Krim-Referendum: 96 Prozent stimmen für Russland-Beitritt

EU und USA drohen mit Sanktionen, Ukraine mobilisiert Armee

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Krim-Parlament stellt Antrag zu Aufnahme in Russische Föderation

Unmittelbar nach dem Referendum hat das Regionalparlament in Simferopol auch den Weg für einen Beitritt der ukrainischen Halbinsel zur Russischen Föderation frei gemacht. Die 85 Abgeordneten votierten am Montagmorgen einstimmig für die Unabhängigkeit der Krim und eine Eingliederung in das Nachbarland. Der Präsident des Krim-Parlaments, Wladimir Konstantinow, teilte mit, die ukrainischen Militäreinheiten in der Krim-Region würden aufgelöst.

Turtschinow: Große Farce

Der ukrainische Übergangspräsident Alexander Turtschinow hat das Referendum über einen Beitritt der Krim zu Russland als "große Farce" bezeichnet. Moskau versuche dadurch seine "anhaltende Aggression auf der Krim" zu verschleiern, sagte Turtschinow am Montag im Parlament in Kiew.

Ukraine stimmt für Teilmobilisierung der Truppen

Das Parlament der Ukraine hat zudem ein Präsidenten-Dekret gebilligt, das eine Teilmobilisierung der Streitkräfte einschließlich der Mobilisierung von 40.000 Reservisten vorsieht. Davon sollen 20.000 in die Streitkräfte eingebunden werden und 20.000 in eine neu gebildete Nationalgarde.

Die Abgeordneten begründeten ihre Entscheidung mit der "Einmischung Russlands in die inneren Angelegenheiten der Ukraine". 275 Mandatare stimmten für die Teilmobilmachung, 33 nahmen an der Abstimmung nicht teil. Es gab keine Gegenstimme.

Obama droht mit Sanktionen

US-Präsident Barack Obama drohte mit neuen Sanktionen. Moskau müsse mit "zusätzlichen Kosten" wegen der Krim rechnen, sagte Obama nach Angaben des Weißen Hauses in einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Abend. Das Referendum verstoße gegen die ukrainische Verfassung. Obama habe Putin auch gesagt, dass die Krise nach wie vor diplomatisch gelöst werden könne. Das russische Militär müsse aber erst damit aufhören, in die Ukraine "einzufallen".

Für Putin Referendum legitim

Putin selbst bezeichnete nach Angaben des Kreml das Vorgehen Russlands in dem Telefonat mit Obama als legitim. Die Volksabstimmen stehe in "voller Übereinstimmung mit den Normen des Völkerrechts", so der Kremlchef. Zu der Forderung westlicher Staaten, die aktuellen Entwicklungen müssten von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) beobachtet werden, sagte Putin, eine solche Mission müsse sich auf "alle ukrainischen Regionen" erstrecken.

Baldige Aufnahme

Russland will nun die Republik rasch in die Föderation aufnehmen. Die Staatsduma in Moskau schaffe dafür jetzt die rechtlichen Voraussetzungen, sagte Vizeparlamentschef Sergej Newerow am Montag der Agentur Interfax. "Die Menschen haben für die Wiedervereinigung mit einem Volk gestimmt, mit dem sie immer gelebt haben", sagte Newerow.

Aksjonow spricht von historischer Entscheidung

Nach der Abstimmung sprach der pro-russische Krim-Regierungschef Sergej Aksjonow sprach von einer historischen Entscheidung. Sie werde "in die Geschichte eingehen", schrieb er auf Twitter. Schon am Montag soll bei einer Sondersitzung des Regionalparlaments in Simferopol der Antrag auf eine Aufnahme in die Russische Föderation beschlossen werden.

Mehr als 80 Prozent Beteiligung

An der Abstimmung beteiligten sich nach Angaben der Behörden mehr als 80 Prozent der 1,5 Millionen Wahlberechtigten. Da 63 Prozent der Krim-Bewohner russische Wurzeln haben, andere Bevölkerungsgruppen zum Boykott aufgerufen hatten und das russische Militär die Halbinsel faktisch längst kontrolliert, war schon im Vorfeld mit einer klaren Mehrheit für den Beitritt zu Russland gerechnet worden.

"Wir kehren nach Hause zurück"

In Simferopol und Sewastopol feierten am Abend tausende Menschen auf den Straßen. "Die Krim geht nach Russland", rief Aksjonow der Menge auf dem Lenin-Platz in Simferopol zu. "Wir kehren nach Hause zurück", fügte er hinzu, bevor er zusammen mit einem Chor in den Uniformen der russischen Schwarzmeerflotte und den Menschen auf dem Platz die russische Nationalhymne anstimmte.

