Der wirkliche Theatermacher

Claus Peymann inszenierte Thomas Bernhards Dramolette „Der deutsche Mittagstisch“ am Theater in der Josefstadt.

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Theaterkritik - Der wirkliche Theatermacher

Zu Lebzeiten von Thomas Bernhard wäre das undenkbar gewesen: Claus Peymann inszeniert eines seiner Stücke an der Josefstadt und niemand ist empört. „Der deutsche Mittagstisch“ gerät auf einen ersten Blick zur Reise in eine beklemmende Vergangenheit des Deutschlands der Nachkriegszeit. Die Omnipräsenz des Nationalsozialsozialismus führt wie ein Leitfaden durch die sieben Kurzdramen. Tatsächlich scheint das lange her zu sein, aber dann schlagen Bernhards Sätze ein wie Blitze und machen sichtbar, wie brandaktuell das Szenario auch heute noch ist. Zum Beispiel, wenn die Ehefrau eines Polizisten über Demonstranten herzieht (exzellent Sandra Cervik in „Das Match“) oder ein Unfallopfer beklagt wird, das von einem Türken überfahren wurde.

Achim Freyer hat ein ideales Ambiente geschaffen. Über der Bühne prangt ein Porträt von Bernhard in Teufelsgestalt mit rot aufblinkenden Augen. Rote Vorhänge aus Pappe flankieren das Geschehen. Die Geschichte, das Leben – ein Zirkus. Peymann inszenierte jedes Wort. Akkurat führt er durch die Texte, nichts lässt er aus. Der Vergleich mit dem Dirigenten Nikolaus Harnoncourt und Mozart drängt sich auf. Der Pionier der Originalklang-Bewegung interpretierte jeden Takt von Mozart, Striche wären für ihn nicht in Frage gekommen. Das ist auch bei Peymann nicht anders. Er setzt präzise auf Klang und Rhythmus von Bernhards Sprache. Sein Orchester ist ein Ensemble von virtuosen Darstellern: Traute Hoess, Ulli Maier, André Pohl, Raphael van Bargen, Bernhard Schir, Michael König, Lore Stefanek, Marcus Bluhm, Robert Joseph Bartl. Diese Arbeit eines echten Theatermachers wurde vom Publikum heftig akklamiert.

Nächste Vorstellungen: 21., 24,., 25., 28. September

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