Der Chor der Elenden

Heinz Sichrovsky über "Die Schutzbefohlenen" von Elfriede Jelinek

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© Video: NEWS.AT

Im Theatertext „Die Schutzbefohlenen" thematisiert Elfriede Jelinek die Tragödie der Flüchtlinge, die, den wieder mittelalterlichen Zuständen Rechnung tragend, vor drei Jahren in der Wiener Votivkirche Schutz vor Abschiebung suchten. Solange sie durch die öffentliche Aufmerksamkeit geschützt waren, blieben sie unbehelligt. Als die Debatte verklang, begannen die Abschiebungen. Es ist bewegend, wie zum Teil bedeutende Schauspieler – Sarah Viktoria Frick, Christiane von Poelnitz, Stefanie Reinsperger, Daniel Sträßer – ihre Identitäten aufgeben, um im Chor der Elenden aufzugehen. Diese chorischen Passagen hinter griechischen Masken sind das Stärkste der Aufführung. Thalheimer verzichtet dankenswert auf das aktuell Unverzichtbare, auf Mikrophone und Videozuspielungen.

In einem schwarzen Bühnenraum, über dem riesig das Kreuz als trügendes Heilszeichen glüht (Bühne: Olaf Altmann), wird pures Brecht’sches Theater gespielt. Wenn sich das Kollektiv punktuell in Einzelaktionen auflöst, verliert die Aufführung an Kraft und Stringenz. Die Polemik gegen die Blitzeinbürgerung der Jelzin-Tochter und der Sängerin Anna Netrebko wirkt da seltsam kleinlich und unter dem Niveau des Ganzen.

Dass die Netrebko zudem in einer – mutmaßlich von Marelize Gerber – ansprechend gesungenen Händel-Arie personifiziert wird, ist wenig zweckdienlich: Dieses Repertoire ist ungeeignet, das Primadonnenhafte des Vorgangs zu bebildern.

Dennoch: maßgebliches, bedenkenswertes Theater.

Weiterführende Informationen
Elfriede Jelinek: Die Schutzbefohlenen im Burgtheater
Regie: Michael Thalheimer
Termine:
31.1.2015 I 20:00 Uhr
2.4.2015 I 20:00 Uhr
23.4.2015 I 19:30 Uhr
27.4.2015 I 20:00 Uhr
29.4.2015 I 20:00 Uhr
4.5.2015 I 20:00 Uhr

http://www.burgtheater.at/

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