Großes Opernkino
mit Anna Netrebko

Puccinis „Tosca“ an der Wiener Staatsoper – ein Ereignis im Stream und auf ORF III.

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Kritiken - Großes Opernkino
mit Anna Netrebko © Bild: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Soll man jubeln oder klagen? Anna Netrebko war zum ersten Mal als Tosca an der Wiener Staatsoper zu erleben, doch das Publikum musste draußen bleiben. Klagen also? Mitnichten. Das Großereignis konnten via Live-Stream und auf ORF III Tausende verfolgen. Wenige Journalisten durften live in der Staatsoper dabei sein. Zugegeben, es fiel alles andere als leicht, das Applausverbot einzuhalten. Wenn Netrebko als eifersüchtige Diva ihren Gefährten Mario in der Kirche aufsucht, wenn sie ihr Leben für die Kunst besingt und Scarpia den Garaus macht, dann ist sie Puccinis Tosca. Das ist pure Emotion, das ist vollkommener Gesang. Ihr unvergleichliches Timbre, ihr voller Sopran, ihr Ausdruck lassen vergessen, dass die Reihen leer sind – das ist ganz großes Opernkino.

Yusif Eyvazov, im wirklichen Leben ihr Ehemann, stemmt den Cavaradossi mit Stimmgewalt und Dramatik. Wolfgang Koch ist ein eher zurückhaltender Polizeichef Scarpia, setzt gesanglich auf Eleganz, darstellerisch mutet er eher wie ein Beamter an, ein bequemer Fiesling, der seine Privilegien nutzen will. Famos sind die kleineren Partien besetzt – aber wirklich alle: Wolfgang Bankl ist ein Luxus-Mesner, Evgeny Solodovnikov ein exzellenter Angelotti. Von Ilja Kazakov möchte man sofort mehr hören, nachdem er schon in der Miniaturpartie des Schließers mit seinem schön geführten Bass aufhorchen lässt. Andrea Giovannini und Attila Mokus komplettieren sehr gut als Spoletta und Sciarrone.

Bertrand de Billy entfacht das veritable Musikdrama im Graben. Brillant Daniel Ottensamer (Klarinette). Margarethe Wallmanns Inszenierung aus dem Jahr 1958 hat sich ihre Strahlkraft über die Jahrzehnte bewahrt. Weshalb man aber diesmal das Bild, das Cavardossi im ersten Akt malt, zugedeckt lässt, bleibt ein Rätsel. Aber egal, das ist schon das einzige, das man bei diesem musikalischen Großereignis anzumerken hat.