Steuerreform 2020 sollte für IHS-Chef rund 5 Mrd. Euro groß sein

Und primär kleine und mittlere Einkommen entlasten, aber auch Firmen - Gegenfinanzierung zu zwei Drittel über Einsparungen - Kocher: Ländern mehr Steuerautonomie geben, samt Pflichten

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Rund 3 Mrd. Euro an Einsparpotenzial zu finden, werde freilich "nicht ganz trivial" sein, meinte Kocher am Donnerstag im Klub der Wirtschaftspublizisten. Für Niedrigeinkommensbezieher, die ohnedies schon von der Lohnsteuer befreit sind, könnte sich der Experte weitere Lohnnebenkosten-Senkungen vorstellen, damit mehr Netto vom Brutto im Geldbörsel ankommt. Denn bei der Schere zwischen Brutto und Netto liege Österreich "noch immer im europäischen Mittelfeld". Die ersten 12.000 Euro Jahreseinkommen sind bei Unselbstständigen ohnedies steuerbefreit, bei Selbstständigen 11.000 Euro im Jahr.

Der "entscheidende Punkt" ist für Kocher der Sprung vom Freibetrag auf die erste bzw. von der ersten auf die zweite Steuerstufe, "der ist sehr hoch". Über 12.000 Euro beträgt der Grenzsteuersatz nämlich schlagartig 25 Prozent, über 18.000 Euro im Jahr 35 Prozent. Damit sei es "in Österreich unattraktiv Arbeit anzunehmen oder von Teil- auf Vollzeit zu gehen". Eine ähnliche Gefahr sieht der Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS) auch beim Arbeitslosengeld, wo man die Attraktivität zur Aufnahme eines Jobs erhöhen könne. Nicht die Höhe des Arbeitslosengeldes an sich sei entscheidend, sondern die bei uns geringe Differenzierung im Zeitverlauf, während andere Länder die Ersatzrate degressiv absenken würden. Substanziell senken werde man die Arbeitslosigkeit in Österreich aber erst ab 2022/23 können, wenn die Babyboomer in Pension gehen.

Für eine steuerliche Entlastung der Unternehmen, die idealerweise über die Körperschaftsteuer (KÖSt) erfolgen könnte, hielte es der IHS-Chef für besser, den KÖSt-Satz zu senken als etwa den Satz auf einbehaltene Gewinne zu halbieren. Als "Signal" sei wegen der Sichtbarkeit eine Senkung des KÖSt-Satzes besser. Die Steuerreform sollte für die Konjunktur und die Wirtschaft förderlich sein. Und es sollte an den Zielen festgehalten werden, die Abgabenquote zu senken und die Struktur zu ändern.

An "neuen" Steuern bzw. Steuererhöhungen, über die man im Zuge einer Änderung der Steuerstruktur nachdenken könnte, schweben dem IHS-Chef eine CO2-Steuer, aber auch eine moderate Anhebung der Grundsteuer vor. Es bestehe durchaus Anpassungsbedarf weg von der Einkommensteuer hin zu anderen Steuerarten. Auch wenn eine Kohlendioxid-Steuer nicht "die" massiven Einnahmen bringe, sollte man sie einmal "vorsichtig einführen, um zu sehen ob es funktioniert".

Und die Grundsteuer in Österreich werde, obwohl schon einmal angehoben, von OECD, Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) als im unteren Bereich angesiedelt angesehen. Die ökonomische Theorie sage, dass es besser sei, etwas nicht Mobiles als etwas Mobiles zu besteuern. Falle die Anhebung moderat aus, so treibe das nicht zusätzlich die Preise auf den Immobilienmärkten an. Hier habe Österreich jedenfalls noch Spielraum. Und im Gegenzug könnte man ja vielleicht die Einkommensteuer noch etwas stärker senken als man ursprünglich vorgehabt habe.

Besorgt machen den IHS-Leiter die zwischen Bund und Ländern beim Thema "Fiskalföderalismus" aufgetretenen "Konfliktlinien": "Die werden noch stärker, wenn wir nicht den Ländern mehr Steuerautonomie geben und sie auch zwingen, diese zu nutzen." Damit der Föderalismus funktioniere, müsse es auch Länder-Verantwortung bzw. Verantwortlichkeit für die Einnahmen geben, betonte Kocher. Ob die Länder vielleicht so viel Zuständigkeit gar nicht wollten? NÖ-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) etwa habe schon gesagt, dass sie Finanzhoheit wolle. Das könnte laut Kocher die Mehrwertsteuer sein, selbst mit länderweise unterschiedlichen Sätzen. Alternativ könnte auch an die Grund- oder die Gewerbesteuer gedacht werden. Unterschiedliche Einkommensteuersätze wie in Schweizer Kantonen seien für Österreich freilich "nicht realistisch".

Und: Es sollte bei den öffentlichen Ausgaben mehr Transparenz geben, wünscht sich der IHS-Chef. Man sollte überlegen, die Transparenz-Datenbank wiederzubeleben, in die dann auch die Bundesländer Informationen einliefern sollten: "Die Bürger wollen klare Einsicht haben", etwa bei Förderungen, verwies er auf das 2017 gescheiterte Informationsfreiheitsgesetz (IFG).

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