Tom Cruise:
Last Action Hero

Eines müssen selbst Kritiker des manchmal verhaltensoriginellen Hollywoodstars Tom Cruise zugeben: Feig oder wehleidig ist er nicht. Im Interview zum neuen Movie "Mission: Impossible - Fallout" erklärt er seine Adrenalinsucht

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Neue Mission - Tom Cruise:
Last Action Hero

Rasante Verfolgungsjagden mit Hilfe PS-starker Vehikel und Sprünge von, über oder auf Hausdächer(n) gehören zur Pflicht. Als Kür denkt sich Tom Cruise für seine Actionfilm-Reihe "Mission: Impossible" stets neue Stunt-Extravaganzen aus, die den ungebrochenen Erfolg seiner cineastischen Erfindung begründen. Seit dem Debüt der "Mission: Impossible"-Serie vor 22 Jahren hechtete er in bislang fünf Filmen unter anderem 600 Meter über der Erde von Felswand zu Felswand ("Mission: Impossible 2"), kletterte auf den Burj Khalifa ("Ghost Protocol") und bestieg ein Flugzeug in der Luft von außen ("Rogue Nation"). Die Stunts - und das ist Alleinstellungsmerkmal seiner Blockbuster - erledigt Cruise dabei vornehmlich selbst. So gelang ihm mit immer neuen Weltrettergeschichten um Spezialagent Ethan Hunt nicht nur eine adrenalinstarke Antwort auf Superagent James Bond, sondern auch die Schaffung des erfolgreichsten Film-Franchises der jüngeren Thrillergeschichte.

Im nunmehr sechsten Abenteuer mit dem Untertitel "Fallout" muss Ethan Hunt nach einer schiefgelaufenen Mission nicht nur gegen Misstrauen aus den eigenen Reihen arbeiten, sondern hauptsächlich die Welt vor einer nuklearen Katastrophe retten. So abgenutzt sich die Geschichte ausnimmt, so atemberaubend sind die Stunts, mit denen der 56-jährige Schauspieler selbst abgebrühten Branchenprofis abermals Respekt abringen konnte. Für das Gelingen der als lebensbedrohlich zu erachtenden Helikopter-Verfolgungsjagd nahe einer Felswand verfeinerte Cruise sein Können als Pilot eineinhalb Jahre lang intensiv. Den Großteil der Dreharbeiten absolvierte er mit gebrochenem Knöchel - wobei die Szene, in der das Unglück passierte, natürlich im Film zu sehen ist. Am spektakulärsten wird indes Cruises sogenannter "Halo"-Fallschirmsprung bewertet. Das ist die Abkürzung für gern militärisch eingesetzte Fallschirmsprünge aus großer Höhe, bei denen sehr spät der Fallschirm gezogen wird. Cruise sprang in einer Höhe von 7.620 Metern mit Sauerstoff-Spezialhelm aus einem 265 km/h schnellen Flugzeug und musste die Landung im Umkreis von einem Meter der auf dem Boden positionierten Kamera schaffen. Er brauchte etwas über hundert Sprünge, bis der Stunt gelang.

Im Interview anlässlich der Filmpremiere in London vermittelt er den Eindruck, dass ihm derartige Adrenalinschübe längst lieb geworden sind.

Herr Cruise, es ist erstaunlich, dass Sie nach allen Stunts in sechs "Mission: Impossible"-Filmen noch am Leben sind!
Genau das muss meine Mutter früher gedacht haben! Als Kind habe ich ununterbrochen derart verrückte Sachen gemacht, dass sie vermutlich einfach nur froh war, dass ich alles überlebt habe. Jetzt habe ich diese verrückten Sachen über die Jahre ausgebaut und erweitert und mache Filme daraus.

»Ich frage mich immer: Wie weit kann ich noch gehen?«

Aber diesmal haben Sie sich den Knöchel gebrochen. Wissen Sie noch, was Ihnen durch den Kopf ging, als es passierte?
Sie können die Szene, in der es passiert ist, im Film sehen. Ich schaue nach unten und weiß in dem Moment, dass ich mir etwas gebrochen habe. Aber es war das erste Mal, dass ich bei diesem Sprung das Haus erreicht hatte. Deshalb habe ich gedacht: Ich klettere nach oben und laufe an der Kamera vorbei, damit wir die Szene verwenden können. Es war nämlich so, dass nach dieser Szene eine Drehpause von sechs Wochen geplant war, damit alle Urlaub machen können. Chris McQuarrie (der Regisseur, Anm.) und ich wollten in der Pause den Film schneiden und am Buch arbeiten. Es war wichtig, die Szene fertig zu haben.

Danach haben Sie weitergedreht, obwohl Ihr Knöchel nicht geheilt war. Haben Sie eine hohe Schmerzgrenze?
Es war sehr schmerzhaft! Bei jedem Schritt habe ich innerlich aufgeheult. Aber wir mussten weitermachen, weil ich dem Studio und meinen Freunden im Wort war. Ich habe sieben Tage die Woche, jeweils zehn bis zwölf Stunden täglich, trainiert, um den Fuß wieder einsatzfähig zu machen, und es hat geklappt. Wir haben natürlich die Szenen, in denen ich renne, verringert. Normalerweise mache ich so eine Szene 50-mal, bis sie perfekt ist. Das mussten wir diesmal mit weniger Wiederholungen schaffen. Aber es stimmt schon: 90 Prozent der Szenen, in denen ich im Film laufe, habe ich mit einem gebrochenen Knöchel gedreht. So muss das eben sein, wenn du Dinge durchziehen willst: Beiß die Zähne zusammen und tu es einfach.

