Terror in Wien: "Schleich di, du Oaschloch!"

"Schleich di, du Oaschloch!": So trotzt Wien dem Terrorismus. Welche Wirkungsmacht steckt hinter dem Satz und was unterscheidet ihn zu #jesuischarlie?

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Was steckt dahinter? - Terror in Wien: "Schleich di, du Oaschloch!"
Ruth Wodak O. Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. Ruth Wodak ist emeritierte Distinguished Professor for Discourse Studies an der Lancaster University (Großbritannien) und weiterhin affiliiert an die Universität Wien, an die sie 1991 als ordentliche Professorin für Angewandte Sprachwissenschaft berufen wurde. 1996 erhielt sie als erste Frau und Sozialwissenschaftlerin den Wittgenstein-Preis für SpitzenforscherInnen. Tatjana Lackner ist Gründerin und Leiterin der "Schule des Sprachens". Die Sprachprofilerin trainiert seit mehreren Jahren Führungskräfte, Politiker, Moderatoren und Karriereorientierte.
© Tatjana Lackner beigestellt
Dr. Persson Perry Baumgartinger ist Wissenschaftler, Lektor, Trainer und Coach. Seine Forschungsschwerpunkte sind Kritische Diskurs- und Dispositivanalyse, Queer Linguistics, Sozialgeschichte, Trans-Arts and Cultural Production, Diversity sowie Kunstkommunikation.

In den Sozialen Medien macht ein Ausruf die Runde -„Schleich di, du Oaschloch!“ Er bezieht sich auf den Ausruf eines Mannes, der dem Attentäter in einem der zahlreichen Montagnacht veröffentlichten Videos angeblich „Schleich di, du Oaschloch!“ nachgerufen haben soll.

Ist der Satz wirklich so gefallen? Das lässt sich im Nachhinein schwer verifizieren – was jedoch klar ist: Der Satz wird zu einem Slogan der Wiener und Wienerinnen gegen den Angriff, gegen der Terror. Ein Spruch, der Facebook-Profilbilder schmückt, der geteilt wird.

Welche Wirkungsmacht hat dieser Ausruf, was unterscheidet ihn zu dem Hashtag #jesuischarlie? Expertinnen und Experten geben Einschätzungen.

Ich sage Dir, was zu tun ist!

„Es ist ein spontaner und damit authentischer Ausruf“, sagt Sprachwissenschafterin Ruth Wodak. In der Situation sei er durchaus „wirkungsvoll“. Und genau da liegt für Wodak auch der entscheidende Unterschied zu dem Slogan #jesuischarlie. Das sei ein Appell an ein Wir-Gefühl, der post-hoc entstanden sei. Anders als der Ausruf, der in der Situation entstanden sei – „Hier ist Wut ohne Angst zu erkennen. Ein Appell. Das ist ähnlich einer Aufforderung an jemanden, der gerade über meinen Gartenzaun steigt und dem ich klarmache: verschwinde, verlasse umgehend mein Grundstück!“

Ähnlich sieht das auch Sprachprofilerin Tatjana Lackner. Sie unterstreicht die pro-aktive Rolle, die der Ausrufende einnimmt. „'Schleich di, du Oaschloch!' Beinhaltet eine klare Ansage, ich sage dir jetzt was du zu tun hast, ich bestimme, wen ich auf meinem Grund und Boden haben möchte, nicht der IS oder andere.“ Darauf seien viele Menschen konditioniert, denn „wenn was nicht passt, müssen wir das ändern“, so Lackner.

Dass der Ausruf im Wiener Dialekt erfolgt sein soll, mache ihn „charmanter“, „zugänglicher“, so Wodak und Lackner übereinstimmend.

Der Sprachwissenschafter und Trainer Persson Perry Baumgartinger betont die Bedeutung des Kontextes. Nicht nur, dass es sich um eine spontane Reaktion gehandelt habe, in einer „heftigen Situation“, sondern auch, die Tatsache, dass es sich bei dem zitierten Satz um „second-hand“-Wissen handele. Wurde er wirklich so getätigt? „Je öfter er nun verwendet wird, bekommt er eine neue Bedeutung, unabhängig vom ursprünglichen Ereignis“, so Baumgartinger.

Für ihn sei es interessant, dass dieser Satz als Symbol einer „kollektiven Widerständigkeit der Wiener und Wienerinnen“ gelesen wird, habe man, betrachtet man die Geschichte, doch ein etwas anderes, wenn nicht sogar konträreres Bild der Wiener Bevölkerung. „Es wird jetzt eine Identität, ein Auftreten, ein Bild produziert, das sich historisch so nicht belegen lässt.“

»Solidaritätsbekundung, über die man die Patina des Wienerischen drüber laufen lässt«

Eine „Solidaritätsbekundung, über die man die Patina des Wienerischen drüber laufen lässt“, formuliert es Tatjana Lackner.
Für den Moment sei es „eine Art Medizin, die uns guttut; die uns von der Kränkung des Angriffs befreit.“

Die Message, die durch #jesuischarlie, vermittelt werden sollte, war damals, nach dem Angriff auf die Redaktionsräume der Satirezeitung „Charlie Hebdo“, ein „ich solidarisiere mich“. „Hier wurde post-hoc vermittelt „Ich bin auch einer von euch“, so Baumgartinger. Was durchaus auch vielfach kritisiert wurde, als „Wohnzimmersolidarisierung“ oder mit der Frage konfrontiert wurde – wer möchte denn ernsthaft Opfer eines Terrorangriffs sein?

Der Gewalttat wird Sprache entgegengesetzt

Für Ruth Wodak ist die Kombination des Ausrufs und dem Nachschmeißen eines Blumentopfes symbolisch passend. „Das bringt die ganze Sache auf den Boden zurück. Der Täter wird nicht überhöht. Dem gewalttätigen Akt wird Sprache und so etwas banales wie ein Blumentopf entgegengesetzt.“

„Bürgermeister Michael Ludwig dürfte Freude an dem Ausruf haben“, so Lackner, schließlich sei „Wien anders“.

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