Grasser-Prozess als
Existenzbedrohung

Verfahren dauert schon fast zwei Jahre - Pflichtverteidiger haben bisher noch kein Geld gesehen

Den 126. Tag im Grasser-Prozess eröffnete heute ein prominenter Zeuge: Tilo Berlin, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der pleite gegangenen Kärntner Bank Hypo Alpe Adria. Er wird von Richterin Marion Hohenecker zu Genussscheinen seiner Vermögensgesellschaft befragt. Es geht um das sogenannte "Schwiegermuttergeld", das von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser in einen Genussschein investiert wurde.

von
126. Tag - Grasser-Prozess als
Existenzbedrohung

Wie der "Standard" heute online berichtet haben die fünf Pflichtverteidiger im Grasser-Prozess bisher noch kein Geld für ihre nunmehr fast zweijährige Prozessbegleitung erhalten. Pflichtverteidiger bekommen jene Angeklagte, die sich keinen Anwalt leisten können, wie das unter anderem bei den mitangeklagten Ex-Lobbyisten Walter Meischberger und Peter Hochegger der Fall sein soll. Auszahlende Stelle ist das Justizministerium, die fünf Anwälte sollen Rechnungen über insgesamt drei Millionen Euro gestellt haben.

Dazu interessant: Warum der Grasser-Prozess so lange dauert

Existenzbedrohend und belastend

Zu Beginn des heutigen Prozesstages meldete sich der Anwalt eines angeklagten früheren Raiffeisen-Managers mit der Eingabe zu Wort, dass sein Mandant künftig an weniger Verhandlungstagen teilnehmen muss. Als Unternehmer sei die lange Verfahrensdauer - am 12. Dezember jährt sich der Prozessauftakt zum zweiten Mal - für den Angeklagten mittlerweile existenzbedrohend und auch psychisch sehr belastend. Hohenecker kündigte an, dass morgen die Angeklagten zum Linzer Terminal Tower nicht im Gerichtssaal erscheinen müssen, dann werde man weitersehen.

Tilo Berlin als Zeuge

Der in Hannover geborene Tilo Berlin schilderte heute zu Beginn seiner Vernehmung seine Kontakte in Österreich rund um Grasser und den verstorbenen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider. Er habe im Spätherbst 2006 vorgefühlt, ob von Seiten der österreichischen Politik Interesse daran bestehe, dass er über seine luxemburgische Investmentgesellschaft Anteile an der Hypo Alpe Adria erwirbt. Damals habe er auch mit Grasser gesprochen.

Das "Schwiegermuttergeld"

Zur Einordnung: Grasser hatte jene 500.000 Euro, die er von seiner Schwiegermutter erhalten haben will, über die Ferint AG in einen Genussschein dieser Vermögensgesellschaft investiert, damit wurde der Kauf von Anteilen der Hypo Alpe Adria mitfinanziert. Grasser gibt an, er habe das Geld - während seiner Ministerzeit - in bar von der Schweiz nach Österreich gebracht und bei der Meinl Bank eingezahlt. Grassers Schwiegermutter soll bei einer Einvernahme ausgesagt haben, dass die 500.000 Euro nicht von ihr stammen.

Die Verteidigung von Grasser führt diese Diskrepanz darauf zurück, dass der millionenschweren Schwiegermutter aus der Swarovski-Unternehmerfamilie aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters und der Aufregung bei der Einvernahme wohl ein Fehler passiert sein könnte.

Berlin als Gerichts-Dauergast

Tilo Berlin kennt inzwischen Gerichte zu genüge, er ist eine zentrale Figur bei der rechtlichen Aufarbeitung der milliardenschweren Hypo-Pleite, die das Land Kärnten fast in die Insolvenz führte. Zuletzt kam Berlin im Februar des heurigen Jahres ins Landesgericht Klagenfurt: Hierbei ging es in einem Zivilverfahren um 2,57 Mio. Euro, welche die Hypo-Nachfolgebank Heta von Berlin zurückhaben will. Das Geld war als "Sonderdividende" an Altaktionäre bezahlt worden, zu Unrecht, wie ein Strafverfahren ergab. Berlin wurde wegen dieser Sonderdividende, die im Zuge des Verkaufs der Kärntner Hypo Alpe Adria an die Bayerische Landesbank ausgeschüttet worden war, rechtskräftig zu zehn Monaten unbedingter Haft verurteilt.

Österreich-Besonderheit: Jeder kennt sich

Berlin, der in Wien zur Schule gegangen ist, erklärte heute vieles mit einer Besonderheit Österreichs - nämlich der Kleinräumigkeit, wodurch sich die wichtigen Personen des Landes alle gut kennen würden.