Apokalypse im Comic-Zauberwald

Leander Haußmann inszenierte Shakespeares "Sommernachtstraum" am Burgtheater

Die Verschiebung der Premiere schien etwas übertrieben. Denn am Ende regiert bei Leander Haußmanns aufwendiger Inszenierung von Shakespeares „Sommernachtstraum“ das Chaos. Aber das spektakulär. Er verlegt das Geschehen aus dem antiken Griechenland in eine Diktatur in der Gegenwart. Ein Tyrann (Daniel Jesch) herrscht in Athen, sogar seine Braut Hyppolita (Alexandra Henkel) will vor ihm fliehen. Im Zauberwald regiert der Feenkönig Oberon (Johannes Krisch). Was Haußmann aber erzählen will, erschließt die Aufführung nicht.

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Theaterkritik - Apokalypse im Comic-Zauberwald © Bild: Reinhard Maximilian Werner

Bereits anno 1996 hat sich Haußmanns Shakespeares Komödie bei den Salzburger Festspielen vorgenommen. Was davon im Gedächtnis blieb, waren der damals hoch gehandelte André Eisermann als Puck und Schauspielergrößen wie Otto Sander, Hans-Michael Rehberg, Ignaz Kirchner und Ulrich Wildgruber als Handwerker. Und diese sind auch an der Burg erstklassig mit Johann Adam Oest, Peter Matic, Martin Schwab und Hermann Scheidleder hervorragend besetzt.

Was von dieser Aufführung jedoch auch bleiben wird, sind eindrucksvolle Bilder, die Haußmann auf Lothar Hollers düstere Bühne projiziert. Eine mit Stacheldrahtzaun eingezäunte Holzbarackenfestung wandelt sich im ersten Teil in einen dunklen Zauberwald, der irgendwo in einem Regenwald angesiedelt ist. Dorthin flüchten die Liebespaare vor ihrer Zwangsverheiratung. Hermia, die Sarah Viktoria Frick als selbstbewussten Teenager darstellt, und Helena, die Mavie Hörbiger als wunderbares Zauberwesen zeigt, Lysander (Martin Vischer) und Demetrius (Matthias Mosbach), werden von Puck (exzellent: Christopher Nell) verzaubert, vergessen, wen sie eigentlich lieben, geraten in- und aneinander, bis sie einander am Ende des ersten Teils erschießen.

© Reinhard Maximilian Werner

Nach der Pause aber geht’s flott weiter. Was passiert ist, war nur ein Ausflug in die imaginäre der Welt der Comics. Dort wandelt sich Puck in Groot aus „Guardians of the Galaxy“, dort schleudert Oberon (Johannes Krisch) als eine Art von Obi-Wan Kenobi („Star Wars“) seine Blitze und Titania (Stefanie Dvorak) speit Feuer als wäre sie aus Avatars Reichs.

Wenn dann auch noch „The End“ von den „Doors“ ertönt und ein Helikopter sich bedrohlich dem Geschehen nähert, wähnt man sich in Francis Ford Coppolas „Apokalypse now“. Diese Welt ist dem Untergang geweiht. Da muss ein Schnitt her.

© Reinhard Maximilian Werner

Und so geschieht es dann auch. Puck kann nur noch sein Versagen und die Rodung seines Zauberwalds beklagen. Nun herrscht nüchterne Wirklichkeit. Man ist wieder im Theater. Der Publikumssaal der „Burg“ wird auf die Bühne projiziert. Dort herrscht schlimmer Probenalltag. Wie im wirklichen Theaterleben ringt der Regisseur mit der Fertigstellung seiner Inszenierung, baut die eigene Premierenverschiebung ein, „Wir können nicht schon wieder verschieben“, lässt er den Zimmermann Squenz (Martin Schwab) sagen. Die Handwerker aber werden fertig. Johann Adam Oest und Peter Matic zeigen als Zettel und Flaut, respektive als Pyramus und Tisbe, ein paar Momente großes Schauspielertheater.

Und sonst? Viel Theater, das sich in einem hohen Maß an Detailverliebtheit im Chaos verliert, aber in menschliche Abgründe blickt. Und das war toll.