Trump will armen Amerikanern
statt Geld Essensboxen schicken

Die US-Regierung will bei Essensmarken in zehn Jahren 200 Milliarden Dollar sparen

46 Millionen Amerikaner können sich ihre Einkäufe nur mithilfe von Lebensmittelmarken leisten. Die Trump-Regierung will diese diese nun zum Teil durch eine monatliche Essenslieferung in einer Box ersetzen. Experten zeigen sich verwundert über den Plan: Er löse kein einziges Problem, schaffe aber viele neue.

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Kürzungen - Trump will armen Amerikanern
statt Geld Essensboxen schicken

Jeder siebente Amerikaner erhält Unterstützung durch SNAP. Das Supplemental Nutrition Assistance Program (Ergänzendes Hilfsprogramm für Ernährung) versorgt seit den 60er Jahren einkommensschwache Bürger mit sogenannten Essensmarken. Für diese erhält man in ausgewählten Geschäften nicht-zubereitete Lebensmittel. Also etwa Fleisch, Eier, Mehl oder Obst, aber keine Sandwiches oder Fertiggerichte. Auch Alkohol und Zigaretten sind ausgenommen. Seit den 90ern werden in Wahrheit keine Papiermarken mehr ausgegeben, sondern der Betrag auf eine spezielle Scheckkarte aufgebucht, die in den registrierten Märkten eingesetzt werden kann.

Kaufen sich Arme zu viel Junk Food?

Während der Wirtschaftskrise erreichte die Zahl der SNAP-Bezieher neue Rekordhöhen. Mittlerweile ist sie wieder leicht zurückgegangen, liegt aber heute immer noch bei über 46 Millionen Menschen, darunter rund 20 Millionen Kinder. Vor allem für ärmere Regionen und Stadtviertel ist das Sozialprogramm ein bedeutender Wirtschaftsfaktor: 2016 flossen rund 71 Milliarden Dollar an SNAP-Beihilfen in den Einzelhandel. Es fungiert dabei als "ökonomischer Verstärker", denn laut Berechnungen generiert ein Dollar an SNAP-Geldern 1,79 Dollar für die Wirtschaft. Insgesamt gilt das Programm als relativ effizient und flexibel: Dass es in Krisenzeiten mehr Menschen auffängt, um später wieder zu schrumpfen, ist Teil des Konzeptes.

»Milch, Saft, Getreide, Pasta, Erdnussbutter und Dosenfleisch "zu 100 Prozent aus amerikanischer Produktion"«

Doch vor allem von republikanischer Seite stand das Essensmarken-Programm immer wieder in der Kritik. Mit dem System werde viel Schindluder getrieben, Bezieher würden ihre Unterstützung etwa gegen Geld oder "verbotene Güter" wie Alkohol und Drogen eintauschen, wurde argumentiert. Diese Form von Betrug war zur Zeit der Papiermarken weit verbreitet, ist aber seit der Umstellung auf das elektronische Kartensystem stark zurückgegangen. Auch stören sich viele daran, dass SNAP-Bezieher mit dem Geld angeblich viel ungesundes "Junk Food" kaufen würden, statt sich gesund zu ernähren. So wurde auch schon über ein "Softdrink-Verbot" bei den Lebensmittelmarken diskutiert.

"Bevormundend und entwürdigend"

Um dieser Kritik zu begegnen, vor allem aber auch um Geld zu sparen, will die Trump-Regierung das Programm daher radikal umbauen, wie ihr diese Woche vorgelegter Budgetplan zeigt. Der Großteil der Bezieher soll einen Teil der Unterstützung nicht mehr in Form von Geld, sondern als Essensbox mit "haltbar gemachter Milch, Saft, Getreide, Pasta, Erdnussbutter, Dosenfleisch sowie Dosenobst und -gemüse" erhalten. Alle Produkte dieser einmal im Monat gelieferten "Erntebox" sollen "zu 100 Prozent aus amerikanischer Produktion" stammen. Die Kosten dafür würden ihnen von ihrer Scheckkarte abgezogen werden. Die Box soll an alle gehen, die 90 Dollar oder mehr im Monat aus SNAP erhalten, also über 80 Prozent der Bezieher.

Der Plan stieß sofort auf scharfe Kritik von mehreren Seiten. Demokraten und NGOs sprachen von einer Entmündigung armer Amerikaner. Es sei einfach entwürdigend, sein Mittagessen von der Regierung zusammengestellt zu bekommen. Der Plan nehme auch zu wenig Rücksicht auf Menschen mit Allergien und Unverträglichkeiten oder Kinder, die in der Regel nicht alles essen, was man ihnen vor die Nase setze. Am besten wüssten immer noch die Bezieher selbst, was ihre Familien gerne essen würden. Süßes und Fettiges wäre oft eben auch die einzige Möglichkeit, mit einem sehr knappen Budget möglichst viele Kalorien auf den Tisch zu bringen. Wie ein ehemals Betroffener auf Twitter vorrechnete, erzielt man das ideale Kosten/Kalorien-Verhältnis mit einer Kuchen-Backmischung.

Alles nur ein Ablenkungsmanöver?

Darüber hinaus sprachen sich aber auch sonst eher Trump-freundliche Wirtschaftsvertreter gegen die Idee aus. Dürfen SNAP-Empfänger ihr Geld nicht mehr selbst ausgeben, drohen dem Einzelhandel nämlich Milliardenverluste. Gerade in ökonomisch ohnehin schon benachteiligten Regionen mit entsprechend vielen Essensmarken-Haushalten könnte das das Aus für kleine Geschäfte bedeuten. Dazu kommt, dass der Plan insgesamt noch sehr unausgegoren wirkt. So ist völlig unklar, wo und von wem die Box zusammengestellt und vor allem wie sie zu den Beziehern gelangen soll. Zur pünktlichen Auslieferung an geschätzte 16 Millionen Haushalte im ganzen Land müsste erst eine eigene Infrastruktur geschaffen werden.

Und schließlich ist nicht ganz klar, welche Probleme die Umstellung auf Essenslieferungen eigentlich lösen soll. Gegenüber dem US-Medium Vox.com bezeichnete ein Experte den Plan als "verwunderlich". Er löse kein einziges wirkliches Problem mit SNAP, schaffe aber mehrere neue. Auch finanziell wären die prognostizierten Einsparungen durch die Reform vernachlässigbar: 130 Millionen Dollar im Jahr bei einem SNAP-Gesamtbudget von über 70 Milliarden. Daher mutmaßen auch zwei Offizielle gegen der "New York Times", dass der Essensbox-Plan für Trump in Wahrheit gar nicht so zentral sei. Denn zugleich soll das Programm an sich um fast ein Drittel, also über 200 Milliarden Dollar in den nächsten zehn Jahren, gekürzt werden. Die "Erntebox" diene der Regierung als bloßes Ablenkungsmanöver, das die gesamte mediale Aufmerksamkeit auf sich zieht.

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