Tage der Entscheidungen

Der Krieg in der Ukraine markiert eine Zeitenwende. Klare Worte in der Politik sind gefragt -und werden geliefert. In Österreich, Deutschland und der Ukraine.

von Tage der Entscheidungen © Bild: News/ Matt Observe

Die Latte für Politiker, wofür es Applaus und Punkte im Ansehen-Ranking gibt, liegt zuweilen nicht sehr hoch. Zu den besten Zeiten von Altkanzler Sebastian Kurz reichten ein inflationär eingestreutes "Wir sind die Besten" und ein Interview mit markigen Ansagen in einem deutschen Medium. Ebendieser Altkanzler hatte freilich gerade nichts Besseres zu tun, als, während die ersten Raketen auf europäischem Boden einschlugen, via Twitter seine Reinwaschung zu verkünden - in Hinblick auf geschönte Umfragen, die zu seinen Gunsten erstellt wurden. Ebendieser Altkanzler heuerte gerade bei Peter Thiel an. Einem Milliardär, der mit seinen Millionen gerne populistische Nationalisten unterstützt und die Pressefreiheit für "anachronistischen Firlefanz" hält. Aber ebendieser Altkanzler spielt auf dem Politikparkett keine Rolle mehr.

Karl Nehammer schon. Und der macht auf dem außenpolitischen Parkett mit entsprechender Innenwirkung einen guten Job. Klar und unmissverständlich. Verstehend und erklärend. Richtig und angemessen im Ton. Selbstverständlichkeiten, könnte man schulterzuckend antworten. Doch selbstverständlich waren bekanntlich selbst eigentlich unverrückbare Grundsätze hierzulande nicht. Der Kanzler positioniert sich ohne Rumgeeiere, etwa mit Blick auf die bevorstehende Flüchtlingswelle. Freilich wohl wissend, dass ein Ausscheren von Österreich, jenem Österreich, das bis jetzt mit Blick auf "andere" Flüchtlinge aus "Gründen der Machbarkeit" einen weiteren Zuzug bzw. Verteilung konsequent ablehnte, nicht vorgesehen ist. Das ist nicht nichts. Das darf hervorgehoben werden. Andere in der ÖVP haben diese Klarheit nicht, bringen dafür viel altes Denken mit. Wolfgang Sobotka empfiehlt auf die Frage nach der Aufnahmebereitschaft für Kriegsvertriebene, die Ukrainer mögen doch bitte im Land bleiben und kämpfen. Und auch der Innenminister will sich bei der Frage nach dem "Recht auf Flucht" partout nicht positionieren.

»Der Kanzler positioniert sich. Ohne Rumgeeiere«

Der Krieg in der Ukraine markiert eine Zeitenwende. Auch in den politischen Etagen. Der Eintrag in die Geschichtsbücher geht dieser Tage schnell. Quasi über Nacht haben auch die Deutschen einen neuen Kanzler bekommen. "Zu langsam, zu kurzsichtig, zu unentschlossen" lautete zuvor die Kritik an Olaf Scholz. Nach einer für seine Verhältnisse flammenden, ja historischen Regierungserklärung vor dem Bundestag am vergangenen Sonntag resümiert das "Wall Street Journal": "Putin hat Deutschland verloren." War eben noch das Nato-Zwei-Prozent-Ziel eine Zumutung, verspricht ebendieser Scholz, der Sozialdemokrat, jetzt "mehr als zwei Prozent" und einen Sonderetat von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Die Bedenken der USA in Hinblick auf die Zuverlässigkeit im Nato-Bündnis: ausgeräumt. In ein paar Minuten.

Jurist, Schauspieler, Komiker, Präsident, Staatsmann, Nationalheld - der 44-jährige Wolodymyr Selenskyj hat diesen Weg in nicht einmal drei Jahren zurückgelegt. Anfangs belächelt, jetzt weltweit zitiert. Mit seiner Antwort an die USA: "Ich brauche Munition, keine Mitfahrgelegenheit." Und mit seiner Botschaft an die russischen Soldaten: "Rettet euer Leben und geht heim." Dieser Krieg erzählt viele Geschichten. Traurige Geschichten. Aber auch Geschichten über Entschlossenheit. Und Mut.

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