Stressjob Polizeiverhandler: Ohne Psycho-
logie geht in Krisensituationen gar nichts!

Bei uns in Österreich gibt es 5 Verhandlungsgruppen Kerbl: "Wollen Leben retten - von allen Beteiligten"

Stressjob Polizeiverhandler: Ohne Psycho-
logie geht in Krisensituationen gar nichts!

Fünf Verhandlungsgruppen gibt es im gesamtem Bundesgebiet, die insgesamt etwa 100 Mitarbeiter umfassen. Neben den persönlichen Voraussetzungen handelt es sich bei potenziellen Verhandlern immer um Exekutivbeamte mit langjähriger Erfahrung. Von welchen Dienststellen sie kommen, ist laut Kerbl sekundär: "Unsere Leute sind aus verschiedensten Dienststellen: Kriminalbeamte, uniformierte Polizisten, Techniker sind dabei und Psychologen."

Verhandlertätigkeit als Nebenjob
Die Verhandlertätigkeit ist für sie ein Nebenjob, den sie neben ihrem normalen Dienst ausüben. Rund 60 bis 70 Anforderungen gibt es pro Jahr für die Teams. "Geiselnahmen sind dabei aber die absolute Ausnahme. Meist handelt es sich um Verbarrikadierungen und Personen mit Suizidgefahr", erläuterte Kerbl. Wichtig ist auch, dass diese speziell ausgebildeten Beamten über das gesamte Bundesgebiet verteilt sind. "Damit können wir auch Einsätze in exponierten Gegenden abdecken."

Verhandler sind ausnahmslos Freiwillige. "Wobei wir sowohl Bewerbungen bekommen, als uns auch gezielt Mitarbeiter aussuchen. Es sind alle handverlesen", sagte Kerbl. Wer in die engere Auswahl kommt, wird neben den obligaten Erkundungen in seinem Arbeitsumfeld in Hearings und Rollenspielen weiter getestet: "Dabei schauen wir uns an, ob die Leute krisensicher sind." Für jene Beamten, die das Auswahlverfahren überstanden haben, beginnt die mehrwöchige Grundausbildung in Seminarform.

Psychologie ist besonders wichtig
Schwerpunkte sind dabei psychologische Inhalte, ohne die kein Verhandler auskommt, dazu Kommunikationstraining sowie eine taktische Ausbildung. Ein Hauptthema dabei ist immer das Stressverhalten, wobei der Verhandler das bei allen Beteiligten einkalkulieren muss: "In erster Linie beim Täter, aber auch bei den Geiseln und nicht zuletzt bei sich selbst", erklärte Kerbl. "Der Verhandler muss zuerst die eigene Emotion unter Kontrolle bringen, sonst braucht er gar nicht anzufangen."

Ein weiterer Bereich der psychologischen Ausbildung fällt unter das Kapitel "Kommunikation und Wahrnehmung". Dabei lernen die Beamten unter anderem, wie sie mit der Stresssituation des Täters umgehen. Auch über die verschiedenen Kommunikationsebenen lernen sie einiges. Kerl brachte zur Erklärung ein Alltagsbeispiel: "Jeder kennt das: 'Du, da vorne ist grün', sagt der Beifahrer und will damit dem Lenker nur eine Information geben. Der ist aber beleidigt." Speziell in Partnerschaften komme so etwas oft vor.

Zuhören ist wichtiger, als sprechen
Josef Kerbls Conclusio: "Der geschulte Verhandler muss noch besser zuhören können als sprechen, und das ist das Schwierige." In zahlreichen Übungen und Rollenspielen sollen die Beamten das lernen. Auf dem Lehrplan steht weiters Psychopathologie. Die Verhandler erfahren etwas über verschiedene psychische Störungen bis hin zum suizidalen Verhalten.

Theorie und Praxis gehen dabei immer Hand in Hand. "Wir wollen keine Forscher. Die Ausbildung ist wie ein Mosaik." Weitere Bausteine kommen mit der taktischen Schulung. Die Beamten lernen dabei alles über die Phasen und Abläufe bei solchen Einsätzen, besonders bei Geiselnahmen. Das betrifft beispielsweise das Befinden von Tätern und Opfern. Darunter fällt weiters das so genannte Stockholm-Syndrom, aber auch organisatorische Abläufe der Polizei bei solchen Einsätzen.

Es darf 'Nein' gesagt werden
Einer breiteren Öffentlichkeit wurde der Job von Polizeiverhandlern unter anderem durch den Hollywood-Streifen "Verhandlungssache" mit Samuel L. Jackson und Kevin Spacey bekannt. Auch wenn nicht alles darin mit der Realität übereinstimmte, gab es doch Parallelen. Etwa wenn Jackson, der zum Geiselnehmer mutierte Starverhandler, seinem Ex-Mitarbeiter davor warnt, im Gespräch das Wort "Nein" zu verwenden.

"Ich würde nicht sagen, dass wir niemals 'nein' sagen dürfen, aber wir versuchen das zu vermeiden", sagte Kerbl. "Wir müssen dem Täter immer das Gefühl geben, die Situation kontrollieren zu können. Mit einem 'Nein' läuft man Gefahr, dass man ihm das Gefühl gibt, die Kontrolle nicht mehr zu haben." Das hängt mit der Philosophie der Verhandler zusammen: "Emotion senken, stabilisieren und auf eine rationale Ebene bringen." Denn jede Krisensituation beginnt mit einem hochemotionalem Zustand, so Kerbl: "Auch die geplante Geiselnahme durch einen Terroristen."

Das Ende von Krisensituationen ist hingegen offen. Zum Job der Verhandler gehört es auch zu erkennen, wenn es nicht mehr weiter geht. "Das müssen wir", bestätigte Kerbl. Wenn Gefahr für Leib und Leben gegeben ist, sollten die Vermittler das rechtzeitig erkennen und an ihre Kollegen weitergeben.

(apa/red)