© Constantin Film Eineinhalb Jahre lang trainerte Cruise für sein aktuelles Movie, einen Helikopter zu fliegen und den Sprung aus einem Flugzeug in über 7.000 Meter Höhe

Erfüllt es Sie mit Stolz, das geschafft zu haben?
Ich glaube nicht, dass man stolz sein kann, wenn man sich etwas bricht. Es war einfach ein Hindernis, das überwunden werden musste.

Für die Actionszene, in der Sie mit einem Helikopter nahe einer Felswand fliegen, haben Sie viel Respekt geerntet. Wie gefährlich war das tatsächlich?
Nun, ich habe eineinhalb Jahre lang dafür trainiert, dass es möglichst nicht gefährlich ist. Ich wollte schon lange so eine Szene drehen, und nun waren wir endlich bereit. Neuseeland war das einzige Land, das uns derartige Flüge nahe einer Felswand erlaubt hat. Ich habe hart an meinen Fähigkeiten als Pilot gearbeitet, um solche Manöver fliegen zu können. Manchmal musste ich ja mit anderen Helikoptern in einer Formation fliegen, damit die anderen mich filmen können. Und dabei musste ich so knapp an einen anderen Helikopter heranfliegen, dass ich ihn fast berührte. Gleichzeitig war ich so nah an der Felswand, dass die Rotorblätter kaum einen Meter davon entfernt waren. Es war wirklich sehr aufregend.

Sie haben als erster Schauspieler einen sogenannten "Halo"-Fallschirmsprung gewagt und mussten mehr als hundert Mal springen. Hat es sich beim 101. Mal schon normal angefühlt?
Nein, bei so einem schwierigen Sprung stellt sich nie ein Gewöhnungseffekt ein. Er war durch die Höhe, aus der ich gesprungen bin, das Tempo des Flugzeugs und die Sauerstoffmaske eine große körperliche Herausforderung. Und dann musste ich auch noch im Radius von einem Meter landen. Wir wollten die Szene bei Sonnenuntergang drehen, also gab es genau ein kleines Zeitfenster am Tag für die Aufnahme. Wir haben den ganzen Tag für diesen einen Moment geübt. Und jedes Mal hat sich die Crew gefragt: Haben wir es diesmal geschafft? Dabei habe ich mich immer bemüht, sie alle bei der Stange zu halten, indem ich ihnen jeden Fehler, den ich gemacht habe, genau erklärt habe. Sie sollten verstehen, warum sie noch immer nicht heimgehen konnten. Was noch fehlte, um den Sprung perfekt zu machen.

© Constantin Film Auch bei Mission Nummer sechs: Cruise geht beim Klettern, Fliegen, Jagen gern an seine Grenzen

Sie spielen Ethan Hunt zum sechsten Mal. Was fasziniert Sie an dieser Rolle? Wird sie nie langweilig?
Stimmt, ich spiele ihn seit 23 Jahren! Wissen Sie, es war der erste Film, den ich je produziert habe, und schon damals habe ich gehofft, einen weiteren drehen zu können, weil es Filme sind, die es mir ermöglichen, die ganze Welt zu bereisen. Durch die Welt zu ziehen, war als Kind immer mein Traum. Und ich wollte Filme machen. Mit "Mission: Impossible" kann ich beide Leidenschaften ausleben. Ich kann Städte und Kulturen und Menschen kennenlernen und gleichzeitig dort arbeiten. Das ist ein Privileg, und ich hoffe, ich darf noch lange weitermachen. Dabei ist natürlich das Publikum mein Chef. Das Publikum diktiert, was es will, und ich möchte es ihm geben.

Klingt, als wäre "Mission: Impossible" eine sehr persönliche Angelegenheit.
Das ist sie, und dieser Film ist der persönlichste, weil er wie ein Best-of aus allen früheren Filmen ist. Ich frage mich immer: Wie weit kann ich noch gehen, wie weit kann ich Grenzen noch verschieben, um das Publikum gut zu unterhalten?

Wie würden Sie diesen Film für das Publikum zusammenfassen?
Er hüllt dich ein und reißt dich mit, und man sollte sich auf eine atemberaubende Achterbahnfahrt einstellen.

Welchen Stellenwert haben Ihre Co-Stars?
Sie sind fantastisch. Henry Cavill zum ersten Mal dabei zu haben, macht mich sehr stolz. Und Simon Pegg, Ving Rhames, Rebecca Ferguson sind meine Freunde. Ich liebe sie alle. Ich bin jeden Tag zum Dreh gegangen und war aufgeregt, weil ich mit ihnen arbeiten durfte. Und ich war neugierig, wie sie ihre Rollen entwickeln werden. Ich arbeite gerne mit Menschen, die ich respektiere. Es macht mir Spaß, alles vorzubereiten und dann zurückzutreten und zuzusehen, wie die Figuren zum Leben erwachen.

Wäre James Bond fit genug, eine "Mission: Impossible" zu übernehmen?
Ich liebe die James-Bond- Filme. Daniel Craig ist ein großartiger Bond.

Würden Sie ihn in einem Kampf besiegen?
Ich will gar nicht mit ihm kämpfen! Ich mag seine Filme!

Sie sind am 3. Juli 56 Jahre alt geworden. Wie haben Sie Ihren Geburtstag verbracht?
Es war ungelogen der Tag, an dem ich meinen Film fertig gestellt habe. Der letzte Schliff an "Mission: Impossible" war an meinem Geburtstag.

© Constantin Film

Dieser Artikel ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 30/2018 erschienen.