May: "Lasst uns mit
der Arbeit beginnen"

Premierministerin erhält von Queen Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung

Die konservative Partei von Premierministerin Theresa May hat bei der britischen Unterhauswahl am Donnerstag ihre bisherige knappe absolute Mehrheit verloren. May wird trotz der Wahlschlappe bei der Parlamentswahl nicht zurücktreten. "Ich werde jetzt eine Regierung bilden, eine Regierung, die Sicherheit bietet und Großbritannien in dieser für unser Land schwierigen Zeit nach vorne führt", sagte May bei ihrer Rede vor der Presse am Freitagnachmittag.

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UK-Wahl - May: "Lasst uns mit
der Arbeit beginnen"

May ist am Freitag vom Regierungssitz in der Downing Street zum Buckingham-Palast gefahren, um mit der Queen über die Bildung einer neuen Regierung zu sprechen. Die konservative Regierungschefin holte sich von Elizabeth II. formell die Erlaubnis und den Auftrag ab, nach der vorgezogenen Parlamentswahl eine neue Regierung zu bilden.

May betonte, dass die neue Regierung Großbritannien durch die in 10 Tagen startenden Brexit-Verhandlungen führen wird. Das Datum 19. Juni hatte Brüssel vorgeschlagen. Man werde sich jetzt auf einen Brexit-Deal konzentrieren, der eine "neue Partnerschaft" mit der EU sicherstelle. "Wir werden weiterhin mit unseren Freunden und Partnern, besonders in der DUP, zusammenarbeiten", sagte May bei einer Ansprache vor dem Regierungssitz Downing Street. Eine Koalition mit der nordirischen konservativen Partei DUP ist aber eher unwahrscheinlich, offen ließt May wie genau die Zusammenarbeit sich gestalten wird.

In der kurzen Rede an der Seite ihres Mannes Philip kündigte sie erneut einen entschlossenen Kampf gegen islamistischen Extremismus an. Großbritannien war in den vergangenen Wochen von drei Terroranschlägen erschüttert worden. Die Premierministerin beendete ihr Statement mit den Worten: "Now let's get to work".

Die nordirische Partei will die Verhandlungen mit den britischen Konservativen nicht überstürzen. "Ich denke, es wird sicher Kontakt über das Wochenende geben, aber ich denke, es ist zu früh, um darüber zu sprechen, was wir tun werden", sagte Parteichefin Arlene Foster am Freitag.

Wahlergebnis

Mays Tories kamen nach Auszählung fast aller Wahlkreise auf 318 Mandate, zwölf weniger als bisher. Als möglicher Partner für May kam die nordirische protestantische Democratic Unionist Party (DUP) infrage, die bei zehn Sitzen lag. Die oppositionelle Labour Party gewann 29 Sitze hinzu und kam auf 261 Sitze.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat indes das Wahlergebnis in Großbritannien als "Ohrfeige" für May gewertet. Sie habe das Gegenteil - eine Stärkung - erreichen wollen, aber die Wähler seien ihr nicht gefolgt, sagte Van der Bellen am Freitag am Rande eines Pressegesprächs in St. Pölten. Zu den Auswirkungen auf die Brexit-Gespräche meinte der Bundespräsident: "Tendenziell würde ich sagen, die Verhandlungen werden nicht leichter, sondern schwieriger als sie ohnehin schon sind." Das hänge unter anderem aber auch davon ab, ob May Premierministerin bleibe und mit wem ihre Konservativen koalieren.

Knappes Rennen in letztem Wahlkreis Kensington

Es wird knapp in Kensington: Der Londoner Wahlkreis war am Freitag der letzte, der sein Ergebnis bei der Parlamentswahl noch nicht vorgelegt hatte. Am Vormittag stellten die Helfer das Zählen dort ohne Ergebnis vorerst ein, um "so bald wie möglich" ausgeruht und erholt weiter zu machen, teilte der zuständige Beamte mit.

Zweimal hätten sie schon alle Stimmen durchgezählt - aber weil es so knapp gewesen sei, soll es in der bisherigen konservativen Hochburg noch eine dritte Runde geben. Offen war, ob die Helfer am Freitag schon fit genug zum Weiterzählen sein würden, oder ob es möglicherweise erst am Samstag ein Ergebnis geben könnte.

Im Jahr 2015 hatten die Konservativen den Wahlkreis mit 21 Prozentpunkten Vorsprung auf die oppositionelle Labour Party geholt. An den Mehrheitsverhältnissen im Parlament ändert das Kensingtoner Ergebnis nichts mehr. Selbst bei einem Gewinn des Wahlkreises würden Mays Konservative sieben Sitze auf die absolute Mehrheit im Unterhaus fehlen.

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Rücktrittsforderungen

May hatte die vorgezogene Wahl mit dem Ziel ausgerufen, die Regierungsmehrheit ihrer Partei im Unterhaus zu vergrößern und sich mehr Rückhalt für die Verhandlungen über den EU-Austritt zu schaffen. Ihr Herausforderer Jeremy Corbyn, dessen oppositionelle Labour-Partei stark zulegen konnte, forderte die Regierungschefin noch in der Nacht zum Rücktritt auf. Sie habe Stimmen, Sitze und Vertrauen verloren, sagte er. Das sei genug, um "zu gehen und Platz zu machen für eine Regierung, die wirklich alle Menschen dieses Landes repräsentiert." Die Labour-Partei hat außerdem verkündet, die Regierung stellen zu wollen. "Wir sind bereit, diesem Land zu dienen", sagte Corbyn. Eine eigene Mehrheit haben die britischen Sozialdemokraten nicht. Koalitionen mit anderen Parteien lehnen sie ab.