Brüssel bereitet Sanktionen vor

Die EU dürfte am Montag beim Außenministerrat, an dem auch Minister Sebastian Kurz (ÖVP) teilnimmt, weitere Sanktionen gegen Russland beschließen. In Brüssel kamen schon am Sonntagabend die Botschafter der 28 EU-Mitgliedsländer zusammen, um für Montag "gezielte" Sanktionsbeschlüsse vorzubereiten. Geplant sind Einreiseverbote und Kontosperrungen gegen verantwortliche Politiker in Russland und auf der Krim. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso erklärten, die Volksabstimmung sei "illegal", sie widerspreche der ukrainischen Verfassung und dem "internationalen Recht".

Kurz erwartet Sanktionen gegen Einzelpersonen

Kurz hat am Montag erneut erklärt, dass die EU das Krim-Referendum nicht akzeptieren könne und konkrete Sanktionen in Aussicht gestellt. Er erwarte, dass heute Sanktionen gegen russische "Einzelpersonen" aus dem "politischen und militärischen" Bereich erlassen werden, sagte Kurz im Interview mit dem Ö1-Morgenjournal.

Wen die Sanktionen konkret treffen würden, sei noch Gegenstand der Verhandlungen zwischen den Außenministern, fügte Kurz hinzu. Klar sei jedoch, dass vorerst keine Wirtschaftssanktionen, sondern lediglich Kontosperren und Einreiseverbote erlassen würden. Auch hohe russische Wirtschaftsbosse, wie etwa der Gazprom-Chef würden wohl nicht betroffen sein.

Keine Angst vor Gegensanktionen

Von Gegensanktionen, die auch Österreich und die EU treffen würden, gehe er gegenwärtig nicht aus, sagte der Außenminister. Diese würden erst für den Fall von Wirtschaftssanktionen ins Spiel geraten, die sich die EU weiterhin für den Fall vorbehält, sollte Russland seinen Annexionskurs in der Ostukraine fortsetzen. Vorerst ortet der Außenminister aber "leichte positive Signale" von russischer Seite. So habe sich der russische Präsident Wladimir Putin in einem Telefonat mit US-Präsident Obama offenbar "gegen eine weitere Eskalation" in der Ukraine ausgesprochen.

Auch für Ashton illegal

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hat die Abstimmung ebenfalls als illegal bezeichnet und Russland zum Dialog mit der Ukraine aufgerufen. "Es ist gemäß der ukrainischen Verfassung und gemäß internationalem Recht illegal", sagte Ashton unmittelbar vor Beginn eines Treffens der EU-Außenminister am Montag in Brüssel. "Ich fordere Russland noch einmal auf, mit der ukrainischen Führung einen Dialog zu beginnen und zu einer Deeskalation zu kommen."

Zu EU-Sanktionen gegen Russland sagte Ashton, es habe "eine gute Diskussion" zwischen den EU-Botschaftern über solche Maßnahmen gegeben. "Aber jetzt brauche ich die Außenminister, um das zu beschließen. Wir können einfach nicht erlauben, dass so etwas geschieht." Ashton sagte, die EU wolle "das stärkstmögliche Signal an Russland schicken": "Und das Signal ist, dass wir sicherstellen wollen, dass sie (die Russen) den Ernst der Lage erkennen."

Steinmeier: Wo soll das ein Ende finden?

Auch der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat das Referendum neuerlich scharf kritisiert. "Die Einverleibung in russisches Staatsgebiet würde einen Verstoß gegen das Völkerrecht darstellen und politisch kann ich überhaupt nicht verstehen, dass wir sieben Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg anfangen, die Grenzen in Europa zu korrigieren.

"Wo soll das ein Ende finden? Deshalb kann das Ganze nicht ohne Antwort bleiben". Die EU habe "nicht die Konfrontation gesucht, im Gegenteil. In den letzten Tagen haben wir immer wieder Vorschläge gemacht, wie man aus dieser Eskalation, die wir alle spüren, auch die bedrohliche Situation, wie man aus der Spirale herauskommt". Diese Vorschläge seien aber nicht erhört worden. "Deshalb wird es heute nicht nur eine Meinungskundgebung der europäischen Außenminister geben, sondern selbstverständlich auch eine Reaktion", so Steinmeier.

