Streiten, aber bitte mit Stil

Gibt es eine positive Streitkultur? Macht Streiten Sinn? Neuen Erkenntnissen zufolge ja. Aber warum eigentlich? Und welche Verhaltensweisen im Umgang mit Konflikten gibt es?

von Liebes Leben - Streiten, aber bitte mit Stil © Bild: Nathan Murrell

Streit und Unruhe im Beziehungsalltag – wer mag das schon? Andererseits gibt es Paare wie Michelle und Adrian. Sie lieben sich und sie streiten sich. Daraufhin erfolgt Versöhnungssex, insbesondere wenn der Streitgrund Eifersucht war. Studien zufolge wünschen sich Frauen nach Streitigkeiten eher emotionale Zuwendung und klärende Gespräche, wogegen Männer mit Beischlaf den Konflikt zu lösen versuchen. Auch Wut, Enttäuschung und Ärger lassen sich beim Sex entladen. Im Umgang mit Meinungsverschiedenheiten unterscheidet man grob drei Streittypen:

Erstens: Angriffstyp. Personen, die Konflikte im Angriffs- oder Kampfmodus austragen, haben meist große Selbstzweifel und Minderwertigkeitsgefühle, weshalb sie um jeden Preis dominieren und "gewinnen" wollen. Das bedeutet, dass eine der Konfliktparteien die andere Partei zu widerlegen sucht und sich dabei durchaus aggressiver Mittel bedient: der verbalen Abwertung in Form von Beleidigungen und Beschimpfungen, mit dem Ziel, das Gegenüber zu schwächen. Weitere Waffen sind Augenrollen, genervtes Aufseufzen, Zynismen und Generalisierungen wie "Du hörst mir nie zu", "Du musst immer recht haben" oder "Du bist wie deine Mutter". Nachdem die Wiederaufbauprogramme des Vertrauens und eines achtsamen und wertschätzenden Umgangs von Runde zu Runde schwerer fallen und stets etwas vom Giftgas der Verbalattacken zurückbleibt, liegt diesem Beziehungsstil häufig eine narzisstische Persönlichkeitsstruktur mit massiven Verlust- und Bindungsängsten zugrunde. Hier wäre in einer Psychotherapie zunächst das ramponierte Selbstwertgefühl zu sanieren und in der Folge ein reiferer Umgang mit Gefühlen der Zurückweisung und Kritik zu entwickeln. Nur so kann ein Betroffener seinen Kampf- und eigentlich ja Verteidigungsmodus sein lassen.

Mann und Frau streiten.
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Ebenso wenig zielführend in der Streitkultur ist, zweitens, der defensive Streittyp. Ein so gestrickter Mensch begibt sich in den Rückzug zur Konfliktvermeidung. Nicht nur, dass es auf Dauer ungesund ist und zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Burnout führen kann, Gefühle wie Wut, Verzweiflung und Enttäuschung hinunterzuschlucken, es ändert ja nichts an der Tatsache, diese Gefühle zu haben – auch wenn man’s nicht offen anspricht.

Drittens: Anpassungstyp. Im Streitfall zu nachgiebig und willenlos zu sein und den eigenen Standpunkt aufzugeben, bedeutet allenthalben, sich auf eine naive Art unsichtbar zu stellen, wie kleine Kinder, wenn sie die Augen schließen, um unsichtbar zu sein.

Optimal ist, viertens, der positive oder konstruktive Streittyp. Dabei begeben sich die Streitenden auf Augenhöhe gleichsam in den Ring der gleichwertigen Konfliktaustragung. Keiner schlägt den anderen wie beim aggressiven Kampf k. o., sondern es geht um das Verständnis oder vielmehr den Respekt den Überzeugungen des Partners oder der Partnerin gegenüber und nicht darum, über ihn oder sie zu triumphieren. Wichtig hier ist, dass Sie sich um eine solche Dialogkultur bei Konflikten immer wieder gemeinsam bemühen, niemand ist zeitlebens auf Achtsamkeit und Fairness programmiert. Vielleicht zu Ihrer Beruhigung, wenn bei Ihnen oftmals ein Wörteln entsteht und es um nichts Wichtiges geht: Eine gewisse Reibung durch das Anderssein des geliebten Menschen schürt die Flamme der Liebe. Aber nur auf dem Boden bedingungsloser Wertschätzung.

Prof. Mag. Dr. Monika D. Wogrolly, Philosophin und Psychotherapeutin
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