Überfall vorgetäuscht: Schuldspruch für Arzt in NÖ

Zehn Monate Freiheitsstrafe bedingt auf drei Jahre - Urteil nicht rechtskräftig

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Laut Anklage hatte der Mediziner bei der Polizei behauptet, am 30. Jänner nach einem eingegangenen Notruf auf dem Weg zu dem Patienten von zwei Mopedfahrern angehalten und eines als Medikament mitgenommenen Suchtmittels beraubt worden zu sein. Demnach hätte ihn laut dem Telefonat ein Mopedfahrer zu der angegebenen Adresse lotsen wollen. Dann sei er zum Stehenbleiben gezwungen worden, eine weiteres Moped oder Motorrad habe sich hinter sein Auto gestellt. Dessen Lenker sei zur Fahrertür gekommen und habe die Herausgabe des morphinhaltigen Schmerzmittels gefordert. Aufgrund der Bedrohlichkeit der Situation habe er dem Räuber eine Schachtel Vendal 200 mg Ampullen 5 x 10 ml und 260 Euro ausgehändigt. Im Zuge der Ermittlungen stellte sich anhand der Rufdatenerfassung heraus, dass es nie einen derartigen Telefonanruf gegeben hatte.

Beim Prozessauftakt im Juni hatte der Arzt laut "NÖN" (Niederösterreichische Nachrichten) die falsche Aussage gestanden, aber beteuert, den Vorfall nicht erfunden zu haben. Er habe aber den Fehler begangen, den Raub aus Angst vor den Tätern verspätet - erst nach zwei Jahren - angezeigt zu haben, nachdem er mit einem befreundeten Kriminalbeamten gesprochen hatte. Er sei damals geschockt heimgefahren und habe ein Gedächtnisprotokoll angefertigt. Am Dienstag gab nun ein Gutachter Auskunft über das Erstellungsdatum jener CD-ROM. Fälschungen seien nicht erkennbar gewesen. Da die Festplatte des Computers nicht mehr existiere, würden sich aber etwaige zeitliche Manipulationen nicht feststellen lassen, sagte der Sachverständige auf die Frage von Richterin Gudrun Hagen. 2015 sei der alte Computer kaputt gegangen und er habe die Festplatte zerstört, sagte der Beschuldigte.

Ein Patient erinnerte sich im Zeugenstand daran, dass ihm der Arzt zu Jahresbeginn - um die Weihnachtsfeiertage herum - von dem Überfall erzählt hatte. Im Zuge des Gesprächs habe er erkannt, dass das Ganze schon länger zurückliegen musste. Ein weiterer Zeuge, der die Computer des Angeklagten betreut, wusste von der Begebenheit, und zwar bereits seit Februar 2014. Damals habe er den Mediziner privat getroffen, sagte der 42-jährige Techniker aus.

Auch einer Berufskollegin hatte der Beschuldigte nach ihren Angaben vor zwei Jahren in einem Gastgarten davon erzählt. Viele Details wisse sie nicht mehr, nur dass es um Suchtmittel gegangen sei. Wenn diese abhandenkommen, sei das natürlich ein Problem für einen Arzt. Würde ihr das passieren, würde sie sich an die Polizei und Ärztekammer wenden, meinte die Frau. Sie erinnere sich auch, dass er Angst vor nächtlichen Einsätzen hatte. Der Verteidiger begründete die verspätete Anzeige u.a. unter Hinweis auf angriffige Telefonate damit, dass sein Mandant Angst um seine Familie hatte, und ersuchte um einen Freispruch.

Diese Zeugenaussagen waren für die Richterin kein Grund, an die Wahrheit der Begebenheit zu glauben, sagte Hagen in der Urteilsbegründung. Die Geschichte sei "hochgradig absurd" und "von vorne bis hinten erstunken und erlogen". Sie glaube, dass das Suchtmittel tatsächlich 2014 abhandenkam, und der Angeklagte, statt das zu melden, diese Geschichte erfand. Eine angebotene Diversion habe der Beschuldigte ausgeschlagen, erinnerte die Richterin.

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