Toni Polster und Andi Ogris:
Zwei Legenden laufen Sturm

Horrende Schulden, undurchsichtiger Business- Partner, verweigerte Bundesligalizenz -und nun auch noch der Aufstand der violetten Ikonen Toni Polster und Andi Ogris: Der Traditionsklub Austria Wien scheitert an den eigenen Ansprüchen.

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Sport - Toni Polster und Andi Ogris:
Zwei Legenden laufen Sturm

Der Traum von der großen weiten Fußballwelt - er zerplatzte bereits nach eineinhalb Monaten wie eine viel zu stark aufgepumpte Lederwuchtel: "Austria hat das Potenzial, eine der besten und bedeutendsten Marken Europas zu werden", sagte der 26-jährige Luka Surguladze, genannt Luka Sur, noch, als er die väterliche Firma Insignia Anfang März als neuen "strategischen Partner" des FK Austria Wien präsentierte.

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Von Vereinskooperationen und Leihgeschäften mit der AS Roma, dem FC Chelsea oder Borussia Dortmund war da noch die Rede. "Wir holen die talentiertesten Spieler der Welt", so Sur. Doch die Realität sieht anders aus: Der einzige Spieler, der bislang auf sanften Nachdruck von Insignia bei den Violetten geparkt wurde, heißt Levan Jordania, kickte zuvor bei Locomotive Tiflis in Georgien und kam bisher, obwohl zunächst ohnedies nur für die zweite Mannschaft vorgesehen, wegen sportlicher Bedeutungslosigkeit auf exakt null Einsatzminuten. "Jordania ist halt einer der besten Freunde von Surguladze", kommentiert man in der Medienabteilung der Violetten schulterzuckend.

Missglücktes Doppelpassspiel

Die Anekdote ist beispielgebend für das missglückte Kurzpassspiel zwischen Anspruch und Wirklichkeit, das die Vereinspolitik des 24-fachen österreichischen Fußballmeisters bereits kennzeichnet: Ein luxuriöses Stadion internationalen Zuschnitts, die Generali-Arena, stampfte man am Verteilerkreis Favoriten auf dem Areal des altehrwürdigen Franz-Horr-Stadions aus dem Boden, an die 48 Millionen kostete die neue, kreditfinanzierte Heimstätte. Durch möglichst viele internationale Bewerbspiele und breitangelegten Logenverkauf wollte man die Raten für das Prestigeprojekt abstottern. Doch die sportlichen Erfolge, mit denen man liebäugelte, blieben aus, und so steht man nun mit einer Gesamtschuldenlast von gut 70 Millionen Euro, einem Jahresverlust von 18 Millionen Euro für die vergangenen Spielzeit und folglich ohne Lizenz für die kommende Bundesligasaison da. Denn die wurde der Austria "aus finanziellen Gründen" in erster Instanz verwehrt, nun muss binnen Wochenfrist nachgebessert werden.

© GEPA pictures Austrias ergrauter Goalgetter bläst zum verbalen Gegenangriff...

Doch damit nicht genug: Zu allem Überdruss kündigte auch noch Sportvorstand und Trainer Peter Stöger, die letzte Integrationsfigur bei den Veilchen, seinen Rückzug mit Ende der Saison an. "Und wer den Peter kennt, weiß, wie sehr ihm seine Austria am Herzen liegt", sagt sein ehemaliger Mannschaftskollege und guter Freund Andreas Ogris. "Er ist ein besonnener Typ, der nicht unüberlegt hinschmeißt. Aber er hat einfach keinen Ausweg mehr gesehen." Zumal auch Luka Sur und seine Insignia Group eher für vordergründigen Glam stehen, weniger für nachhaltige und vor allem rasche Investitionen -zumindest bei der Austria. Sieben Millionen Euro, so hört man, hätte das von seinem Vater Michael Surguladze gegründete Unternehmen, das Luxuskreditkarten für Superreiche und Lifestyle Management anbietet, dieser Tage überweisen sollen, um zumindest die gröbsten finanziellen Löcher provisorisch zu stopfen. Statt Geld schickten die georgischen Geschäftsmänner bisher aber nur den vermeintlichen Wunderkicker Levan Jordania, der zwar nie spielt, dafür aber Sohn des ehemaligen georgischen Verbandspräsidenten Merab Jordania und Freund des Surguladze-Clans ist.

