"Experiment" gelungen

Höchst emotionales Adieu: "Habe den Kampf gegen meinen Körper bestanden"

Wie im Jahr zuvor sind am Dienstagabend wieder über 7.500 Zuschauer in die Wiener Stadthalle gekommen. Nach der Rückkehr war es diesmal der Abschied der österreichischen Sportlegende Thomas Muster, der für großartige Atmosphäre sorgte. Nach dem 2:6,3:6 gegen Youngster Dominic Thiem und einem emotionalen Danke an seine Fans zog Muster noch einmal Bilanz.

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    Mit Tränen in den Augen verabschiedet sich Thomas Muster von der großen Tennis-Bühne.

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    Das Generationenduell gegen Dominik Thiem hat er verloren.

Musters "ATP-Pension" hat nun wirklich begonnen. Ein paar Challenger noch, ein paar Champions-Turniere bei den Senioren. Nachdem er sich tränenreich vom Publikum verabschiedet hat, stellte sich der frühere French-Open-Sieger, 44-fache Turniersieger und Weltranglisten-Erste noch einmal dem "Kreuzverhör" der Medien.

Über seine Gefühlswelt: "Es war sehr emotional. Ich habe schon Stunden vor dem Match immer wieder Anfälle der Rührung gehabt. Was soll man sagen? Es war der letzte Tag im Büro sozusagen - im großen Büro, weil ein kleineres habe ich ja noch beim Turnier in Salzburg. Ich hatte nie die Möglichkeit, mich von meinem Publikum zu verabschieden. Es war ein wunderschöner Tennisabend mit tollem Publikum, einer tollen Atmosphäre. Ich hätte vielleicht ein bisschen besser spielen können, aber ich glaube, dass das heute nicht so entscheidend war."

Zu Nachwuchshoffnung Thiem: "Er hat das bravourös gemeistert und das Publikum und die Begeisterung in der Halle super weggesteckt. Ich hoffe, dass er so weitermacht und mit den Beinen am Boden bleibt, dann kann er einmal ein sehr guter Tennisspieler werden."

Ob Erleichterung oder Wehmut überwogen hat: "Da geht einem alles durch den Kopf. Von wie man hier im Finale gespielt hat bis dahin wie man verloren hat. Da sind Tränen, Wehmut, Freude alles dabei. Es war sehr schön, die eineinhalb Jahre zu spielen. Es war eine super Herausforderung für mich, es war wirklich ein Kampf gegen meinen eigenen Körper und den habe ich bestanden. Ich habe nicht wirklich eine Verletzung gehabt in den letzten eineinhalb Jahren, ich habe mich Monat für Monat steigern können. Jetzt bin ich froh, dass es so ist, wie es ist. Ich finde es super, wie ich aufgenommen worden bin, vor allem auf der Tour. Ich habe gezeigt, dass man mit 44 noch immer passabel Tennis spielen kann."

Über seine Zukunft: "Ich habe noch vor, ein bisserl auf der Senior-Tour zu spielen. Aber ich möchte mich um meine Familie kümmern, die braucht mich gerade im Moment mehr als das Tennis mich braucht. Es gibt in unserer Familie einen Krankheitsfall, der sehr nahegehend ist und daher ist mir das jetzt wichtiger."

"Es war für mich eine Erdung, ein Weg zurück zu einer Aufgabe, zu einem Punkt. Als ich aufgehört habe, Tennis zu spielen, bin ich vor meinem Leben davongelaufen - ich wollte mit dem nichts mehr zu tun haben. Irgendwann muss man die Reife bekommen und sagen: 'Okay, ich bin weder Kaufmann noch sonst irgendetwas, sondern ich bin eigentlich Tennisspieler und habe mein Leben lang davon und dafür gelebt'. Doch irgendwann muss man sich verabschieden. Ich bereue gar nichts. Ich habe mir auch nichts angetan, sondern ich hatte Spaß an der Sache etwas auszuprobieren. Es hat mir sehr viel Respekt bei sehr vielen Menschen eingebracht, auch bei jungen Spielern. Ich habe sehr viel Freunde gewonnen auf dem Challenger-Circuit, die eigentlich meine Kinder sein könnten, das ist schon toll. "

Über die Niederlagen-Serie: "Man darf nicht darauf schauen, wie viele Matches ich gewonnen habe. Ich habe mich in den letzten drei, vier Monaten unglaublich an dieses Level der ersten 100 herangespielt, auch wenn es im Match nicht immer so läuft. Ich habe gesehen, was möglich ist und was man mit intensivem Training auch in einem relativ fortgeschrittenen Alter noch erreichen kann. Das es nicht für die ersten 50 reicht, ist klar. Ich habe ja auch jahrelang aufgehört gehabt und alles für mich neu entwickeln müssen. Das war unheimlich viel Arbeit und Konzentration und schon eine Berg- und Talfahrt. Ich habe meine Erfolge nicht nach Siegen zu beurteilen, sondern nach Siegen über mich selbst, deshalb kann man solche Niederlagen ganz leicht wegstecken."

Über das Ende seiner extremen Trainingseinheiten: "Ich muss sowieso abtrainieren. Bei mir geht abnehmen schneller, als zunehmen (lacht). Dieses Jojo kannst nicht ewig machen (in Anspielung an seine große Gewichtszunahme nach 1999, Anm.)."

Über eine mögliche Zukunft im Tennis in anderer Funktion: "Ich habe in den nächsten Monaten wichtigere Dinge zu tun, als darüber nachzudenken, ob ich eine Funktion im Tennis übernehmen könnte. Aber sag' niemals nie."

Über seine frühere Unnahbarkeit: "Der Tag hat nur 24 Stunden. Wenn du sehr populär bist, kannst du es nicht jedem recht machen, weil da ist der Tag zu kurz. Wenn du deine Leistung bringen willst, dann brauchst du die Zeit zur Regeneration, um dich auf die Dinge vorzubereiten, die dich ja populär machen. Diese Schutzwand baust du nur auf, weil du irgendwann auch Ruhe brauchst. Du kannst nicht 24 Stunden für alle da sein, und für dich selbst auch."

Über seine emotionale Abschiedsrede in der Stadthalle: "Ich habe ja in Paris aufgehört und hatte nie die Möglichkeit. Die war in Kitzbühel und in der Stadthalle eben da, man realisiert einfach wie viel einem das gibt, die Anerkennung und des Künstlers Applaus. Das war meine Möglichkeit, Danke zu sagen."