May erklärte hingegen, Großbritannien brauche "eine Phase der Stabilität". Sollten sich die Prognosen bestätigten, sei es Aufgabe der Tories, "sicherzustellen, dass wir diese Phase der Stabilität haben".

Auch Brexit-Befürworter und britische Politiker Nigel Farage hat sich für einen Rücktritt von May ausgesprochen. Sie habe den Test nicht bestanden und müsse nun abdanken.

Der Vorsitzenden der deutsch-britischen Parlamentariergruppe im deutschen Bundestag, Stephan Mayer, spricht im Interview mit "NDR Info" von einem Erdrutsch. "Das bedeutet für Großbritannien eine Zeit der Instabilität, weil sich keine klare Regierung herausbilden wird", sagte er. Für ihn läuft nach einer "derart desaströsen Niederlage" alles auf einen Rücktritt von May hinaus: "Ich kann mir schwer vorstellen, dass sich May über lange Zeit hinweg als Parteivorsitzende der Konservativen und als Premierministerin halten können wird."

Wie es jetzt weitergeht

Premierministerin Theresa May (oder auch ein möglicher Nachfolger an der Spitze der Konservativen) muss für ihre Partei eine Mehrheit organisieren. Entweder über eine formale Koalition oder über einen "Deal" mit anderen Parteien, etwa der nordirischen DUP, die eine konservativ geführte Minderheitsregierung unterstützen würden.

Die Zusammenarbeit von Tories und DUP gilt aktuell als wahrscheinlichste Option. Rein rechnerisch braucht eine Regierung mindestens 326 der 650 Sitze im Parlament. In der Praxis sieht das aber anders aus. Die nordirisch-republikanische Sinn Fein hat sieben Sitze gewonnen, schickt jedoch traditionell keine Abgeordneten nach London. Also reichen schon weniger Mandate als die genaue Hälfte der Sitze für eine "Arbeits-Mehrheit" aus. Eine Möglichkeit wäre auch, für jede Abstimmung einzeln eine Mehrheit zu organisieren.

Wenn May keine Chance auf eine Regierung unter ihrer Führung sieht, geht sie zu Königin Elizabeth II. und reicht dort ihren Rücktritt ein. In diesem Fall dürfte die Queen Oppositionsführer Jeremy Corbyn auffordern, mit seiner Labour Party eine Regierungsbildung zu versuchen und ein Regierungsprogramm zu zimmern.

Welche Rolle spielt die Queen?

Die Queen mischt sich in all das übrigens nicht ein, sie ist politisch neutral. Egal, von wem es am Ende kommt: Das Regierungsprogramm liest die Königin als Staatsoberhaupt in der sogenannten Queen's Speech vor. Geplant ist das bisher für den 19. Juni. Es folgt eine rund fünf Tage dauernde Debatte darüber im Unterhaus. Dann wird abgestimmt - hierbei handelt es sich de facto um eine Vertrauenserklärung für die neue Regierung, also die Nagelprobe.

"Das ist eine Katastrophe für Theresa May"

"Das ist eine Katastrophe für Theresa May. Ihre Führung würde infrage gestellt werden und sie könnte zum Rücktritt gedrängt werden", sagte der Politikprofessor Iain Begg von Hochschule London School of Economics. Sein Kollege Tony Travers erklärte: "Das ist genau das Gegenteil dessen, was sie mit der Wahl erreichen wollte." Die Politologin Paula Surridge von der Bristol University sieht May ebenfalls geschwächt. Ein Rücktritt sei nicht auszuschließen.

Als May im April die Neuwahl ausgerufen hatte, galt noch ein überragender Sieg mit einem Zugewinn von 100 Sitzen für die Tories als wahrscheinlich. Fehler im Wahlkampf und die Sicherheitsdebatte nach den Terroranschlägen in London und Manchester hatten die Premierministerin aber in Bedrängnis gebracht.

Termin für Brexit-Gespräche wackelt

Nach dem unklaren Ausgang der britischen Unterhauswahl wackelt nach Einschätzung der EU-Kommission der Termin für den Start der Brexit-Gespräche. Es sei nicht sicher, ob die Gespräche wie geplant am 19. Juni beginnen können, sagte der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger am Freitag dem Deutschlandfunk. Der deutsche Christdemokrat erwartet nach der Wahl mehr Unsicherheit bei den Brexit-Verhandlungen. Bei einem schwachen britischen Verhandlungspartner bestehe das Risiko eines schlechten Ergebnisses, warnte Oettinger.

Experten schlagen in eine ähnliche Kerbe. BBC-Wirtschaftsjournalist Kamal Ahmed prophezeit auf Twitter, dass die Chancen für ein Scheitern eines Brexit-Deals nun wesentlich höher sind.

Auch der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok sagte, er befürchte negative Auswirkungen auf die Brexit-Verhandlungen. "Dieses Ergebnis bedeutet, dass überhaupt keiner Kompromisse machen kann", sagte Brok in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner". "Das wird für die Brexit-Verhandlungen sehr große Erschwernisse mitbringen." Dagegen sieht der ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas die Verhandlungsposition der britischen Regierung "natürlich" geschwächt. Das Ergebnis sei eine "Strafe für Mays Brexit-Lügenpolitik", teilte Karas in einer Aussendung mit.

Kommentare

wirtschaftliche ... erg: Nachteile

Die Nordirland - Partei scheint mir nicht als tragfähige Partnerin geeignet. Nordirland muss, wenn GB die EU verlässt, wirtschaftliche befürchten (EU-Grenze heißt: Zoll, außer GB kann das wegverhandeln; EU-Ausland heißt: keine Strukturförderung für das strukturschwache Nordirland). Es gibt zu viele Gegensätze zur Linie der Tories. Fehlende Einheit bedeutet Stillstand - siehe andere Länder.

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