Hague droht mit Kontensperrungen und Reisebeschränkungen

Auch der britische Außenminister William Hague hat nach der Zuspitzung der Krise auf der Krim Russland mit weitergehenden Sanktionen gedroht. "Wir schlagen weitergehende Schritte vor", mit Kontensperren und Reisebeschränkungen". Jedenfalls werde weder Großbritannien noch die EU das Referendum auf der Krim anerkennen, sagte Hague am Montag vor Beginn des EU-Außenministerrats in Brüssel.

Ukraine: Moskaus Invasinonspläne

Der ukrainische Übergangspräsident Alexander Turtschinow warf Moskau Invasionspläne vor. "Das Ergebnis ist vom Kreml geplant worden, um als formelle Rechtfertigung für die Entsendung von Truppen und den Beginn eines Krieges zu dienen", erklärte er. Oppositionspolitiker Vitali Klitschko forderte eine entschiedene Reaktion: "Das, was die russische Regierung mithilfe von Separatisten und einem rechtswidrigen Referendum hier durchgeführt hat, ist ein klarer Bruch des Völkerrechts", so Klitschko in einem Gastbeitrag für die "Bild"-Zeitung (Montagausgabe). Den 16. März bezeichnete er als "dunklen Tag in der Geschichte Russlands".

China enthält sich der Stimme

China wollte sich nicht zur Rechtmäßigkeit der Volksabstimmung äußern. Vizeaußenminister Li Baodong wich am Montag in Peking auf einer Pressekonferenz zum bevorstehenden Besuch von Staats- und Parteichef Xi Jinping in Europa zweimal der Frage aus, ob China die Legalität des Referendums und sein Ergebnis anerkenne. "Wir hoffen, dass alle Seiten einen kühlen Kopf bewahren und eine politische Lösung suchen", sagte Li Baodong auch auf Nachfrage lediglich. Eine weitere Eskalation müsse vermieden werden. "Dialog ist der einzige Ausweg."

Weitere Aktionen Moskaus nicht ausgeschlossen

Der russische Botschafter in Wien, Sergej Netschajew, schloss indes in der Diskussionssendung "Im Zentrum" des ORF-Fernsehens am Sonntagabend weitere Aktionen Moskaus in der Ukraine nicht aus. Auf eine entsprechende Frage von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz meinte Netschajew: "Ich kann weder nein noch ja antworten". "Wir wollen überhaupt keinen Krieg führen, das ukrainische Volk ist ein Brudervolk, aber wir können nicht den Schrei um Hilfe aus den Regionen ignorieren", betonte er. Dass es russischen Drohgebärden gegeben habe, stellte der Botschafter in Abrede. Das Referendum sei jedenfalls frei und fair gewesen, bis jetzt hätten keine "Unebenheiten" festgestellt werden können. Schulz und die ehemalige ÖVP-Außenministerin Ursula Plassnik kritisierten den massiven Völkerrechtsbruch, den Russland mit der Durchführung der Abstimmung begangen habe.

Kommentare

Ivoir

Eigentlich war es eine EU- Abstimmung. Ukraine ist Pro-EU eingestellt.
Das die Menschen lieber in einem Land mit nur einem Diktator bleiben wollen ist daher verständlich.

Kann mir einer erklären: Wenn sogar 96,6% der Bevölkerung zu Russland gehören will, warum die Western dagegen ist.

Erst kürzlich sprach sich Bundeskanzlerin Merkel gegen Sanktionen über Israel aus, obwohl Israel noch nie die die Einwohner der besetzten Gebiete abstimmen ließ und israel tagtäglich Menschen um Grund und Boden und Existenz bringt durch die Sieldungspolitik, und somit schwere Verbrechen gegen die 4. Genfer Konvention begeht. Wo bleibt jetzt die Fürsprache von Frau Merkel , die Netanjahu so herzich zu küssen pflegt, wegen der Abträglichkeit von Sanktionen?

Wenn Südtirol zu Österreich möchte, wären alle zufrieden ( außer die Italiener), doch wenn die Bevölkerung der Halbinsel Krim zu Russland möchte drohen die Amerikaner (warum wohl) und die EU zieht mit.

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Beim Kosovo war es gut, in der Krim ist es böse. Das ist eindeutig das Doppeldenk aus Orwell 1984, wessen sich der sogenannte "freie Westen" da bedient.

clsc melden

Kosovo wurde von keiner großmacht einverleibt und die krim von keinem ukrainischen soldaten bedroht oder unterdrückt. die krim ist autonom! wo ist das politische problem, dass die krim nicht bei der ukraine bleiben könne? wohl nur russische großmachtfantasien.

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