Soldat von Hunden getötet: Opfer-Anwalt kritisiert Bundesheer

Verdacht hinsichtlich fahrlässiger Tötung geäußert - "Totalversagen des Überwachungs-, Sicherheits- und Schutzsystems"

Der Rechtsanwalt der Familie des in Wiener Neustadt von Schäferhunden getöteten 31-jährigen Militärhundeführers hat am Dienstag scharfe Kritik am Bundesheer geübt. Unter Verweis auf die Aktenlage äußerte er in einer Aussendung den Verdacht, dass "diverse Mitglieder" des Heeres "sowie das Bundesheer an sich die fahrlässige Tötung meines Mandanten zu verantworten haben".

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Tödliche Bisse - Soldat von Hunden getötet: Opfer-Anwalt kritisiert Bundesheer

In seiner Kritik hielt der Jurist fest, dass man "manches, was nunmehr bekannt wurde", schlichtweg nicht mehr "schön reden" könne. Die bisherigen Ermittlungsergebnisse würden "eindeutig darauf hindeuten, dass der Unfall einem Totalversagen des Überwachungs-, Sicherheits- und Schutzsystems in der betroffenen Kaserne zu verdanken ist".

"Ungereimtheiten verharmlost"

Der Wiener Rechtsanwalt Erich Gemeiner kritisierte auch, dass mit "sogenannten Ergebnissen" der bundesheerinternen Untersuchungskommission keine wirklich neuen Fakten präsentiert würden. Es würden lediglich "wenige der in meiner Stellungnahme zuvor bereits enthaltenen Vorwürfe, Ungereimtheiten und Fragen kommentiert und verharmlost".

"Diese Art der Transparenz, nämlich ausschließlich zu reagieren anstelle von aktiv zu agieren, ist bedenklich", hielt der Opfer-Anwalt fest. Die Art des medialen Umgangs mit so einem tragischen Unfall, nämlich tatsächliche Fakten zu negieren und für jeden Vorwurf eine Ausrede zu finden, anstelle - aufgrund der bisherigen Aktenlage naheliegend - schlichtweg zuzugeben "Ja, leider, für diesen Unfall muss das Bundesheer die volle Verantwortung übernehmen, da ist einfach viel schiefgelaufen", gleiche einer Verhöhnung des Opfers und dessen Hinterbliebenen.

Er fordere das Heer erneut auf, die volle Verantwortung für das tragische Ableben des Opfers zu übernehmen. Von "weiteren (offenbar in Panik verfassten) Statements ... sei schon allein aus Menschlichkeit sowie aus Transparenz- und Pietätsgründen Abstand zu nehmen", schrieb Gemeiner weiter.

Der Anwalt äußerte zudem die Hoffnung, dass von ihm bei der Staatsanwaltschaft beantragte Ermittlungsschritte "für weitere Aufklärung sorgen". Dazu zählen u.a. Sachverständigen-Gutachten und ein Lokalaugenschein.

Der Jurist unterstrich, dass in dem Fall "höhere Stellen ein fahrlässiges Verhalten zu verantworten" hätten. Es habe "das System an sich versagt".

Ein Hund biss bereits davor zu

Einer der beiden Schäferhunde hat zudem bereits im Februar nach einem Ausbildner geschnappt. Dies geht aus einem Zwischenbericht hervor, den die Untersuchungskommission des Bundesheeres am Montag vorgelegt hat. Der jüngere involvierte Hund dürfte indes nicht zugebissen haben - er litt an Bisshemmung.

In der Ausbildung komme es "oft vor", dass ein Hund zubeiße, letztlich entscheide dann der Hundeführer, was zu passieren habe. In diesem Fall habe es "keine Konsequenzen gegeben", sagte Oberst Michael Bauer vom Verteidigungsministerium am Montag auf Anfrage. Beim entsprechenden Ereignis im Februar habe der ältere Schäferhund nach einem Feinddarsteller geschnappt, wobei dieser nicht verletzt wurde. Außerdem ließ sich der Malinois ohne Gegenwehr in den Zwinger zurückbringen, was als Indiz für keine erhöhte Gefährlichkeit gewertet wurde. Der Zugriffshund hatte bereits vier Ausbildungsmodule absolviert und wäre nach Abschluss der Prüfung im Frühjahr für eine Spezialausbildung vorgesehen gewesen.

Dass der jüngere der beiden Schäferhunde zugebissen habe, gelte als "sehr unwahrscheinlich", teilte Bauer weiter mit. Es sei davon auszugehen, dass er "nicht zugebissen" habe. Außerdem war das Tier wegen seiner Bisshemmung für keine weiteren Qualifizierungsmaßnahmen vorgesehen. Der für die beiden Malinois zuständige Hundeführer war am Abend des 13. November nicht anwesend, er befand sich auf einer Übung. Gegen ihn war wegen des Verstoßes gegen die Bestimmungen zum Einbringen von Hunden in Kasernen ein Disziplinarverfahren eingeleitet und bereits abgeschlossen worden. Ob und welche Konsequenzen es dabei für den Soldaten gegeben hat, konnte Bauer aus "rechtlichen Gründen" nicht sagen.

Der getötete Oberwachtmeister aus dem Bezirk Mödling war am 13. November gegen 16.00 Uhr zur Zwingeranlage aufgebrochen, um die fünf Hunde zu betreuen. In der Nacht auf den 14. November bemerkte dann der diensthabende Offizier zwei freilaufende Zugriffshunde. Dieser weckte einen Hundeführer auf, der die Tiere wieder einsperrte und den toten Kollegen kurz vor 2.00 Uhr mit massiven Bisswunden vor dem Zwinger fand.

Dass der seit 2017 als Hundeführer tätige Soldat erst Stunden nach dem Vorfall gefunden wurde, liegt laut Aussendung daran, dass die Zwingeranlage hinter einem Erdwall am äußersten Rand der Kaserne in kaum besiedeltem Gebiet liegt. Außerdem befindet sich um das Areal ein weiterer eingezäunter Bereich, der als Auslauf genutzt wird und nicht einsehbar ist.

Ursprünglich hatte das Bundesheer ihre Hunde in der Wiener Neustädter Maximilian-Kaserne innerhalb von bewohntem Gebiet untergebracht. Aufgrund von Lärmbeschwerden wurde die Zwingeranlage aber im Frühjahr 2019 in die Flugfeld-Kaserne verlegt.