Das Böse als Theater-Comic

Susanne Zobl über „Die Macht der Finsternis“ von Leo Tolstoi

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Die Macht der finsternis © Bild: Georg Soulek Georg Soulek / Burgtheater

Im Zentrum des Stücks sollte eigentlich der Knecht Nikita (Fabian Krüger), stehen, ein von Lust und Gier gesteuertes Wesen, das am Ende die Abgründe seiner Seele überwindet. Darum schert sich Antú Romero Nunes zunächst einmal nicht. Gegen die Verknappung von Tolstois fünfaktigem Drama auf zwei Stunden ohne Pause spricht nur Antú Romeros bescheidener Umgang mit dem Stoff. Denn die Regie geht da vor allem vom Bühnenbild aus. Auf Florian Lösches dunkler Bühne prangt ein überdimensionaler Berg von Säcken. Dort thront der alte, kranke Bauer Petr (Johannes Krisch), eine Art Kreuzung aus Rübezahl und Robinson Crusoe im Endstadium, dort fläzen Anisja, seine Frau (Aenne Schwarz), die Töchter Akulina (Mavie Hörbiger) und Anjutka. Die Figuren, bis zur Unkenntlichkeit als monströse Wiedergänger mit weißer Schminke und Dünnhaarperücken entstellt, mühen sich über den Berg von Säcken, plagen sich mit den ausstopfenden Kostümen. Das wirkt höchstens wie durchschnittliches, einem unbestimmten Zeitgeist gefälliges Vorstadttheater.

Tolstoi hat mit seinem Stück das kriminalistische Psychogramm einer verkommenen Gesellschaft geschaffen. Er lässt nichts aus, was Böse ist, Missbrauch inbegriffen. Die Bäuerin befördert mithilfe ihrer künftigen Schwiegermutter den maroden Gatten ins Jenseits, um den jungen Knecht zu heiraten, der Knecht, schwängert die Stieftochter, tötet das Neugeborene und lässt es von seiner Mutter im Keller des Hauses vergraben. Archetypen des Schrecklichen zeigt Tolstoi da.

Bei Nunes wirkt das alles wie aus einem Comic. Dass aber trotzdem so etwas wie Seelentheater entstehen kann, geht auf die Rechnung des vorzüglichen Ensembles.

Das Dämonische in Person ist Kirsten Dene als Drahtzieherin des Bösen. Ignaz Kirchner zeigt den Vater als Kunstfigur, ein Zwischenwesen aus Moralapostel und Tyrann. Mavie Hörbiger lässt durch ihr puppenartiges Spiel das entstellende Kostüm vergessen. Johannes Krisch vergrößert mit Ausdruck die knappen Rollen des Bauern und des alten Knechts.
Wie Fabian Krüger trotz Stoffbauch und Wurzelsepp-Bart seinen Reue nach dem Kindsmord zeigt, wie er sich in der letzten Viertelstunde vom Triebgesteuerten zum Gottsucher wandelt, ist am Ende doch noch bemerkenswertes Theater.

Weiterführende Informationen:
Die Macht der Finsternis am Akademietheater
Termine:
April
Samstag, 04.04.2015 | 19.30 Uhr
Dienstag, 07.04.2015 | 19.30 Uhr
Samstag, 11.04.2015 | 19.30 Uhr
Donnerstag, 23.04.2015 | 19.30 Uhr
Mai
Montag, 04.05.2015 | 19.30 Uhr
Sonntag, 17.05.2015 | 19.00 Uhr
Freitag, 29.05.2015 | 19.30 Uhr
Juni
Dienstag, 02.06.2015 | 19.30 Uhr
www.burgtheater.at

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