in Cannes gezeigt. Den dritten Teil „Paradies: Hoffnung“ wird Seidl nun mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bei der Berlinale vorstellen. „Darauf bin ich schon sehr stolz, weil das ist vorher noch niemandem gelungen“, so der Regisseur. In Berlin werde dann auch das erste Triple-Feature stattfinden: „Ich glaube, dass es wirklich ganz etwas Besonderes sein wird, alle drei Filme hintereinander in einem Block zu sehen. Dadurch entstehen noch einmal ganz andere Assoziationen und darauf warte ich mit Spannung.“

Viennale-Eklat

Doch bei aller Liebe zu Filmfestivals, die Viennale beehrte er dieses Jahr nach dem Eklat um den Rückzug seiner Filme mit keinem Besuch. „Ich hatte viel zu tun, und es war mir auch ein bisschen vergiftet. Ich habe keine besondere Lust gehabt, auf die Viennale zu gehen“, erklärte Seidl. Für die nächsten Wochen und Monate stehe nicht nur die Präsentation der Trilogie auf dem Programm, sondern auch die Arbeit an seinem Film über die Beziehung der Österreicher zu ihren Kellern. „Ich plane fest, 2013 damit fertig zu werden“, so der Regisseur. „Paradies: Liebe“ ist ab Freitag regulär in österreichischen Kinos zu sehen.

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