Der Göttlichkeitswahn der Macht

Sommeroper: Heinz Sichrovsky sah Giacomo Puccinis „Tosca" im Römersteinbruch

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Tosca in St. Margarethen © Bild: Armin Bardel

Außerordentlich ist, was der Regisseur Robert Dornhelm mit der Bühnenbildnerin Amra Bergmann geschaffen hat. In Freiluftarealen dieser Ausdehnung bleibt den Sängern meist nichts übrig, als sich armwedelnd Aufmerksamkeit zu verschaffen. Die über Lautsprecher dröhnenden Stimmen stehen in groteskem Missverhältnis zu den zwergenhaft untergehenden Akteuren. Nun ist der Einsatz von Videoprojektionen zuletzt zwar prinzipiell zur Pest des Theaters geworden. Der bedeutende Filmregisseur Dornhelm aber nützt diese Technik als möglicherweise einzig sinnvolle Methode, zwischenmenschliche Intimität herzustellen. Amra Bergmann hat dazu einen auch akustisch hilfreichen Raum geschaffen: Ein haushoch die Bühne überragender, drehbarer Engel, Symbol des Gottähnlichkeitswahns totalitärer Machtausübung, breitet sein Flügelkleid über das Geschehen. Auf diese Weise wird nicht nur eine riesige Konzertmuschel erzeugt, so dass sich der Klang nicht, wie gewohnt, im Nachthimmel verflüchtigt. Die Hinterwand dient auch als Projektionsfläche, um die Personen, ihre Gesichter, ihre Reaktionen (manchmal auch außerhalb der Szene) erkennbar werden zu lassen. Die durch Puccinis Musik nobilitierte Geschichte vom Scheitern der Illusion, dass Liebe und Courage über staatliche Gewalt triumphieren könnten, gelangt da zu Wahrhaftigkeit und suggestiver Kraft.

Die elektronische Verstärkung verursacht allerdings klangliche Probleme vor allem im Orchesterbereich, der mit der versierten Truppe der Prager Nationaloper und dem Dirigenten Michael Güttler an sich keine Forderungen offen lässt. Die heuer hergestellten Bedingungen sollten die Betreiber ermutigen, sich über die Entsorgung der Elektronik Gedanken zu machen: Die aufgebotenen Sänger (exemplarisch Martina Serafin, die Protagonistin der Erstbesetzung) müssten das Areal auch ohne Verstärkung bewältigen.

Tosca in St. Margarethen
© Armin Bardel Andrea Carè als Cavaradossi und Clemens Unterreiner als Angelotti

Das gilt gewiss auch für die Rumänin Alexia Voulgaridou, die am zweiten Abend die Titelpartie mit schöner, hell timbrierter Stimme, leuchtender Höhe und starker Bühnenpräsenz verkörperte. Der prächtig singende Alexander Krasnov ist ein Scarpia der brachialen Schule: kein ziselierter Schurke, sondern ein brutaler Missbraucher der Polizeimacht. Yusif Eyvazov schließlich, der Cavaradossi, legte Rätselhaftes vor: Der Auftritt und die erste Arie misslangen – Eyvazov wirke uneingesungen, die Stimme schien ihren Sitz zu suchen. Die Steigerung war allerdings enorm, und im dritten Akt wurde man Zeuge einer Weltklasseleistung. Die dunkle, mächtige Stimme mit der durchschlagenden Höhe ist heldischer Ausbrüche ebenso fähig wie betörender Legatobögen, und speziell der Schlussakt war ein Beispiel an Ausdruck und höherer Bühnenwahrheit.

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