Im passiven Abseits

Finanziell steht der Wiener Traditionsclub also im passiven Abseits. Die Einzigen, die derzeit beherzt angreifen, sind dessen zwei legendärste Sturmspitzen, Toni Polster, 57, und Andi Ogris, 56. Gemeinsam schossen die beiden ehrenvoll ergrauten Offensivkräfte allein in der heimischen Meisterschaft 218 Tore für die Austria, nun ballern sie wieder aus vollen Rohren -und zwar in erster Linie gegen den langjährigen Austria- CEO Markus Kraetschmer, der seit 2008 als Vorstandsvorsitzender agiert und in dem das Duo den Hauptschuldigen für die gegenwärtige Misere ausmacht.

© GEPA pictures ...und Andi Ogris steht seinem Stürmerkollegen zur Seite

Vertragslose Spieler

Was Polster und Ogris ganz besonders erzürnt: Kraetschmer hat sich - während ein Gutteil der Spieler noch ohne Vertragsangebote für die kommende Saison herumirrt und zahlreiche verdiente Mitarbeiter aus dem Trainerstaff vorsorglich gekündigt wurden -mit Austria-Präsident Frank Hensel bereits auf einen neuen Arbeitsvertrag geeinigt. "Dabei", empört sich Ogris, "müsste Kraetschmer längst die Fristlose haben und im Häfen sitzen -das ist die Wahrheit!" (News konfrontierte Kraetschmer mit den deftigen Aussagen, doch der lässt bestellen, dass man sich im Rahmen des Austria-Legendenklubs stets sehr um die verdienten Spieler aus der Vergangenheit bemüht habe und er die aktuellen Anwürfe nicht kommentieren wolle.)

Was Polster dem langjährigen Finanzvorstand Kraetschmer vorwirft: dass er sich, obwohl alles andere als ein Experte, viel zu oft ins Sportliche eingemischt und so "gut und gerne 50 Fehlkäufe zu verantworten" habe. Zumindest was die Trainerpolitik des Vereins betrifft, ist Polster nur schwer zu widerlegen: Von Karl Daxbacher bis Ivica Vastić, von Nenad Bjelica bis Thorsten Fink -in etwas weniger als einem Jahrzehnt wurden am Verteilerkreis zehn Übungsleiter verschlissen, acht von ihnen wurden vorzeitig gefeuert, nur zweimal ging der Coach von sich aus; und das war, im Jahr 2013 wie eben jetzt, ein gewisser Peter Stöger. Und das, sagt Polster, wiege umso schwerer, da Stöger aufgrund seiner persönlichen Erfolge einer der Letzten gewesen sei, die auch Sponsoren und Geldgeber auf den Plan gerufen haben.

© GEPA pictures Peter Stöger räumt im Sommer seinen Trainerstuhl

Treue ohne Millionen

"Zudem hat das Stadion mehr gekostet als verangschlagt", behauptet Polster. Und wenn jetzt immer wieder die Pandemie als Hauptursache für die Schieflage herhalten müsse, so sei klarzustellen, dass die Austria, "seine Austria", bereits zuvor "so gut wie pleite" gewesen sei. Von der Champions League habe man gefaselt, nun stecke man mitten im Abstiegskampf, echauffiert sich der Strafraumschreck a. D.,"das Ganze ist ja nur noch peinlich." Einen "tiefen Einschnitt" brauche es nun, die Austria müsse zum "Ausbildungsverein" umstrukturiert werden, nur so können sie gesunden.

Und was sagt Stöger, der künftige Ex-Trainer? "Ich bleibe dem Verein immer treu, wenn man meinen Rat will -ohne Honorar." Ohne Honorar? Endlich einmal ein Mann nach dem Geschmack der georgischen Geldgeber.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe von News erschienen.