"Hamilton will das beste Auto,
wir den besten Fahrer"

Mercedes-Teamchef Toto Wolff im Interview

Mercedes ist der erfolgreichste Formel-1-Rennstall, Toto Wolff der Dirigent des Teams. Hier verrät er, warum er als Teamchef weitermacht und was ihn mit Siebenfach-Champ Hamilton verbindet.

von Toto Wolff und Hamilton © Bild: imago images/PanoramiC
Toto Wolff wurde am 12. Jänner 1972 in Wien geboren und heißt eigentlich Torger Christian. Er startete 1992 selbst eine Rennfahrerkarriere, die ihn in verschiedene Klassen führte. Seit 1998 engagiert er sich am Finanzsektor und hält viele Beteiligungen, unter anderem am Formel-1-Team von Mercedes, bei dem er Teamchef und CEO ist, und auch beim Sportwagenhersteller Aston Martin. Er ist mit der Schottin Susie Wolff verheiratet, sie haben einen gemeinsamen Sohn.

Er ist der neue Typ eines Formel-1-Teamchefs: smart, cool und vor allem megaerfolgreich. Toto Wolff, 48, führte den Mercedes-AMG-Petronas-Rennstall in lichtere Höhen, als es die Silberpfeile weiland schafften. Seit 2014 hat kein anderes Team die Konstrukteursoder Fahrer-WM gewonnen. Im Gegensatz zu anderen Team-Principals ist er nie abgehoben, sondern stets höflich und sachlich geblieben. Was noch auffällt: Wolff beantwortet Interviewfragen nicht nur in geschliffenem Deutsch, sie sind überdies druckreif. Mit News sprach er kurz nach Jahreswechsel über seine Vertragsverlängerung bei Mercedes und über die Basis seiner Freundschaft zu Lewis Hamilton.

Sie machen, wie von vielen erwartet, als Mercedes-Teamchef weiter. Was hat neben "dem Spaß, dieses Unternehmen zu führen" Ihre Entscheidung bestimmt? Rechnen Sie mit einer Fortführung des Erfolgslaufs von Team und Piloten kommende Saison?
Ich habe ja nicht nur eine Rolle als Principal und CEO des Teams, sondern bin auch Mercedes-Anteilseigner, und deswegen war immer klar, dass ich als Unternehmer weitermache. Es ging jetzt nur darum, meine Rolle in der Zukunft zu definieren, und darüber haben wir gesprochen. Und gemeinsam beschlossen, dass ich weiterhin Team-Principal bleibe, solange der Energielevel auf einem hohen Niveau ist und es mir Spaß macht. Und wenn nicht, dass ich in eine andere Rolle schlüpfe. Zum Beispiel in die des Chairmans of the Board, wie es Niki Lauda war.

Wie ist eigentlich Ihr Verhältnis zum Mercedes- Vorstandvorsitzenden Ola Källenius? Wie man hört, nicht so friktionsfrei wie jenes zu seinem Vorgänger Dieter Zetsche.
Zwischen Ola Källenius und mich passt kein Blatt Papier. Das ist keine Aussage von mir, sondern von Ola.

Dass Niki dem Team fehlt, ist evident. Aber, mit Verlaub, wo am meisten?
Dem Team fehlt Niki natürlich überall. Er war bei allen Rennen dabei und war ein pragmatischer Sparringpartner und immer geradeaus mit dem Feedback. Aber was mir noch mehr fehlt, ist der persönliche Kontakt zu ihm. Er war einer meiner engsten Freunde am Ende, wir haben fast jeden Tag miteinander verbracht, wir sind gemeinsam zu den Rennen geflogen und waren fast wie ein altes Ehepaar. Und einen Freund zu verlieren, ist natürlich immer schmerzvoll.

Toto Wolff
© imago images/Motorsport Images MISTER FORMEL 1. Toto Wolff ist der erfolgreichste Teamchef der Königsklasse, dabei aber immer down to Earth geblieben

Auch interessant: Fernando Alonso: Worauf es wirklich ankommt

Wenn man Sie mit dem Vorwurf konfrontiert, dass die Formel 1 durch die Seriensiege des Mercedes- Teams, insbesondere durch Lewis Hamilton, an Spannung und Attraktivität verlieren würde, was kontern Sie darauf?
Wir können nur versuchen, das Beste für unser Team zu machen, und das ist, immer weiter zu pushen und Rennen zu gewinnen. Aber ich sehe natürlich aus der Fan-Perspektive ein, dass es auch eine gewisse Variabilität geben muss.

Sie sprechen oft überwiegend von Lewis, aber es gibt auch Valtteri Bottas.
Natürlich gibt es zwei Fahrer, und die haben den gleichen Status im Team und werden auch gleichwertig behandelt. Lewis zieht natürlich wesentlich mehr Sonnenlicht auf sich, weil er ein siebenfacher Weltmeister ist und abseits des Sports aktiv ist und polarisiert.

Ein stehender Satz von Ihnen lautet: "Es geht immer nur um das Heute und das Morgen." Dennoch die Frage, was denn die unwahrscheinlichsten, die denkwürdigsten Momente dieser abgelaufenen Saison mit jeweils sieben Titeln waren?
Das ist klar, da bleibt nur ein Thema, und das ist Corona, das unser Leben und jenes aller anderen auf den Kopf gestellt hat. Ich bin froh, dass wir eine Saison zusammenbekommen haben und einen Rennkalender, aber am Ende zählt das nur wenig. Ich freue mich über die Weltmeisterschaft. Gleichzeitig wird 2020 ein Jahr sein, dass die meisten nicht in guter Erinnerung haben werden.

