Thür-Öffner zum Wochenstart

Fernsehnachrichten sind gefragt wie nie zuvor. Die erst vor drei Jahren mit Martin Thür gestartete "ZIB 2 am Sonntag" hat sich ebenso rasch etabliert wie die Info-Sender Puls24 und oe24.tv. Doch es gibt immer noch Nischen für TV-Information

von Medien & Menschen - Thür-Öffner zum Wochenstart © Bild: Gleissfoto

Dass Martin Thür am 26. April den Concordia-Preis für Pressefreiheit erhält, bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte. Der Grund für die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung sind seine Recherchen und Transparenzklagen zu Gehaltsfortzahlungen von Abgeordneten und zu Corona-Hilfen. Der am 25. Juli 40-Jährige hätte aber auch andere Ursachen zum Feiern. Seine "ZIB 2 am Sonntag" ist auf Anhieb zum Fixpunkt der Fernsehinformation geworden. Es gibt sie erst seit 13. Jänner 2019.

Thür hatte nach Anfängen beim niederösterreichischen P3TV 15 Jahre lang für ATV gearbeitet und war nach dessen Verkauf an die Puls4-Gruppe zu Dietrich Mateschitz' Rechercheplattform "Addendum" gewechselt. Der Zahlen-Daten-Fakten-Freak und Mitveranstalter der österreichischen Journalismustage wurde ursprünglich speziell für die Sonntagsausgabe der "ZIB 2" engagiert. Vor ihrer Gründung gab es noch Bedenken, sie könnte der Quote des seitdem später beginnenden "Im Zentrum" schaden. Inzwischen gilt sie als Zuglok für die Diskussion danach - und Bollwerk gegen den 2021 gestarteten Polit-Talk "Links. Rechts. Mitte" von ServusTV. Heuer hatten die bisher 13 Ausgaben der "ZIB 2 am Sonntag" im Durchschnitt 783.000 Seher und 28 Prozent Marktanteil.

Letztlich ist die Erweiterung auf eine Sechstagewoche aber bloß die Reaktion auf eine von Technologie getriebene Veränderung des Informationskonsums. Der TV-Höhepunkt von Breaking News schien schon seit dem 11. September 2001 erreicht. Doch Social Media bewirken noch einen weiteren Schub für Echtzeitnachrichten. Die Auswirkungen auf das lineare Fernsehen hat in Österreich der viel geschmähte Wolfgang Fellner als Erster erkannt. Sein oe24.tv sendet seit Herbst 2016 Infos rund um die Uhr. Unternehmenstypisch übertrifft der Marktanteil das Inhaltsniveau. 2021 waren es 1,2 Prozent. Der frühe Vogel fängt den Wurm: Das im September 2019 gestartete Puls 24 brachte es auf die Hälfte. Im Vergleich zu den ersten zwei Jahren von oe24.tv war das aber schon deutlich mehr Quote.

Unterdessen hatte auch das inzwischen bereits zehn Jahre alte ORF III auf den neuen Trend reagiert. Chefredakteurin Ingrid Thurnher positionierte es seit 2017 so stark in Richtung der Nachrichtenkanäle, dass die alten Serien und Filme dort schon wie Fremdkörper wirken. Die bisherige Laufbahn von Nachfolgerin Lou Lorenz-Dittlbacher wirkt wie eine Ansage zur Verstärkung dieser Entwicklung. Denn 24-Stunden-Info-TV bietet noch viel Luft nach oben. Laut Digital News Report 2021 mit weltweit 46 beteiligten Staaten nutzen zwar schon 23,5 Prozent der Österreicher zumindest wöchentlich diese Fernsehangebote. Doch im EU-Schnitt sind es 35,6 und global 37,1 Prozent. Hier gibt es also noch Nischen für Austro-Geschäftsmodelle.

Wahrscheinlich will der ORF keine schlafenden Hunde wecken, wenn er bei den monatlichen Quotenberichten den Wert für sein drittes Programm zwar alles andere als schamhaft, aber umso konsequenter verschweigt. Im Jahresschnitt 2021 waren es 2,8 Prozent (ORF Sport plus hingegen nur 0,5 Prozent). Wie bei Ö1 im Radiosektor ist das enorm viel für einen Spartenkanal. Zum Vergleich: Der stärkste Privatsender ServusTV hatte als Vollprogramm 3,7 Prozent. Was ORF III darf und soll, könnte also auch ein Zankapfel für die überfällige Rundfunkgesetznovelle werden.

Unabhängig davon ist schon absehbar, dass auch der Samstag spätabends nicht ewig nur mit einer kurzen "ZIB" durchkommen wird. Pandemien und Kriege nehmen auf solche Terminrhythmen ohnehin keine Rücksicht. Zudem hat Österreichs Politik die Wochenenden als Tage der Verkündigung für sich entdeckt. Bis heute gilt ein ungeschriebenes, aber ehernes Gesetz, dass für eine "ZIB 2 am Samstag" zu wenig los ist, doch es braucht nur ein erfolgreiches Infoformat an diesem Spätabend für einen Dammbruch. Die Late Night Shows am Freitag kurz vor Mitternacht zeigen, wie schnell so etwas geht.