Welchen Einfluss hat
Erdogan in Österreich?

Der Einfluss des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und der Regierungspartei AKP reicht bis nach Österreich.

von Türkei - Welchen Einfluss hat
Erdogan in Österreich? © Bild: ADEM ALTAN / AFP

Über die Vereinslandschaft werde er auf die türkische Community ausgeübt, erklärte Duygu Özkan, Autorin des Buches "Erdogans langer Arm. Sein Einfluss in Österreich und die Folgen", im APA-Interview. Die Beeinflussung sei jedoch nicht so umfangreich, wie oft dargestellt.

»Erdogan hat nicht den Einfluss, den er sich wünschen würde«

"Erdogan hat nicht den Einfluss, den er sich wünschen würde", so die "Presse"-Redakteurin.

"Auch wenn die Mehrheit der Bevölkerung konservativ eingestellt ist, sind nicht alle automatisch Erdogan-Anhänger", erklärte Özkan. Identifikation wäre oftmals zwar religiös möglich, aber politisch nicht, wie zum Beispiel für den kurdischen Teil der Konservativen. Auch auf die in der Türkei als Terrororganisation eingestufte Gülen-Bewegung treffe dies zu.

In ihrem am Mittwoch erschienenen Buch hat Özkan den Wandel im konservativen Spektrum in der türkischstämmigen österreichischen Bevölkerung unter die Lupe genommen. Jene Gruppe sei in den letzten Jahren vermehrt im Fokus der medialen Berichterstattung gestanden, jedoch auf einseitige Weise und ohne die Sicht der Community abzubilden, sagte die Autorin. Dies liege auch an der mangelnden Öffentlichkeitsarbeit ihrer Vertreter.

Wie weit reicht Erdogans "Arm"?

Ihr gehe es daher darum, ein differenziertes Bild zu vermitteln. Für ihr Buch hat sie unter anderem zahlreiche Gespräche mit Vertretern des türkischen Moscheenverbands ATIB, der UETD, der islamistischen Milli Görüs-Bewegung und der Gülen-Bewegung geführt, deren religiöse Einrichtungen ein Teil der türkischen Konservativen in Österreich besucht.

"Wie weit der 'Arm' von Erdogan wirklich reicht, ist insgesamt schwer einzuschätzen", so die mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Preis 2015 ausgezeichnete Journalistin. Was er bewirken könne, sei eine Mobilisierung innerhalb der konservativ-religiösen Community. "Die Türkei hat immer noch in den ATIB-Moscheen ein gewisses Mitspracherecht, obwohl das langsam von der jüngeren Generation hinterfragt wird", sagte Özkan. Über die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) verschaffe sich Erdogan einen Einblick in die Gemeinschaft, "aber wenn man sich die gesamte Gemeinschaft in Österreich anschaut, hat er nicht so viel zu sagen, wie er gerne hätte". Das hieße jedoch nicht, dass er keine Ausstrahlungskraft habe: "Er hat hier viele Fans", so die Autorin.

Die Faszination, die Erdogan auf Teile der österreichischen türkischstämmigen Community ausübt, beruhe unter anderem auf Oberflächlichkeiten. Das positive Bild, das seine Anhänger von ihm haben, werde in den wenigen Wochen, die in Österreich lebende türkischstämmige Personen pro Jahr in der Türkei verbringen, geprägt, so die Autorin. In dieser Zeit überzeugten der verbesserte Lebensstandard und der wirtschaftliche Aufschwung seit dem Aufstieg der islamisch-konservative Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) der Türkei viele. Hinzu kämen Berichte von Verwandten über von der Regierung geleistete Hilfszahlungen für Bedürftige. "Ein weiterer Punkt und ausschlaggebend für seine konservativen Anhänger ist, dass Religiöse mehr Rechte haben", unterstrich Özkan.

»Der Österreicher ist in seinem Leben nicht eingeschränkt, wenn jemand Erdogan wählt«

Verstärkt werde dies durch die staatlich gelenkten Medien in der Türkei, die ein einseitiges Bild vermitteln, das zu wenig hinterfragt werde, so Özkan. Aufgrund dieser Faktoren habe die zunehmend autoritäre Politik des Staatschefs wenig negative Auswirkung auf seine Anziehungskraft, die Özkan auch mit seiner Anerkennung für die Leistungen der türkischen Bevölkerung erklärt, die ihr vonseiten der österreichischen Regierung nie zugestanden worden sei.

Für die österreichische Bevölkerung habe sein Einfluss auf die türkischstämmigen Bürger vorerst wenig direkte Auswirkungen. "Der Österreicher ist in seinem Leben nicht eingeschränkt, wenn jemand Erdogan wählt. Die Auswirkungen ihrer Wahl müssen die Türken in der Türkei tragen", sagte die Autorin.

Das Demokratieverständnis der Erdogan-Anhänger sieht sie aber als problematisch an. Die Lage habe sich bei Wahlkampfauftritten Erdogans und Demonstrationen bereits hochgeschaukelt, derzeit würden sich die Community oder Vereinigungen wie die UETD aber bedeckt halten, damit "kritische Situationen sich nicht wiederholen". Die österreichische Gesellschaft habe das zu thematisieren und mit den Menschen darüber zu sprechen, "dass das, was dort passiert ist, mit dem demokratischen Grundverständnis eines Staates nicht vereinbar ist".

Ihrer Einschätzung nach wird die Debatte in Deutschland insgesamt differenzierter geführt als in Österreich. Die Politik reagiere dort bisweilen sachlicher. "Die rechte türkischstämmige Community eignet sich als Spielball der österreichischen Innenpolitik", stellte Özkan fest. Dies habe jedoch den positiven Effekt, dass die Verbesserung des gesellschaftlichen Zusammenlebens zumindest immer wieder diskutiert werde. Auf Bundesebene fehle jedoch ein Grundkonsens, dass auch konkret dazu gearbeitet werden müsse.

Kommentare