Trotz der zahllosen Erfolge soll das Mercedes-AMG-Team ganz schlecht im Feiern sein. Hat sich dieses Manko inzwischen gelegt, wenngleich Corona sicher ein Spielverderber ist?
Wir sind jetzt besser geworden im Feiern. Letztes Jahr hat es eine ziemlich gute Abschiedsfeier in Abu Dhabi gegeben, wo uns, als der neue Tag angebrochen ist, das Hotel angeregt hat, die Party woanders hin zu verlagern, weil sie die Terrasse für das Frühstück herrichten mussten.

Welche Lehren haben Sie aus der abgelaufenen Saison gezogen? Stichwörter: Sicherheit auf den Rennstrecken in Hinblick auf den Grosjean-Unfall in Bahrain, Rennen auf völlig unüblichen Kursen und auch den Untergang eines vierfachen Weltmeisters.
Der Grosjean-Unfall war natürlich erschreckend, aber gut, dass er relativ unbeschadet aus dem Unfall ausgestiegen ist. Jetzt muss man an die Sicherheit denken: Wieso kann ein Rennauto im 21. Jahrhundert brennen, wie kann ein Auto durch die Leitplanken stechen? Und darauf wird es sicherlich eine Analyse geben und auch Verbesserungen. Die Rennen auf den unüblichen Kursen und vor allem auf den traditionellen Rennstrecken wie Imola und Mugello waren fantastisch, denn man sieht, warum diese Strecken Kultstatus haben: Weil sie einfach sensationelle Rennen bringen.

Sie haben auf den vierfachen Weltmeister vergessen, der nächste Saison zum Aston- Martin-Team wechselt. Ein guter Zug oder eine letzte Chance, Ihrer Meinung nach?
Sebastian Vettel hat sich unter seinem Wert geschlagen, und die Frage stellt sich, ob das er war oder vielmehr das Auto. Für ihn stand die Entscheidung an, entweder aufzuhören oder eine neue Herausforderung anzunehmen. Der Zug, zu Aston Martin zu gehen, war meiner Meinung nach ein ganz ein hervorragender. Racing Point wird ja zu Aston Martin, hat in diesem Jahr ein Rennen gewonnen, war auf Pole Position. Ich denke, dass Sebastian dort sehr erfolgreich sein kann.

»Mick Schumacher ist als Formel-2-Meister reif für die Formel 1«

Das Haas-Team hat für die nächste Saison Schumacher junior engagiert. Ist das Ihrer Meinung nach ein PR-Gag, um mit einem klingenden Namen Sponsorgelder leicht zu akquirieren, oder ist der Sohn des siebenfachen Weltmeisters wirklich reif für die Königsklasse?
Nein, das ist kein PR-Gag, er ist Formel-3-Meister und der amtierende Formel-2-Meister und damit qualifiziert, in der Formel 1 zu fahren. Das Engagement hat sicher nichts mit seinem Namen zu tun.

Ihre Frau Susie ist erfolgreiche Venturi-Teamchefin. Wie stehen Sie privat zur E-Mobilität?
E-Mobilität ist ganz essenziell, um diesen Planeten nachhaltig zu machen, und deswegen stehe ich dem Thema sehr offen gegenüber. Nicht nur wegen der Formel E, sondern auch, weil Elektromobilität in den Städten kurz-bis mittelfristig jegliche anderen Antriebsarten ablösen wird.

Toto und Susie Wolff
© imago/Action Plus POWER COUPLE. Kennengelernt haben einander Toto und Susie Wolff, damals noch Stoddart, 2006 bei einem DTM-Rennen. 2011 wurde geheiratet. Den Mercedes-Principal und die Formel-E-Teamchefin verbindet nebst der Branche auch Sohn Jack

Ihre Frau ist Schottin, Sie arbeiten und leben großteils in UK. Wie groß ist Ihre Bindung noch zu Österreich und speziell zu Wien?
Ich bin Österreicher mit Leib und Seele, verbringe leider viel zu wenige Tage in Wien, aber gerade, wenn man im Ausland lebt, wird einem bewusst, was wir an Österreich haben. Wenn ich nach Wien zurückkomme, habe ich immer noch das Gefühl, nach Hause zu kommen, selbst wenn ich schon seit 15 Jahren nicht mehr hier lebe.

»Vertrauen, das ist die Basis der Freundschaft mit Lewis«

Es besteht ganz offensichtlich zwischen dem straighten Teamchef und Businessmann Toto Wolff und dem extravaganten Piloten Lewis Hamilton eine enge Freundschaft. Auf welcher Basis funktioniert diese?
Wir haben in all den Jahren Vertrauen zueinander aufgebaut, und das ist die Basis für die Freundschaft. Natürlich gibt es auch die professionelle Seite, und da geht es um den Sport und das Geschäft, aber wir sind durch den offenen Umgang miteinander Freunde geworden.

Last, but not least: Warum hat Lewis Hamilton mit der Vertragsverlängerung so lange gezögert, wenn's nicht ums Geld ging?
Wir haben es einfach beide immer wieder verschoben, weil wir gemeint haben, dass die Meisterschaft wichtiger ist. Dann hat er Corona bekommen, und darum haben wir uns in den Weihnachtsfeiertagen zusammengesetzt. Sobald es weißen Rauch gibt, werden wir das bekanntgeben.

Können Sie sich vorstellen, dass er jenes Team, bei dem er zum Superstar avancierte, verlässt?
Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Er will im besten Auto sitzen, und wir wollen den besten Fahrer haben.

Dieser Beitrag ist in der aktuellen Ausgabe von News (02/2021) erschienen.