Todesfahrt in Toronto

25-Jähriger fuhr mit Lieferwagen durch Menschenmenge - Zehn Menschen getötet

Die von Trümmern und Blutspuren gesäumte Todesstrecke zieht sich über fast drei Kilometer, vorbei an Geschäften, Restaurants, Wohnhäusern. Mitten in einem belebten Geschäftsviertel Torontos hat der Fahrer eines Lieferwagens seinen offenbar gemieteten Transporter in eine Waffe verwandelt und zehn Menschen getötet. 15 weitere wurden laut Polizei bei der Zickzackfahrt über Gehwege verletzt.

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Kriminalität - Todesfahrt in Toronto

Der 25 Jahre alte Fahrer wurde festgenommen, weitere Verdächtige gab es nach Polizeiangaben nicht. Zu Motiven oder einem möglichen terroristischen Hintergrund machten die Behörden zunächst keine Angaben. Die zuvor geltende mittlere Terror-Warnstufe in der kanadischen Stadt, wo bis Montag die Außenminister der G7-Staaten getagt hatten, bleibe unverändert, sagte Ralph Goodale, Minister für öffentliche Sicherheit. Für eine erhöhte Terrorgefahr gebe es keine Hinweise. Kanadas Premierminister Justin Trudeau sprach von einem "schrecklichen Vorfall" und dankte den Rettern vor Ort.

Innerhalb von Minuten verwandelte sich die Geschäftsgegend im Bezirk North York, der etwa 30 Minuten nördlich von der Innenstadt liegt, in einen blutigen Tatort. Mit 60 bis 70 Stundenkilometern erfasste der weiße Wagen Fußgänger, als er um die Mittagszeit von der Straße auf den Gehsteig fuhr und über rund 15 Straßenblocks hinweg immer wieder zwischen Straße und Gehweg wechselte.

Einen Tag nach der Todesfahrt von Toronto soll der mutmaßliche Täter am Dienstagvormittag (Ortszeit) dem Haftrichter vorgeführt werden.

Täter fuhr in Schlangenlinien

Der Täter sei in Schlangenlinien gefahren, sagte Augenzeuge Amir Bahmeyeh dem "Toronto Star". Er habe beobachtet, wie das Auto fünf oder sechs Menschen erfasste. "Ich sah einen alten Mann durch die Luft fliegen", sagte Bahmeyeh. Die Menschen hätten um Hilfe geschrien und versucht, die Polizei in Richtung des Fahrers zu lotsen. Laut Polizei hat der Fahrer sein Fahrzeug vorsätzlich in die Menschenmenge gesteuert.

»Ich sah einen alten Mann durch die Luft fliegen«

Michele Kelman, die in der Gegend bei einer IT-Firma arbeitet, wurde auf dem Rückweg vom Mittagessen fast von dem Auto erfasst. Sie und ihre Freundin hätten hinter sich Schreie gehört und durch die Luft wirbelnde Gegenstände gesehen, sagte sie der "Globe and Mail". Der Wagen sei auf sie zugerast und habe dann ihre Freundin tödlich getroffen. "Überall waren Körper", sagte Kelman.

Fahrer war bereits polizeibekannt

Bei dem Fahrer handelt es sich um den 25-jährigen Alek Minassian, der aus dem Norden Torontos stammt und laut CNN schon vorher polizeibekannt war. Sein Wagen kam mit völlig demolierter Motorhaube auf dem Gehweg zum Stehen, ehe die Polizei ihn umstellte. Im Video eines Augenzeugen ist zu sehen, wie der Fahrer mit einem Gegenstand in Richtung eines Polizisten zeigt und dabei "Töte mich!" sowie "Schieß' mir in den Kopf!" ruft. Zu einem Schusswechsel kam es vor seiner Festnahme aber nicht.

»Er hat die Leben so vieler Menschen zerstört«

"Er hat die Leben so vieler Menschen zerstört", sagte Augenzeuge Alex Shaker dem Sender CTV. "Alles, was ihm in den Weg kam." Auch jemand mit einem Kinderwagen sei vom Auto erfasst worden. Kurz nach dem Schock versuchten Augenzeugen, verletzten Opfern zu helfen. Auf dem Gehweg waren Blutspuren zu sehen, Fotos zeigten mit orangefarbenen Planen bedeckte, offenbar leblose Körper.

Bürgermeister versucht zu beruhigen

Torontos Bürgermeister John Tory sprach den Bürgern Mut zu. "Die Stadt ist momentan in sicheren Händen", sagte Tory. Er bat Anwohner, nach Hause zu gehen und Ruhe zu bewahren. "Es ist eine Zeit, in der wir so ruhig wie nur möglich sein sollten." Die Polizei sperrte die Gegend ab, auch der U-Bahnverkehr wurde unterbrochen.

In Kanada war es schon mehrmals zu Attacken mit Fahrzeugen gekommen. In Edmonton im Westen des Landes griff ein Angreifer im September einen Polizisten mit einem Messer an und rammte dann vier Menschen mit einem gemieteten Lieferwagen. 2014 fuhr ein Mann in Québec zwei Soldaten an, einer von ihnen kam ums Leben.

Keine Emotionen vor Gericht

Nach einer Fahrt in Schlangenlinien über belebte Gehwege in Toronto ist der mutmaßliche Angreifer des zehnfachen Mordes und des versuchten Mordes in 13 weiteren Fällen angeklagt worden. Das bestätigte ein Gerichtssprecher aus der Anhörung, zu der Alek Minassian am Dienstag mit Händen auf dem Rücken und in weißer Häftlingsuniform erschien. Medienberichten zufolge zeigte er kaum Emotionen.

In zwei Wochen wird der mutmaßliche Todeslenker erneut vor Gericht erwartet. Vorbestraft ist Minassian, der mutmaßlich allein handelte, nicht. Alles sehe nach einer vorsätzlichen Tat aus, ermittelt werde in alle Richtungen, sagte Polizeichef Mark Saunders. Mehrere TV-Sender berichteten unter Berufung auf Strafverfolger und Sicherheitskreise, Minassian sei vermutlich geistig verwirrt. In Medienberichten wurde er unter Berufung auf frühere Mitschüler und Kommilitonen als Einzelgänger beschrieben. In seiner High School sei er in Gängen oder der Mensa meist allein unterwegs gewesen, sagte Ex-Mitschüler Ari Bluff dem Sender CBC. "Ich habe ihn im Grunde nie mit Freunden gesehen."

Die Ermittler würden "nichts unversucht lassen", um die Hintergründe der Tat zu klären, sagte Bürgermeister John Tory im Stadtrat. "Das sind wir mindestens den Menschen schuldig, die Opfer der gestrigen Attacke wurden." Tory bezeichnete die Tat als "unergründlich".

»Wir haben zu diesem Zeitpunkt keinen Grund zur Vermutung, dass sich diese Attacke um nationale Sicherheit dreht«

Die Flagge am Parlamentshügel in Kanadas Hauptstadt Ottawa wehte am Dienstag auf halbmast. Premierminister Justin Trudeau dankte den Rettern und sprach von einer "sinnlosen Attacke und einer schrecklichen Tragödie". Auch US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sprachen Hinterbliebenen und Angehörigen der Opfer ihr Beileid aus. Die zuvor geltende mittlere Terrorwarnstufe Ottawas, wo bis Montag die Außenminister der G7-Staaten getagt hatten, blieb unverändert. "Wir haben zu diesem Zeitpunkt keinen Grund zur Vermutung, dass sich diese Attacke um nationale Sicherheit dreht", sagte Trudeau.

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